Ressourcen im All „Mehr, als die Menschheit je verbrauchen kann“

Der US-Planetenforscher John Lewis glaubt, dass Weltraumunternehmer bald Rohstoffe aus Asteroiden abbauen. Ein Gespräch über Bergbau im All, Tankstellen für Raumschiffe und die unerschöpflichen Rohstoffvorräte des Sonnensystems.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
So könnte der künftige Arbeitsplatz eines Astronauten ausschauen: Der Asteroid Eros, von der Raumsonde Near fotografiert, auf einer Entfernung von 204 Kilometern. Quelle: dapd

WirtschafsWoche: Herr Lewis, in Ihrem Buch „Mining the Sky“ beschrieben Sie schon vor 16 Jahren, wie die Menschheit in Zukunft Asteroiden als Rohstoffquelle erschließen könnte. Nun will das Startup Planetary Resources, zu dessen Beratern Sie gehören, die Vision verwirklichen. Warum glauben Sie, dass die Idee heute mehr als nur Science-Fiction ist?

Lewis: Zum einen ist die Technik weit genug entwickelt, um einen Asteroiden einzufangen und auszubeuten. Zum anderen hat Planetary Resources erstmals eine Gruppe von Milliardären zusammengebracht, die das Vorhaben unterstützen. An hervorragenden Ideen hat es in den letzten Jahrzehnten nie gefehlt – am Geld schon.

Trotzdem klingt es nach einer Herkulesaufgabe, einen riesigen Felsen im All zu abzuschleppen.

Die nötige Antriebstechnik für Raumschiffe existiert. Zudem gab es schon zwölf Forschungsmissionen zu Kleinkörpern im All – die Nasa-Sonde Dawn kreist in diesem Moment um den Brocken Vesta. Wir haben zwar noch nie einen Asteroiden gefangen, aber es sind ein halbes Dutzend komplett verschiedene Ansätze in der Diskussion, und alle erscheinen mir machbar.

Eine neue Studie, an der Sie mitgearbeitet haben, kommt zu dem Ergebnis, dass es 2,6 Milliarden Dollar kosten würde, einen acht Meter großen Asteroiden zum Ausbeuten in die Umlaufbahn des Mondes umzuleiten. Das klingt, gelinde gesagt, teuer.

Der US-Planetenforscher John Lewis. Quelle: PR

Eine erstaunliche Zahl an Weltraummissionen liegt im Milliarden-Dollar-Bereich. Diese Asteroiden-Mission wäre also nicht ungewöhnlich kostspielig. Sie gäbe uns eine einmalige Gelegenheit, eine Vielzahl von Bergbautechniken in der Schwerelosigkeit zu testen.

Welche zum Beispiel?

Roboter könnten im All Felsstücke lösen und sie in einer Gesteinsmühle zermahlen. Zunächst ließe sich aber auch nur das Material an der Oberfläche ausbeuten, indem Sonden sie zum Beispiel erhitzen oder magnetisieren. Wir haben in unseren Laboren an der Universität von Arizona hunderte entsprechende Experimente durchgeführt, mit vielen verschiedenen Arten außerirdischen Gesteins.

Wie viele Rohstoffe sind denn Ihrer Schätzung nach da draußen unterwegs?

Nehmen Sie den Asteroiden 1986 DA: 2,3 Kilometer groß, 40 Milliarden Tonnen Masse. Er enthält unter anderem Eisen, Kupfer, Aluminium, Platin und Gold – und zwar von allen Metallen mindestens so viel, wie die Menschheit je geschürft hat. Wer 1986 DA kaufen wollte, müsste nur für die Platinmetalle, die in ihm enthalten sind, 60 Billionen Dollar hinlegen. Allein der erdnahe Schwarm ist etwa 40.000 Billionen Dollar wert. Und die Masse im Asteroidengürtel ist wahrscheinlich noch einmal hundert Millionen mal größer. Im All gibt es mehr Ressourcen, als die Menschheit je verbrauchen kann.

"Wer Asteroiden abbaut, nimmt keinem was weg."

Ein möglicher Zwischenstopp auf dem Weg für Asteroiden-Kumpel könnte die Internationale Raumstation ISS sein. Quelle: dapd

Wie ließen sich die denn auf die Erde bringen?

Per Raumschiff. Die Space Shuttles, die zur Raumstation ISS geflogen sind, konnten 20 Tonnen Material transportieren, kehrten aber häufig leer zurück. Bergbauunternehmer könnten Asteroidenmaterial also in der Nähe der Raumstation verarbeiten und dann in Transportsäcken verladen.

Ein Raumschiff muss aber zunächst ins All starten – und das ist immens teuer.

Theoretisch könnten wir mit Stromkosten von nur einem Dollar ein Kilogramm Masse ins All befördern. Heute kostet es bis zu 10.000 Dollar - weil wir Raketenstufen nach einmaligem Gebrauch ins Meer fallen lassen und wir Massen an Personal beschäftigen. Es gibt längst viele clevere Konzepte, in den Weltraum zu gelangen – bis hin zu elekromagnetischen Katapulten und Raketen, die vom Boden aus mit Lasern angetrieben werden. Wir brauchen mehr Wettbewerb und mehr private Raumfahrtunternehmen, die preiswerte Lösungen etablieren. Der Rohstoffabbau im All wird übrigens dazu beitragen.

Wie das?

Asteroiden enthalten große Mengen Wasser. Und das braucht die Raumfahrt nicht nur, um Astronauten zu verpflegen, sondern auch, um Raketentreibstoff herzustellen. Auf der Basis von Wasser aus Asteroiden ließen sich künftig Tankstellen im All errichten. Aber auch Metalle ließen sich vor Ort verarbeiten, zum Beispiel zu Eisenträgern, Bolzen und Halterungen für große Solarkraftwerke im All, die Energie per Mikrowellenstrahl auf die Erde senden.

Sie wollen ganze Fabriken im All errichten?

Metallteile zu bauen, erfordert keine besonders ausgeklügelten Fertigungstechniken. Sogar Solarzellen ließen sich eines Tages im All herstellen. Wenn Sie Fotovoltaikzellen auf der Erde produzieren, ist schließlich das erste, was sie tun, die Bedingungen im Weltall zu simulieren: Sie bauen Reinräume und Vakuumkammern. Diese Bedingungen gibt es im All gratis.

Was wären die Vorteile eines solchen Weltraum-Kraftwerks?

Solar-Satelliten wären rund um die Uhr in der Sonne und könnten Energie zu sehr geringen Preisen an jeden Punkt der Welt schicken, an dem es einen Empfänger gibt. Die Technik hat das Potenzial, enormen Wohlstand zu erzeugen.

Die Geschichte zeigt doch aber, dass es bei der Eroberung neuer Ressourcen immer Gewinner und Verlierer gab.

Auf der Erde hieß Bergbau oft, dass reiche Länder ärmere ausbeuten und Menschen für wenig Geld schrecklich hart arbeiten ließen. Im All ist das anders: Asteroiden gehören niemandem, wer sie abbaut, nimmt keinem Menschen etwas weg. Es gibt auch keine Natur, die zerstört werden könnte, keine Luft, das verpestet würde. Wir können die Rohstoffnutzung im All so angehen, dass von Anfang an die Interessen so vieler Menschen wie möglich berücksichtigt werden.

Über welche Zeiträume sprechen wir?

Viele Dinge, an die ich früher nicht einmal gedacht habe, werden in zehn Jahren kommerziell realisierbar sein und Gld einbringen. Ich glaube sogar: Der Abbau von Asteroiden wird den größten Wandel des menschlichen Wirtschaftens seit der industriellen Revolution auslösen. Und wir sehen heute davon die Anfänge.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%