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E-ZigarettenWie schädlich sind elektronische Zigaretten?

E-Zigaretten sind so erfolgreich wie umstritten. Zwischen Forschern, Behörden und Händlern tobt ein Krieg um die vermeintlich gesunde Alternative zum Rauchen.Susanne Kutter 17.01.2012 - 00:00 Uhr

Rauchen ist in europäischen Zügen seit Jahren verboten. Und doch sitzt Johnny Depp in dem Film „The Tourist“ in einem Großraumabteil des Schnellzuges von Paris nach Venedig und zieht genüsslich an einem glimmenden Stängel.

Den Rauch bläst er Filmpartnerin Angelina Jolie ins Gesicht und erklärt: „Ist keine richtige Zigarette. Ist nur elektronisch. Sie enthält genauso viel Nikotin, aber der Rauch ist bloß Wasserdampf.“ Zum Beweis klopft er mit der rot leuchtenden LED-Spitze auf seinen Handrücken und steckt die E-Kippe in seine Brusttasche.

Damit greift der Film einen weltweiten Trend auf: Raucher steigen von den stinkenden Glimmstängeln auf die fast geruchlose elektronische Zigarette um, die eine nikotin- und aromastoffhaltige Lösung zu einem inhalierbaren Dampf vernebelt, aber nichts verbrennt. Red-Kiwi aus Seevetal, der größte deutsche E-Zigaretten-Vertreiber, ließ die Zahl der E-Dampfer durch eine Online-Befragung abschätzen.

Demnach waren im September 2011 schon 1,2 Millionen Menschen in Deutschland vollständig oder teilweise E-Dampfer. Der Umsatz in Deutschland lag 2011 bei etwa 100 Millionen Euro. Heute, nur drei Monate später, schätzt der vor wenigen Wochen gegründete Verband des eZigarettenhandels (VdeH) schon zwei Millionen E-Zigaretten-Nutzer.

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Zum Vergleich: Die Zahl der Raucher wird hierzulande mit 20 Millionen angegeben. Die allesamt aus China importierten Plastik-Stängel boomen, seit zum Schutz der Nichtraucher immer mehr Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden, Büros, Restaurants, Bahnen und Bussen gelten.

Rauchfreie Zonen auch dampffrei machen

Viele der Umsteiger fühlen sich besser, zum Beispiel weil sie weniger Husten, keine gelben Finger mehr haben und sich sicher sind, ihre Mitmenschen viel weniger zu belasten als mit ihrem bisherigen Gequalme. Doch nun droht Ungemach.

Denn Behörden, Forscher und Politiker warnen vor möglichen Gesundheitsgefahren – sowohl für die E-Dampfer, als auch für die Passiv-Dampfer. Sie wollen die Rauchverbotszonen auch zu dampffreien Zonen machen.

So empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung, für elektronische Zigaretten sollten in Räumen die gleichen Regeln gelten, wie für normale Zigaretten. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), rät ganz von den Hightech-Zigaretten ab, weil der Hauptbestandteil der Kartuschen, die in die E-Zigaretten eingelegt werden, Propylenglycol ist.

Dieses in Kosmetika, Lebensmitteln und Medikamenten gebräuchliche Konservierungs- und Lösemittel könne, wenn man es inhaliert, Atemwegsreizungen auslösen. Außerdem hat die US-Gesundheitsbehörde FDA in mehreren E-Zigaretten-Liquids auch krebserregende Nitrosamine nachgewiesen.

Das Propylenglycol besorgt auch Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Sie ließ deshalb die Anwendungsbereiche aller propylenglycol-haltigen Medikamente auf dem deutschen Markt überprüfen.

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Das Ergebnis, so die Krebsforscherin: „Kein einziges dieser Produkte wird eingeatmet.“ Genau daraus ergebe sich aber die besondere Problematik, so Pötschke-Langer. Denn die E-Zigaretten-Raucher, die sich selbst als „Dampfer“ bezeichnen, inhalierten in großen Mengen eine Substanz, die ganz sicher in den Atemwegen und der Lunge nichts verloren habe.

„Die Hersteller von Propylenglykol warnen in ihren Sicherheitsdatenblättern ausdrücklich vor dem Einatmen und empfehlen als Erste-Hilfe-Maßnahme ausreichende Frischluftzufuhr oder die Nutzung von Atemschutz“, so Pötschke-Langer.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie warnt ganz aktuell mit Hinweis auf eine gerade im Fachmagazin „Chest“ veröffentlichte Studie an E-Zigaretten-Rauchern: Darin werde erstmals der vermutete schädliche Effekt von E-Zigaretten auf die Atmungsorgane nachgewiesen, wofür die Autoren in erster Linie Propylenglykol, aber auch andere Substanzen in den inhalierten Dämpfen verantwortlich machten.

Selbst nikotinfreie Aromakartuschen betrachtet die NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) deshalb mit Argwohn: „Über die spezielle Wirkungsweise von nikotinfreien Liquids mit ätherischen Ölen und Aromen wissen wir noch zu wenig, aber dass ätherische Öle und Aromen Allergien auslösen können, ist bekannt.“

Für Steffens heißt das: „Ein klassisches Erkältungsdampfbad kann die Nase frei machen, Lungenzüge aus einer E-Zigarette mit nicht ausreichend erforschten Inhaltsstoffen könnten riskant sein.“ Nikotinhaltige Liquids unterlägen zudem dem Arzneimittelrecht. Ein freier Verkauf sei strafbar.

Der Lüge bezichtigt und beschimpft

Seither herrscht Kampfstimmung in der E-Dampfer-Szene: Die sechs größten deutschen E-Zigarettenvertreiber taten sich Ende Dezember zum Interssenverband VdeH zusammen. Als erste Amtshandlung ließ der Verband der BZgA-Direktorin Pott und Ministerin Steffens von einem Anwalt Unterlassungserklärungen zuschicken.

Die über Internetforen gut vernetzte E-Dampfer-Szene stürzt sich zudem auf jeden online publizierten Artikel, der sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzt. Wissenschaftler, Politiker und Journalisten werden der Unwissenschaftlichkeit und Lüge bezichtigt und beschimpft.

Volker Kunze, Vorsitzender des Kreisverbandes der Piratenpartei im bayrischen Freising, ist selbst seit vier Jahren E-Dampfer. Er entschuldigt sich für den Ton mancher Mitstreiter, kann die hochschlagenden Wellen aber sehr gut verstehen: „30 Jahre lang habe ich geraucht, da hat mich niemand auf offener Straße darauf angesprochen, wie gefährlich das für mich und andere ist.“

Doch nun, seit er mit einer aus seiner Sicht viel harmloseren E-Zigarette unterwegs ist, werde ihm ständig vorgehalten, wie gefährlich das für ihn und seine Mitmenschen sei. Wie die FDP setzt sich auch die Piratenpartei dafür ein, dass E-Zigarettenrauchen erlaubt bleibt. Kunze ist überzeugt: „Gegenüber dem Rauchen ist es die bessere Alternative.“

Tatsächlich wisse man aber gar nicht genau, welche Gesundheitsgefahren von der E-Zigarette ausgehen, sagt Pott. Tatsächlich ist die Datenlage in vielen Punkten noch sehr dünn oder widersprüchlich. Während über die Gefahren des Rauchens seit Jahrzehnten geforscht wird, liegen über das Inhalieren von Nikotin und Aromen in Propylenglycol-Lösung kaum Erkenntnisse vor.

Unstrittig ist lediglich, dass Nikotin süchtig macht und als Nervengift tödlich wirken kann, wenn es geschluckt wird.

Gesunde E-Zigarette ist Quatsch

Dass E-Zigaretten gesund seien, wie anfangs von vielen Herstellern behauptet, sei aber Quatsch, räumt selbst E-Zigaretten-Verbandsvorsitzender Dac Sprengel ein: „E-Zigaretten zu inhalieren ist sicher ungesünder als Gebirgsluft zu atmen.“ Zugleich ist er überzeugt: „Es ist viel weniger schädlich, als klassische Zigaretten zu rauchen.“

Tatsächlich gäbe es auch in Deutschland noch ein oder zwei Händler, die weiterhin mit dem Slogan „die gesunde Art zu rauchen“ werben, doch die würden nicht im Verband aufgenommen. Der Verband selbst hat immensen Zulauf: In kürzester Zeit seien über einhundert mittlere und kleine Händler beigetreten.

Das Ziel des Lobbyverbandes schildert Sprengel so: „Wir wollen dazu beitragen, alle offenen Fragen zu klären.“ Deshalb hat sein Verband hat eine Studie zur Raumluftbelastung in Auftrag gegeben, die gerade ausgewertet wird.

Das Hauptproblem dabei ist, dass keiner den Studien des anderen glaubt. Zu offensichtlich sind die Einzelinteressen. Die E-Zigaretten-Branche fürchtet um das gerade aufblühende Geschäft. Der Tabakindustrie sind E-Zigaretten als Konkurrenz ein Dorn im Auge. Und der Staat fürchtet den Verlust von jährlich etwa 13,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen.

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