Keine Industrialisierung ohne Knolle Wie unsere Kartoffel den Fortschritt befeuert hat

Rad, Flugzeug, Glühbirne – als die wichtigsten Innovationen sehen Menschen technische Erfindungen. Dabei ist kein Fortschritt denkbar ohne die Ideenvielfalt bei der Essenszubereitung und die Industrialisierung kaum denkbar ohne die Kartoffel.

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Kartoffeln gibt es nicht nur in blassgelb. Wie ein Gemüse die Welt veränderte Quelle: dpa

Um etwas zu erfinden, benötigt man, wie Thomas Edison einst bemerkte "viel Fantasie und einen großen Haufen Schrott". Von beidem besitzt die Menschheit unerschöpfliche Mengen. Aber was war eigentlich die wichtigste Innovation unserer Geschichte? Man könnte Techniksoziologen oder Wirtschaftshistoriker beauftragen, sich an dieser Frage abzuarbeiten. Der britische Einzelhändler Tesco wählte einen anderen Weg: Er fragte das Volk. In einer Umfrage wollte das Unternehmen 2010 herausfinden, welche Erfindungen die Menschen für am wichtigsten halten.

Auf Platz eins wählten die über 4000 befragten Briten das gute alte Rad. Das Flugzeug belegte Platz zwei, gefolgt von Glühbirne (drei), Internet (vier) und Computer (fünf). Diese Erfindungen auf die vorderen Plätze zu wählen ist noch halbwegs nachvollziehbar, ebenso wie die hohe Wertschätzung für Telefon (sieben) oder Penicillin (acht). Dass jedoch das iPhone (neun) wichtiger ist als die Waschmaschine (dreizehn) kann nur jemand behaupten, der seine Hemden noch nie in einem siedenden Wäschezuber eingeweicht und danach mit bloßen Händen auf einem Waschbrett sauber geschrubbt hat. Es gibt andere derartige Befragungen, und stets schneiden Gadgets und Rechner dabei bestens ab. Das liegt daran, dass der Begriff Innovation für die meisten von uns synonym geworden ist mit Computern und Internet. Doch unser High-Tech-Flitz ist nicht nur Unfug, er ist sogar gefährlich: Unsere Siliziumobsession verstellt den Blick auf viele weitere interessante Erfindungen.

Keine Nahrungsmittel in den Top 100

Tom Hillebrand. (Zum Vergrößern bitte Anklicken)

Unser Essen. Wir sehen seine Existenz als so gottgegeben an wie die von Stühlen oder Streichhölzern. Aber unser Essen war nicht von Anfang an da, wir Menschen mussten es erst erfinden. Die Kombination aus Essen und Erfindergeist hat die Welt auf den Kopf gestellt. Vieles deutet darauf hin, dass dies auch in Zukunft so sein wird. In Tescos Top 100 der Erfindungen kommen keine Nahrungsmittel vor. Was dort seltsamerweise ebenfalls fehlt, ist das Feuer. Mit ihm wollen wir beginnen. Denn erst das Grillen hat uns zu Menschen gemacht.

Zur Person

Vermutlich war es zunächst die Wärme, die uns am Feuer anzog. Nachdem das Feuer seinen Schrecken verloren hatte, begannen wir, es zu domestizieren. Es dürfte bis etwa 125 000 vor Christus gedauert haben, bis sich das On-Demand-Feuer durchsetzte, das sich mit einem Stab oder Bogen jederzeit entfachen ließ. Das gemeinschaftliche Lagerfeuer war geboren. Dank des Feuers bekam Essen nun erstmals eine soziale Komponente. Nun versammelten sich unsere Vorfahren allabendlich, um am sorgsam gehüteten Lagerfeuer ihre Nahrung zuzubereiten.

Der Dinnertalk während dieser frühen Grillabende dürfte spärlich ausgefallen sein, denn die Affenmenschen konnten noch nicht sprechen; ihre Kieferpartien waren dafür zu grob. Erst durch das Weichkochen und Garen der Nahrung wurde der Mahlkiefer überflüssig und machte einer Mundpartie Platz, die uns das Sprechen ermöglichte. Ohne Feuer und ohne Kochen könnten wir folglich mit unseren iPhones nicht viel anfangen.

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