Vorstellungsgespräch beim Chatbot Wenn KI die Bewerber auswählt: So stechen Sie hervor

Mehr und mehr Unternehmen setzen auf smarte Software, um die Bewerbungen zu sortieren. Statt mit einem möglichen Chef reden Bewerber dann mit Chatbots.  Quelle: Foto: Getty Images, Illustration: WirtschaftsWoche

Zunehmend setzen Unternehmen auf Algorithmen, um neue Mitarbeiter auszuwählen. Was Bewerber beachten sollten, um in die engere Auswahl der künstlichen Intelligenz zu gelangen.

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Den Lebenslauf geschrieben, neues Porträtfoto gemacht, die schönsten Arbeitsproben zusammengestellt – alles wichtig bei der Jobsuche. Aber glänzen können Bewerber damit nur, wenn sie es in die engere Auswahl schaffen. Und darüber entscheidet immer seltener ein Personaler und immer öfter eine künstliche Intelligenz (KI).

Mehr und mehr Unternehmen setzen auf smarte Software, um die Bewerbungen zu sortieren. Statt mit einem möglichen Chef reden Bewerber dann mit Chatbots. Vor allem in großen Konzernen erhalten die Personalabteilungen so viele Zuschriften, dass sie sie händisch kaum noch abarbeiten können. Software mit künstlicher Intelligenz dagegen schafft es, Tausende Lebensläufe zu analysieren. Der Software-Konzern SAP lässt inzwischen gar 40.000 Auswahlinterviews pro Jahr automatisch durchführen. Zugleich versprechen Anbieter solcher neuen Werkzeuge, die Auswahl der Kandidaten verlaufe so objektiver, weil die Software persönliche Vorlieben und Abneigungen, die jeder Menschen unbewusst in solch ein Gespräch mitbringt, rausfiltere. Dabei ist längst bekannt, dass künstliche Intelligenz häufig die Vorurteile übernimmt, die in den Datensätzen versteckt sind, mit denen sie trainiert wurde. Obendrein sind Deep-Learning-Algorithmen oft verschlossene Kisten – es ist schwer zu rekonstruieren, wie sie zu ihren Ergebnissen kommen.

Den Lebenslauf maschinenlesbar machen

„KIs können auch im Hintergrund eingesetzt werden, wo der Kandidat gar keine Chance hat zu realisieren, dass er mit einer KI interagiert.“, sagt Christoph Weinert, Recruiting-Experte am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Jobsuchende müssen sich also darauf einstellen, dass sie im Zweifel auch eine Maschine überzeugen müssen, sie in die engere Auswahl zu nehmen. Nur wie?

Hilke Schellmann, eine Emmy-Award-prämierte Journalistin aus New York, hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigt und schreibt an einem Buch über KI-Werkzeuge bei der Personalsuche. Sie rät Bewerbern, sich schon beim Schreiben des Lebenslaufs darauf einzustellen, dass auch ein Algorithmus ihn lesen könnte. „Die meisten Unternehmen und die meisten Jobplattformen wie Indeed, Monster oder LinkedIn nutzen mittlerweile maschinelles Lernen, um Bewerbungen zu analysieren“, sagt Schellmann.

„Also bauen Sie Ihren Lebenslauf in erster Linie für eine Maschine.“ Das bedeutet: Keine ausgefallenen Grafiken, keine langen, schönschreiberischen Formulierungen. Stattdessen: „Machen Sie eine Auflistung aus Spiegelstrichen, in der Sie ihre Leistungen in klarer Sprache beschreiben“, so Schellmanns Rat. Software falle es leichter, solche geordneten Texte auszuwerten.

Nur nicht zu bescheiden

Wie verständlich solch ein Schreiben für die Software ist, könne man durchaus testen, ehe sie bei dem Unternehmen landet, wo man anheuern möchte. „Laden Sie Ihren Lebenslauf auf Jobplattformen wie Indeed und Monster hoch und prüfen Sie, wie viel das System richtig lesen und kategorisieren kann“, rät Schellmann. „Das gibt Ihnen einen Hinweis darauf, wie gut Ihr Lebenslauf von einer Maschine gelesen wird.“ Werden Fähigkeiten als solche erfasst? Fallen Informationen aus dem Lebenslauf durchs Raster? Der Upload-Test zeigt, wo es noch hakt.

Expertin Schellmann warnt auch vor falscher Bescheidenheit. „Listen Sie wirklich alle Ihre Fähigkeiten auf“, rät sie, „damit Computer diese leicht erfassen können.“ Der Hinweis betreffe vor allem Frauen, die insgesamt zu bescheiden mit ihren Leistungen in ihren Lebensläufen seien – und dadurch bei KI-Systemen riskieren, zu früh durchs Raster zu fallen.

Stabile Internetleitung fürs Videogespräch

Haben Bewerber die erste Hürde überwunden, kann eine nächste Überraschung folgen: Ein Videointerview mit einer KI. Softwareanbieter wie Retorio oder HireVue bieten Unternehmen Werkzeuge, mit denen sie automatisch nicht nur praktische Fähigkeiten von Bewerbern einschätzen wollen, sondern auch Persönlichkeitsmerkmale. Dazu analysieren Algorithmen, was Bewerber sagen und wie sie sich ausdrücken. Sie analysieren Stimmlage und Betonung. Und sie scannen sogar Gesichtsausdrücke um zu beurteilen, wie überzeugend Bewerber wirken.



Wie genau die Programme arbeiten, behalten die Anbieter zwar für sich. Auch äußern Forscher Zweifel, ob die Technik immer leisten kann, was ihre Schöpfer versprechen. „Wir brauchen eine robustere psychologische Validierung der Verfahren“, sagt Verena Fink, geschäftsführende Gesellschafterin der Kölner Unternehmensberatung Woodpecker Finch, die ein Buch über KI im Personalwesen geschrieben hat.

Für Videointerviews rät sie Bewerbern trotzdem, ein Umfeld zu schaffen, das es Algorithmen leichter macht, das Video zu analysieren – und Irritationen verhindert. „Leuchten Sie Ihren Platz ordentlich aus“, sagt Fink. Auch die Tonqualität und die Internetverbindung sollten fehlerfrei sein. Bewerber sollten vorher die Stellenanzeige ganz genau studieren. „Ich kann ziemlich sichergehen, dass der Algorithmus auch mit Signalworten aus der Ausschreibung trainiert wurde“, sagt Fink. Werden etwa Teamplayer gesucht, sollten Bewerber auch genau dieses Wort fallen lassen.

Bitte lächeln – und in die Kamera schauen

Eine direkte Sprache hilft der Software, solche Schlüsselwörter zu erkennen – komplizierte Umschreibungen könnten dagegen durchs Raster fallen. Auch die Sprache könne helfen, sagt Expertin Fink: Wer Wörter wie „wir" oder „unser“ verwendet, steigert vielleicht die Chance, von der KI als besonders teamorientiert eingestuft zu werden.

Bewerber sollten dabei nicht vergessen, in die Kamera zu lächeln, betont Fink. Schließlich verbuchen manche KIs ein strahlendes Gesicht als Hinweis auf eine aufgeschlossene, freundliche Persönlichkeit. Genauso kann eine monotone Stimme Minuspunkte bringen, wenn nach extrovertierten Verkaufstalenten gesucht wird.

Expertin Schellmann rät auch dringend dazu, nicht auf das eigene Videobild auf dem Bildschirm zu schauen, sondern direkt in die Webcam, „da einige KI-Tools das als „Engagement bei der Arbeit“ analysieren.

Bei allem Schliff am eigenen Auftritt – zu künstlich darf er auch wieder nicht werden. Wer sich perfekt gibt wie eine Tagesschau-Sprecherin, kann vielleicht sogar von der Software als verhaltensauffällig markiert werden. Halbwegs authentisch bleiben ist darum ratsam.

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Eines müssen auch die Experten einräumen: Die goldene Formel für die Bewerbung bei einer KI gibt es nicht, weil niemand den Algorithmen der Anbieter unter die Haube schauen kann. Aber vielleicht gibt es ja in einer paar Jahren auch eine KI, die Bewerber coacht?

Mehr zum Thema: Sie gilt als eine der wichtigsten Führungsfähigkeiten unserer Zeit. Doch Wissenschaftler beleuchten immer wieder die dunkle Seite emotionaler Intelligenz. Wer sie falsch und im Übermaß anwendet, kann sogar Schaden anrichten.

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