MIT-Forscher Brian Subirana „Nach unserer Feststellung hustet man in seiner Muttersprache“

Kann KI dabei helfen Corona-Infizierte zu finden? MIT-Forscher arbeiten zumindest daran. Quelle: dpa

Der MIT-Forscher Brian Subirana hat mit seinem Team eine künstliche Intelligenz entworfen, die Corona-Infizierte, insbesondere auch die Asymptomatischen, am Geräusch ihres Hustens erkennen kann. Das könnte helfen, die Ausbreitung der Pandemie besser zu kontrollieren und zu managen.

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WirtschaftsWoche: Herr Subirana, Sie haben eine künstliche Intelligenz entwickelt, die Covid-19-Infizierte am Hustengeräusch erkennt. Wie funktioniert das?
Herr Subirana: Der Algorithmus verwendet im Wesentlichen vier Biomarker. Jeder Einzelne wurde unabhängig voneinander und mit einer anderen Datenbank trainiert. Dann haben wir einerseits Husten-Aufnahmen von Covid-Infizierten, sowie andererseits von gesunden Probanden gesammelt. Mit den Eigenschaften der Biomarker haben wir ein Netzwerk trainiert, welches identifizieren kann, ob jemand Corona hat oder nicht.

Könnte demnach die KI ein Ersatz sein für heutige Tests?
Wir denken, dass es eher eine Art Ergänzung sein könnte. Das Schöne an unserem Test ist, dass er jederzeit, kostenlos und nichtinvasiv verwendet werden kann. Man benötigt keinen medizinischen Eingriff mehr. Unser Tool kann einfach auf einem App-Server zur Verfügung gestellt werden, sodass weltweit jeder Mensch in der Lage ist, es eigenständig runterzuladen und zu benutzen. Außerdem machen wir Längsschnittanalysen. Das sind schon viele Vorteile im Gegensatz zu regulären PCR-Tests. Ob das Tool auch als Substitut für diese einsetzbar wäre, werden wir erst sehen, wenn wir es tatsächlich und in einem realen Kontext implementiert haben.

Welche Nachteile und Herausforderungen sehen sie für Ihre Technologie?
Eine der größten Herausforderungen sind politische Regulierungen. Die Politiker müssten die Nutzung des Tools schnell genehmigen, damit wir in der Richtung zusammenarbeiten können. Wenn man allgemein das Gebiet der künstlichen Intelligenz betrachtet, fällt schnell auf, dass es trotz vieler Fortschritte in der Forschung nicht wirklich weit verbreitet ist, damit zu arbeiten. Zurückzuführen ist dies weitestgehend auf fehlende Regulierung und fehlende Geschäftsmodelle. Das sehe ich als größte Hürde.

Sprechen Sie schon mit Regierungen über den Einsatz der Corona-KI?
Wir führen im Moment mit vier Ländern Diskussionen darüber und müssen jetzt abwarten, was als nächstes passieren wird. Ich glaube aber, dass wir die Länder noch nicht öffentlich gemacht haben. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir bisher in Italien, Spanien, den USA und Mexico aktiv Proben von Hustengeräuschen gesammelt haben.

Für welche Anwendungsbereiche könnte die das Tool schon jetzt benutzt werden?
Die Technologie ist schon heute marktreif. Wir haben nur noch das Problem der Regulierung. Generell sehe ich sehr viele verschiedene Anwendungsbereiche. Zwei Große lassen sich besonders leicht herausstellen: Einerseits kann es als Pre-Screening dienen, um die Administration von Corona-Tests besser zu managen und Tests auch zu priorisieren. Andererseits kann es natürlich für Gruppenaktivitäten und sonstige Freizeitaktivitäten verwendet werden, zum Beispiel bevor man ein Restaurant betritt, zur Arbeit geht oder in ein Flugzeug steigt.

Eine App für Jedermann könnte das Leben in der Pandemie von Grund auf verändern. Wie lange wird es dauern, bis es dazu kommt?
Die Idee ist jetzt, mit den richtigen politischen Genehmigungen ein Open-Source-Tool anzubieten. Dieses kann beispielsweise in Corona-Warn-Apps integriert werden. Wie erwähnt, ist die Technologie ausgereift und fertig zum Gebrauch. Wir könnten auch noch weiteren Ansprüchen gerecht werden, vor allem was die Sprache der KI angeht. Nach unserer Feststellung hustet man in seiner Muttersprache, also kann es sein, dass Deutsche anders husten würden. Dann müssten wir den Algorithmus dementsprechend anpassen, aber das lässt sich schnell erledigen.

Ist das ein möglicher „Algorithmic Bias“?
Gute Frage, wir wissen nicht, ob es eventuell einen Bias für Kultur gibt. Das ist noch ein offenes Thema für die zukünftige Forschung. Es könnte auch einen Bias für gewisse Symptome geben bei symptomatischen Corona-Patienten. Wir sprechen hier aber von kleineren Sachen, die man im Algorithmus korrigieren könnte. Das ist wirklich nichts, was rechtfertigen würde, dass Politiker das Tool nicht implementieren und zur Benutzung freigeben.



Die Genauigkeit des Tests beträgt 98,5 Prozent. Wie zuverlässig sind diese Zahlen, um nur damit die Pandemie zu bekämpfen?
Es ist auf jeden Fall zuverlässig genug für das Pre-Screening. Mehr braucht man nicht. Jedoch könnten wir mit einer größeren Datenbank zusätzliche Funktionen für die App entwickeln. Deswegen begleiten wir auch die komplette Evolution des Patienten, indem wir dieselbe Studie zu mehreren Zeitpunkten durchführen. Aber nur mit diesem Tool alleine kann man die Pandemie nicht stoppen, genauso wenig wie andere Tests sie stoppen können. Die Leute müssten auch einwilligen, die App zu benutzen und es gibt immer noch 1,5 Prozent der Fälle, in denen es nicht funktioniert. Das könnten letztlich viele Menschen sein.

Und wie unterscheidet die KI zwischen einer normalen Lungenentzündung und einer Corona-Infektion?
Wenn man sein eigenes Auto mit dem Mercedes eines Freundes vergleicht, wird man feststellen, dass man sie nur am Geräusch beim Vorbeifahren voneinander unterscheiden kann. Wir tendieren dazu, voreilig zu denken, dass es mehr Sinn macht mit Visuellem zu arbeiten, da wir es sehen und darüber diskutieren können. Nichtsdestotrotz ist es einfacher asymptomatische Infektionen zu erkennen als zwischen einer regulären Lungenentzündung und einer Covid-Infektion zu unterscheiden. Wir brauchen einfach noch mehr Daten. Das ist auch der Grund dafür, dass die KI bei der Identifizierung der symptomatischen Fälle noch ein paar Fehler aufweist.

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