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Deutschlands 30 bis 2030„Wir müssen wieder eine Lösungs-Nation werden“

Stagnation? Nicht bei ihnen: Die WirtschaftsWoche hat 30 Hoffnungsmacher gekürt, die mit ihren Ideen Deutschlands Zukunft bis 2030 antreiben werden.Kevin Gallant 12.12.2025 - 07:35 Uhr aktualisiert
Kristin Rau und Horst von Buttlar bei der Preisverleihung. Foto: Foto Vogt GmbH

2025 war für die deutsche Wirtschaft ein Jahr zum Vergessen. Und der große Wendepunkt ist weiter nicht in Sicht: Führende Institute rechnen auch im kommenden Jahr mit geringerem Wachstum. Was bleibt da noch, außer Trübsal blasen?

Abhilfe schaffen kann ein zweiter Blick. Denn auch hierzulande gibt es sie noch, die Lichtblicke und guten Zeichen, die Optimismus verströmen.

30 von diesen Lichtblicken wurden am Donnerstagabend in Düsseldorf von der Redaktion der WirtschaftsWoche ausgezeichnet. Weil es 30 Mutmacher sind, die wir für besonders zukunftsweisend halten und von denen wir glauben, dass sie den Wirtschaftsstandort vorantreiben. Sei es durch unkonventionelle Ideen – oder völlig neue Wege.

30 bis 2030

Diese Köpfe werden unser Land bis Ende des Jahrzehnts voranbringen

Sie entwickeln disruptive Technologien, bauen neue Champions auf und sind ­Vordenker: Die WirtschaftsWoche kürt 30 Hoffnungsmacher.

von Thomas Stölzel, Michael Kroker, Nele Husmann und weiteren

Mit der diesjährigen Auszeichnung zu „Deutschlands 30 bis 2030“ geben wir diesen Menschen eine Bühne und werfen so einen zweiten Blick auf die deutsche Wirtschaft. Denn auch in diesem Jahr zählen zu diesen 30 Menschen Forscherinnen, Gründer, Managerinnen und Ökonomen mit herausragenden Leistungen, die genau das mitbringen, was das Land für die Zukunft dringend braucht: Aufbruchstimmung.

„Viele blicken pessimistisch in das kommende Jahr, da gehen die Geschichten des Gelingens und des Erfolges oft unter“, kommentierte WirtschaftsWoche-Chefredakteur Horst von Buttlar bei der Preisverleihung. „Wenn wir aber zu sehr auf den Abstieg schauen, verpassen wir jene, die am Ökosystem der Zukunft bauen.“

Ausgezeichnet wurde unter anderem Gülsah Wilke, Partner & Head of German Office DN Capital & Co-Founder – 2hearts (r.). Foto: Foto Vogt GmbH

Deutschland kann bei KI-Bereichen noch führend werden

Daran baut etwa Jan Oberhauser. Sein Start-up n8n will es erleichtern, technische Abläufe zu automatisieren. Seit sechs Jahren entwickelt die Berliner Firma die Werkzeuge dafür. Beispiel: Oberhauser sorgt dafür, dass ein Anruf bei einer Arztpraxis automatisch entgegengenommen wird und dann ein Termin vereinbart werden kann. Seitdem Tech-Gigant Nvidia bei dem Start-up eingestiegen ist, spielt es zudem in einer ganz neuen Liga.

Schluss ist für Oberhauser trotzdem nicht. Was ihn antreibt: „Wir haben unsere Mitarbeiterzahl zuletzt verdreifacht, die Umsätze verzehnfacht, trotzdem haben wir weiter Druck: Gerade ist genau die Zeit, die wir für uns nutzen müssen“, sagte er.

In einigen Teilbereichen der Künstlichen Intelligenz seien die USA und China Deutschland zwar voraus, allerdings gebe es hier auch noch Bereiche, in denen Deutschland führend werden kann. „Es ist wie beim Auto, das besteht auch aus vielen unterschiedlichen Teilen. Man muss nicht bei jedem einzelnen gewinnen und kann trotzdem sehr erfolgreich sein“, gab sich Oberhauser zuversichtlich und schob nach: „Es ist nicht einfach, in Deutschland zu gründen, wenn man aber ein tolles Produkt hat, lässt sich auch hierzulande noch ein tolles Unternehmen aufbauen.“

Ebenfalls ausgezeichnet wurde Chathurangi Wickramasingh. Die 36-Jährige leitet bei der Deutschen Telekom ein 80-köpfiges Team, das App-Entwicklern neue 5G-Technologien zugänglich macht.

WiWo-Chefredakteur Horst von Buttlar mit den Ausgezeichneten Chathurangi Wickramasingh und Jan Oberhauser (v.l.n.r) Foto: Foto Vogt GmbH

Authentifizierung, Altersprüfung oder Betrugskontrolle soll das Smartphone auch dank ihrer Arbeit künftig automatisch im Hintergrund abwickeln können. Umständliche Zwei-Faktor-Authentifizierungen und frustrierte Kunden sollen so zur Vergangenheit gehören. Auch sie gab sich in Düsseldorf zuversichtlich: „Ich kam mit 14 nach Deutschland, kenne aber auch viele andere Länder, daher weiß ich: Wenn man den Mut und den Willen hat, Dinge zu bewegen, gibt es dafür auch in Deutschland wahnsinnig viele Chancen“, sagte sie. „Aber wir müssen wieder eine Lösungs-Nation werden.“

Münchner Start-up arbeitet an Kernfusion

Ebenfalls prämiert wurde Francesco Sciortino. Während es in Deutschland gerade noch um neue Gaskraftwerke geht, will er eine der größten Energiequellen der Welt erschließen – und in sechs Jahren einen Fusionsreaktor bauen.

Der Plasmaphysiker gründete dafür Anfang 2023 Proxima Fusion, um die Kernfusion auf der Erde nutzbar zu machen. Mittlerweile hat das Münchner Start-up 185 Millionen Euro Wagniskapital eingesammelt und zählt zu den bestfinanzierten Fusionsgründungen Europas.

Unser Beitrag bis 2030 ist auch, das Problem der Demografie in unserem Gesundheitssystem zu mindern
Carsten Brockmeyer
Gründer Praimera Biotech

Carsten Brockmeyer wiederum will mit seinem Start-up Praimera Künstliche Intelligenz dafür nutzen, um neue Antikörper gegen Krebs und Entzündungskrankheiten schneller und effektiver zu entwickeln.

Obwohl Labors bereits seit Jahrzehnten künstliche Antikörper herstellen, die Tumore angreifen oder das Immunsystem aktivieren, lassen sich ihre Wirksamkeit und Entwicklungsdauer noch deutlich verbessern. Praimera zielt darauf ab, diesen Prozess deutlich zu beschleunigen. „Unser Beitrag bis 2030 ist damit auch, das Problem der Demografie in unserem Gesundheitssystem zumindest etwas zu mindern“, erklärte Brockmeyer in Düsseldorf.

Dass Wachstum ein Knochenjob sein kann, weiß auch Estefania Lang. Sie hat das Telemedizin-Start-up Dermanostic gegründet – arbeitet allerdings weiterhin an zwei Tagen pro Woche als Hautärztin in ihrer Praxis in Solingen. „Wir sprechen viel über Stagnation, aber allein im Bereich der Medizin können wir davon nicht sprechen. Wir haben Hoffnung, die Medizin noch besser und auch noch zugänglicher zu machen“, sagte sie.

Die Idee hinter ihrem Unternehmen: Über eine App können Patienten Bilder von Hautveränderungen wie Ausschlag, Akne oder Muttermalen hochladen und einen Fragebogen ausfüllen. Fachärzte erstellen daraufhin einen Befund, und die Nutzer erhalten bei Bedarf ein Rezept.

VW-Tochter bläst zur Aufholjagd

Im internationalen Rennen um technologische Fortschritte droht Deutschland weiter, zurückzufallen. Doch es gibt auch deutsche Gründer, die auf- und sogar überholen wollen. Sascha Meyer etwa hat den einstigen Taxidienst Moia zu Europas führender Technologieplattform für autonomes Fahren weiterentwickelt.

Im Rennen mit internationalen Konkurrenten bläst Moia nun zur Aufholjagd. Die Volkswagen-Tochter will ab 2027 autonomes Fahren kommerziell etablieren – mit verlässlicher Technik und einem Geschäftsmodell, das sich wirtschaftlich trägt.

Konrad Fischer, Ressortleiter Unternehmen und Technologie, beim Panel mit Moia-CEO Sascha Meyer und Deepset-CEO Milos Rusic (v.l.n.r) Foto: Foto Vogt GmbH

Allerdings mahnt er Meyer auch an: „Wir sind auf einem guten Weg, sehen aber auch, dass die Zukunft, auf die in Europa zum Teil noch gewartet wird, in den USA und China etwa schon stattfindet. Jetzt ist es an uns, das Ganze auch hierherzubringen“, sagte der CEO in Düsseldorf.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde Milos Rusic. Der Co-Gründer und CEO von Deepset hat einen Standard geschaffen, der Unternehmen den Einsatz komplexer KI-Anwendungen ermöglicht. Als er 2018 gemeinsam mit Malte Pietsch und Timo Möller startet, gibt es keinen Businessplan – nur die Überzeugung, dass KI das nächste große Ding wird, und den Mut, ohne fertiges Produkt zu beginnen.

Viele Firmen wollen KI nutzen, scheitern aber an ihrer Komplexität: Einzelne Modelle sind hochspezialisierte Werkzeuge, jedoch nicht in der Lage, Aufgaben allein zu lösen. Hier setzt Deepsets Haystack an: Die Plattform verbindet Sprachmodelle, Datenbanken sowie Analyse- und Sicherheitsmodule zu einem integrierten System, das KI-Anwendungen zuverlässig handhabbar macht.

„Auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz ist noch viel Bewegung und Potenzial, immerhin ist die gesamte Industrie erst wenige Jahre alt“, sagte Rusic. Aber er gab auch zu verstehen: „Das Ökosystem dafür muss da sein, es braucht etwa Finanzierungen, und auch der Staat als Nachfrager ist super wichtig und kann uns schnell helfen.“

Eine Übersicht unserer Berichterstattung zu „30 bis 2030“ finden Sie hier

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