Feldversuch beginnt 2019: Ladespur für E-Lastwagen kommt voran
Der Verkehr rollt an neuartigen Oberleitungsmasten vorbei, die an der Autobahn A5 nahe der Rastanlage Gräfenhausen stehen. Der sogenannte eHighway auf der stark befahrenen A5 soll bis zum Herbst auf fünf Kilometern entstehen.
Foto: dpaDer Bau der ersten deutschen Teststrecke für E-Lastwagen mit Oberleitung im Rhein-Main-Gebiet geht zügig voran: An der stark befahrenen Autobahn 5 zwischen Darmstadt und Frankfurt stehen bereits die rund 230 Masten für Lastwagen mit Stromabnehmer. Ausleger für die Fahrdrähte der Oberleitung fehlen nur noch in Richtung Süden. „Wir sind komplett im Zeitplan“, sagt Projekt-Koordinator Achim Reusswig von der Verkehrsbehörde Hessen mobil. Ende November werde die Anlage für die je Richtung fünf Kilometer lange Teststrecke voraussichtlich betriebsbereit sein.
Der Feldversuch soll Anfang 2019 beginnen und dazu beitragen, die Klimaschutzziele der Bundesrepublik zu erreichen. In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg dauert es noch etwas länger.
Die Bauarbeiten an der Autobahn 1 in Schleswig-Holstein sind für Oktober 2018 bis Ende Mai 2019 geplant. Der Startschuss für die Pilotstrecke ist offiziell schon gefallen. Zwischen Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck soll auf je fünf Kilometern pro Richtung eine Oberleitung für schwere Lastwagen gebaut werden. Eine Reinfelder Spedition soll die Strecke dann mit einem Hybrid-Lkw testen.
Typisches Einsatzgebiet der Elektro-Lkw ist zunächst der innerstädtische, schwere Verteilerverkehr, zum Beispiel die Supermarktbelieferung. Sie kann so geräuscharm und lokal emissionsfrei geschehen. Der „Urban e-Truck“ von Mercedes, der auf der IAA 2016 als Studie vorgestellt wurde, startet nun testweise. Unter dem Namen eActros wird er in den kommenden zwei Jahren im städtischen Lieferverkehr erprobt. Der 25-Tonner kann 12,8 Tonnen zuladen und fährt mit einer Batterieleistung von 212 kWh bis zu 200 Kilometer weit rein elektrisch - was für eine Tagestour im Verteilerverkehr üblicherweise voll ausreicht.
Foto: DaimlerDer Elektro-Lastwagen von Daimlers US-Marke Freightliner soll nun in zwei Modellen auf den Markt kommen. Der schwere eCascadia soll eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern haben, der leichtere eM2 soll bis zu 370 Kilometer schaffen. Zunächst werden allerdings erst einmal 30 Fahrzeuge in einer Art Pilotphase an Kunden ausgeliefert werden. Die Serienfertigung soll, genau wie beim Mercedes-Benz-Modell eActros, 2021 beginnen.
Foto: dpaTonnenschwer, aber flüsterleise: der Elektro-Lkw. Mit dem Tesla Semi hat Elon Musk viel Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Doch wenn der Elektro-Lkw von Tesla irgendwann auf den Markt kommt, wird er nicht der Erste sein: Die ersten Kleinserien von Elektro-Lkw im Alltagseinsatz fahren in Deutschland und Österreich im kommenden Jahr auf den Straßen.
Foto: WirtschaftsWoche2018 startet nun die Praxiserprobung, eine spezielle Flotte der Elektro-Lkw ist dazu bei Mercedes-Kunden auf der Straße im Alltagseinsatz. Der Hersteller erhofft sich dadurch wertvolle Praxiserfahrungen mit der neuen Technik – zum Beispiel zu Logistikprozessen und Betriebskosten. Die Produktion in Großserie ist für 2020 geplant. Die Erkenntnisse sollen schließlich in neu konzipierte Geschäftsmodelle für vollelektrische Laster für den innerstädtischen schweren Verteilerverkehr münden.
Foto: DaimlerBereits im ersten Quartal 2018 bringt die Konkurrenz eine elektrische Lkw-Flotte auf die Straße: Zusammen mit neun österreichischen Logistikern erprobt Lkw-Hersteller MAN den Einsatz von elektrischen Verteiler-Lkw im Alltag. Die Fahrzeuge der TGM-Baureihe haben einen 250 kW-Elektromotor und werden mit einer elektrischen Reichweite von 200 Kilometern ebenfalls in der City-Logistik eingesetzt. MAN hat angekündigt ab Ende 2018 eine Kleinserie von weiteren E-Trucks aufzulegen, eine Großserienfertigung ist für 2021 geplant.
Foto: WirtschaftsWocheEinen anderen, nicht minder spannenden Ansatz verfolgt Scania: Der schwedische Hersteller und VW-Tochter setzt modifizierte Laster bei Tests von Oberleitungen auf Autobahnen ein. In Schweden sind die Lkw mit Stromabnehmern auf dem Dach bereits seit 2016 unterwegs. Ab nächstem Jahr fahren Oberleitungs-Lkw auch in Deutschland im Realverkehr: Auf einem etwa sechs Kilometer langen Teilstück der Autobahn 1 in Schleswig-Holstein, zwischen Reinfeld und Lübeck. Das Bundesumweltministerium fördert das Pilotprojekt mit rund 14 Millionen Euro. Baubeginn für die nötige Infrastruktur ist im März, die Fertigstellung Ende 2018.
Foto: ScaniaDie Oberleitungen könnten eine Option zur Elektrifizierung der Langstrecke sein, die bisher wegen zu schwerer Akkus, die mitgeschleppt werden müssten, als Herausforderung für den E-Lkw gilt. Beim Oberleitungs-Konzept nutzen die Lkw den Strom aus der Oberleitung nicht nur für die elektrische Fahrt, sondern laden gleichzeitig ihren Akku. Deshalb reicht es laut Ministerium, einzelne Abschnitte der Autobahn zu elektrifizieren, zwischen denen dann mit Strom aus dem Akku gefahren werden kann. Lkw verschiedener Speditionen beteiligen sich an dem Projekt.
Foto: Siemens-PressefotoRein batterieelektrische leichte Nutzfahrzeuge sind zum Beispiel bei der Post-Tochter DHL in der Paketauslieferung bereits im Einsatz und im städtischen Straßenbild durchaus präsent. Für 2018 hat der Hersteller der elektrischen Paket-Laster Streetscooter die Erhöhung der Produktionskapazitäten auf 20.000 Stück pro Jahr angekündigt und nimmet dazu ein neues Werk in Nordrhein-Westfalen in Betrieb.
Foto: WirtschaftsWocheIm Segment der 7,5-Tonner bringt Daimler-Tochter Fuso nun einen neuen Mitspieler: Der eCanter hat eine Reichweite von 100 bis 120 Kilometern und kommt in Kleinserie neben den USA und Japan auch in Europa auf den Markt. Ab 2019 soll er in Großserie produziert werden.
Foto: Daimler
Für die dritte Teststrecke in Baden-Württemberg, die Bundesstraße 462 (Rastatt-Rottweil), laufen dagegen noch die Planungen. Die Strecke soll in beide Fahrtrichtungen rund sechs Kilometer lang werden. Die Bauaufträge dafür sollen noch in diesem Jahr vergeben werden und die Oberleitungen dann 2019 aufgestellt werden, heißt es bei der Landesregierung. Auf der Strecke werden jedes Jahr mehr als 500 000 Tonnen Papier und Pappe transportiert. Im Rahmen des Projekts „eWayBW“ würden Oberleitungs-Lastwagen dann mit dieser Last pro Jahr 250 000 Kilometer zurücklegen, so dass die Verantwortlichen mit belastbaren Ergebnissen rechnen.
Die Teststrecke hat noch zwei andere Vorteile: Anwohner beschweren sich regelmäßig über den Lärm der Lastwagen. Beim Einsatz von Elektro-Lastwagen könnten Lärm- und Schadstoffbelastungen gut untersucht werden. Auch ein Vergleich mit dem Güterverkehr wäre möglich, denn der Abschnitt verläuft parallel zu einer Bahnlinie.
Der Autobauer Daimler will sich auf seine Weise an dem Projekt beteiligen und bis 2020 eine rein batteriebetriebene Sattelzugmaschine mit einer Reichweite von bis zu 200 Kilometern entwickeln. Sie soll dann den Vergleich mit den Oberleitungs-Lkw antreten.
Das Bundesumweltministerium fördert die drei Feldversuche bis 2019 mit insgesamt 45,3 Millionen Euro. Das Projekt in Schleswig-Holstein werde noch einmal um 5,1 Millionen Euro aufgestockt und der Test-Betrieb an allen Standorten ab 2019 mitfinanziert, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Die Oberleitungs-Lkw seien bereits mehrere Jahre auf einer nicht-öffentlichen Teststrecke erprobt worden.
Auf der A5 zwischen den Anschlussstellen Langen/Mörfelden und Weiterstadt sollen die ersten Lastwagen mit Strom aus Oberleitungen ab 2019 fahren. Der Feldversuch beginnt mit einer Einführungsphase, die etwa bis Mitte des Jahres gehen werde, sagte Siemens-Sprecher Stefan Wagner. Siemens baut die Teststrecke. In der Einführungsphase solle zunächst die Betriebsführung erprobt sowie Spediteure und Fahrer mit der Technologie der sogenannten Oberleitungs-Hybrid-Lkw vertraut gemacht werden. „In dieser Phase werden schon mehrere Fahrzeuge auf der Strecke eingesetzt.“ Ab Mitte 2019 solle dann der Realbetrieb von Speditionen mit fünf Fahrzeugen getestet werden.
Das System erlaube den Einsatz unterschiedlicher Antriebskonzepte, rein elektrische, Hybridfahrzeuge mit Diesel, Bio-Diesel, Gas, Batterien oder Brennstoffzellen, zählte Wagner Beispiele auf. So könnten Fahrzeuge während der Fahrt etwa ihre Batterien laden.
Die Lkw erkennen bei laufender Fahrt über Sensoren die Leitungen über sich und docken an, ohne langsamer zu werden, erklärt Reusswig die Anlage „Elisa“ an der A5 in Hessen. Der Stromabnehmer werde ausgefahren und durch Druck von unten an die Leitung gekoppelt. „Er muss nicht einfädeln.“ Die Laster können während der Fahrt auch die Spur wechseln und dabei abdocken, sagte Wagner. Denn die Anlage funktioniert nur auf der rechten von vier Fahrspuren.
Wie weit die Lastwagen nach dem Laden mit ihrem Akku dann kommen, ist noch unklar, sagte Reusswig. Dies müsse der Feldversuch zeigen und hänge auch vom Gewicht der Fahrzeuge ab. Die Infrastruktur an der A5 lasse alle möglichen Lastwagentypen und womöglich sogar Busse zu.
„Die Technik an sich funktioniert ja“, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterverkehr. Nun müsse unter realen Bedingungen getestet werden, ob es auch klappe, wenn nicht ein, sondern 10, 20 oder 30 Lkw am Tag über Monate auf den E-Strecken fahren.