Peter Tauber liegt leider falsch, wenn er twittert „Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, brauchen Sie keine drei Minijobs.“ Und das liegt nicht daran, dass die Menschen nicht lernen wollen oder können oder sich keine Mühe geben. Es liegt an den Megatrends der Gegenwart, die immer mehr Menschen in flexible und atypische Jobs zwingen.
Die Globalisierung führt dazu, dass Unternehmen sich einem größeren Wettbewerb und damit höheren Kostendruck stellen müssen. Durch die Automatisierung verschwinden viele Jobs und neue entstehen. Beim Job-Futuromat kann jeder herausfinden, wie automatisierbar sein eigener Job heute schon ist.
Ist Ihr Job austauschbar?
Und wenn er es noch nicht ist, liegt das wahrscheinlich daran, dass der Arbeitsplatz geschützt werden soll. Denn würde man alle Jobs soweit automatisieren, wie es möglich ist, würden Hunderttausende Arbeitsplätze wegfallen – vor allem die der Menschen, die für die Vergangenheit ausgebildet wurden. Nach einer Studie von Frey & Osborne bzw. ihrer Adaption auf Deutschland wären es 42 Prozent aller Jobs, die automatisiert werden können. Eine Liste der Jobs, die besonders betroffen sind, gibt es hier.
Zur Person
Steffi Burkhart ist Jahrgang 1985 und gehört zur Generation Y. Sie ist professionelle Speakerin, Beraterin und Autorin zum Thema Generation Y.
Aber ist das so schlimm? Was für eine Gesellschaft ist es denn, in der Jobs, die besser von Maschinen erledigt werden können, trotzdem von Menschen gemacht werden. Das ist reine Beschäftigungstherapie! Stattdessen sollte der Fokus auf der Wissensarbeit liegen, auf dem, was nur der Mensch kann und nicht die Maschine.
Mitarbeiter lernen das, was Unternehmen nicht brauchen
So steigt in einer Gesellschaft, die immer weiter automatisiert wird, der Anspruch an den einzelnen Job, an den einzelnen Wissensarbeiter und der Bedarf an Wissensarbeitern steigt ebenfalls. Aber besonders was kreative und sozial-intelligente Tätigkeiten angeht, fehlt es an den richtigen Mitarbeitern, weil hier die Ausbildung versagt. Wir stehen also vor einer Situation, in der die potenziellen Mitarbeiter das gelernt haben, was die Unternehmen nicht brauchen. Gleichzeitig werden aber nicht nur in der Wissensarbeit neue Mitarbeiter benötigt, sondern auch im Dienstleistungsbereich. Und dann landen die Menschen, die zwar „was ordentliches gelernt“ haben, trotzdem in Minijobs im Dienstleistungssektor.
Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.
— Peter Tauber (@petertauber) 3. Juli 2017
Viele Unternehmen versuchen, sich mit Cloud- oder Crowdworkern, virtuelle Teams, und arbeiten rund um die Uhr zu behelfen, um die Arbeitskraft der geeigneten Arbeiter so gut wie möglich zu nutzen.
Aber ist das wirklich eine nachhaltige Lösung? Ein Pro und ein Kontra.
Pro flexible, virtuelle Arbeit
Es gibt kein Zurück mehr, sondern nur noch ein Vorwärts, so viel ist klar. Die Arbeitswelt hat sich verändert, wir können die Zeit nicht mehr zurückdrehen, also müssen wir die Chancen nutzen, die uns die Entwicklung gegeben hat.
Dass dabei einige Menschen auf der Strecke bleiben, ist leider so. Der Staat muss die richtigen Maßnahmen ergreifen, um diese Menschen sozial abzusichern. Aber deshalb der Automatisierung einen Riegel vorzuschieben, macht Deutschland nur eine zeitlang weniger wettbewerbsfähig und verschiebt das Problem. Denn irgendwann wird die Entwicklung hin zur automatisierten und digitalisierten Produktion ihren Lauf nehmen.
Essenzielle Flexibilität für den Fortschritt
Und wenn wir die Automatisierung und die Globalisierung weiter voranschreiten lassen, dann muss sich die Arbeitswelt anpassen. Flexible Einsatzzeiten und –orte sind dafür essenziell. Wenn die Anforderungen an die Arbeitsplätze steigen, brauchen die Unternehmen qualifiziertere Arbeitskräfte. Und die sind nicht immer an einem Ort zu finden. Modelle, wie das Cloudworking sind deshalb optimal. So kann das Wissen und Potenzial von Mitarbeitern aus aller Welt genutzt werden, die auf digitalen Plattformen zusammenarbeiten.
Für die Mitarbeiter bringt das ebenfalls nur Vorteile. Sie können von zuhause und zeitlich flexibel arbeiten und so Familie und Job miteinander vereinbaren. In einer Welt, die sowieso hauptsächlich online stattfindet, ist es nur die logische Konsequenz, dass auch der Job online ist.
Kontra flexible, virtuelle Arbeit
Flexible Arbeitsverhältnisse sind nur ein Deckmantel für prekäre Arbeitsverhältnisse. Unternehmen versuchen, damit die Sozialversicherungspflicht zu umgehen und verlangen unzählige Überstunden von ihren Mitarbeitern mit dem Argument, dass ihre Arbeitszeiten ja flexibel seien.
Die flexible Arbeit führt dazu, dass Mitarbeiter immer erreichbar sind und sein wollen. Denn Cloud- und Crowdworking führt zu wachsender Konkurrenz unter den Arbeitern. Es anonymisiert die Arbeit und macht die Arbeiter so leicht ersetzbar. Wer nicht da ist, wenn es gerade Arbeit gibt, bekommt den Auftrag auch nicht. So ist eine ständige Präsenz gefordert. Gleichzeitig senkt der Konkurrenzdruck die Löhne.
In acht Schritten zum Burn-Out
Es beginnt alles mit dem Wunsch, sich zu beweisen. Dieser aber treibt einen in den Zwang, sich noch mehr anzustrengen, noch mehr zu leisten bzw. es allen recht zu machen. Man nimmt jeden Auftrag an, sagt immer seltener Nein. Jettet von Termin zu Termin. Und nimmt abends Arbeit mit nach Hause.
(Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Man nimmt seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahr. Schläft zu wenig, isst hastig oder gar nichts. Sagt den Kinobesuch mit Freunden ab.
Man missachtet die Warnsignale des Körpers, wie Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen, hoher Blutdruck, flaches Atmen, Konzentrationsschwäche.
Um wieder funktionieren zu können, greifen manche zu Drogen wie Schmerzmitteln, Schlaftabletten, Alkohol, Aufputschern.
Das eigene Wertesystem verändert sich. Die Freunde sind langweilig, der Besuch mit dem Kollegen im Café verschwendete Zeit. Die Probleme mit dem Partner oder Familie nimmt man einfach nicht mehr wahr. Man zieht sich zurück aus gesellschaftlichen Kontakten. Und endet oft in völliger Isolation.
Die Persönlichkeit verändert sich. Alles dreht sich nur noch darum, zu funktionieren, zu arbeiten. Gefühle und Emotionen werden verdrängt. Man verliert den Humor, reagiert mit Schärfe und Sarkasmus, empfindet Verachtung für Menschen, die das Faulsein genießen. Man verhärtet.
Man verliert das Gefühl für die eigene Persönlichkeit. Spürt nur noch Gereiztheit, Schmerzen, Erschöpfung, Überlastung, Angst vor einem Zusammenbruch. Und sonst nichts mehr. Keine Freude, keine Fröhlichkeit, keine Neugierde. Der Mensch funktioniert wie eine Maschine. Die Seele erstarrt.
Die wachsende innere Leere, genährt von dem Gedanken "Wenn ich nicht arbeite, was bin ich dann?", führt zur Depression, zur völligen Erschöpfung, zum Zusammenbruch, zum Ausgebranntsein.
Aber Cloud- und Crowdworking sind da nur die Extremformen. Das Problem beginnt schon im Unternehmen. Moderne Kommunikationstechnologien machen es erst möglich, ständig erreichbar zu sein, zuhause noch E-Mails zu beantworten und so aber eben auch mal zuhause zu bleiben, wenn es nötig ist. Die Folge: Praktisch komplettes Work-Life-Blending.
Dieser Trend kann einigen entgegenkommen, ist aber nicht die richtige Arbeitsform für viele Arbeiter. Wenn jemand das will und schätzt, kann er gerne so arbeiten. Aber von jedem Mitarbeiter plötzlich diese Flexibilität einzufordern, kann nicht die Lösung sein. Es gibt einen Grund, warum in unserer Beschleunigungsgesellschaft (Hartmut Rosa) immer mehr Überstunden gemacht werden. Sie überhaupt erst werden möglich. Aber mit den Überstunden und dem Work-Life-Blending steigen auch Krankheiten wie Burn-Out und andere psychosoziale Störungen.
Deshalb: Flexible Arbeit ist nur dann okay, wenn der Mitarbeiter das wirklich will.