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Werner knallhartVon vorglühen bis zurückspulen: Alte Wörter recycelt

Wählscheibe, Testbild oder Walkman - diese Wörter kennen Kinder schon nicht mehr. Doch für neue Alltagsphänomene brauchen wir neue Wörter - und recyceln dafür einfach alte.Marcus Werner 17.02.2016 - 06:00 Uhr

"Vermittlung?! Ferngespräch!"

Foto: Fotolia

Jüngst hatte ich das Vergnügen, Schülern einer Mittelstufenklasse ein bisschen Berufsberatung in Sachen "irgendwas mit Medien" zu geben. In solchen Fällen dränge ich das Gespräch gerne in die Richtung "Technik früher und heute". Denn dann kann ich immer einen meiner Lieblingsklassiker unterbringen: das Wort Wählscheibe. Sie sollten dann mal die leeren Gesichter der Teenager sehen. Erst, wenn man dazu die typisch kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger macht und danach "takatakatakatak" sagt, scheint wenigstens einem Teil der Leute zu dämmern: Ja, in irgendeinem Schwarzweißfilm war mal sowas.

Diskette
Wer auf das Speichern-Symbol eines Windows-Rechners klickt, begegnet ihr: der Diskette. Dutzende Mal am Tag fahren wir mit dem Mauszeiger auf das Icon, um einen Text auf der Festplatte oder Musik auf dem Handy zu sichern. Viele der jungen Digital Natives werden kaum wissen, wofür das Symbol steht, Ältere halten sie längst für ausgestorben. Doch gibt es sie noch, die Diskette. In den Großrechnern der US-Atomraketenarsenale versehen Exemplare der allerersten Generation im riesigen Acht-Zoll-Format (20 Zentimeter!) ihren Dienst. Und das hat gute Gründe: In Flugzeugen, Röntgengeräten und anderen alten Maschinen mit vielen Jahrzehnten Lebensdauer lohnt kein Umrüsten etwa auf moderne USB-Speichersticks. Auch wenn gerade mal 1,44 Megabyte (MB) auf eine 3,5-Zoll-Scheibe passen, was nicht einmal für eine Power-Point-Präsentation reicht. Einer der letzten weltweit verbliebenen Anbieter, das sauerländische Unternehmen Xlyne, verzeichnet sogar wieder eine steigende Nachfrage von über einer Million Stück im Jahr – auch, weil die großen Anbieter das Geschäft aufgegeben haben.

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Auch immer mehr Besitzer von Tonbandgeräten erinnern sich an ihre Schätze und lassen sie bei Spezialisten wie Frank Sittinger überholen. Der Ingenieur aus Rheinland-Pfalz ist auf Wochen ausgebucht. Die Schweizer Edelmarke Revox wiederum produziert seit 2015 wieder Tonköpfe – für gut 400 Euro das Stück. Die französische Firma Pyral, letzter Hersteller von Tonbändern, verzeichnet steigende Nachfrage. Die Kunden wollen nicht irgendwo aus der Cloud Musik streamen, sondern lauschen lieber ihren Mitschnitten von Radiosendungen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren.

Auch jenseits der analogen Tonträger gibt es erstaunlich viele Technologien, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Längst gäbe es jeweils bessere, modernere, oft auch günstigere Lösungen – und doch halten sie sich. Dafür gibt es drei Gründe:

Die Pfadabhängigkeit: Ist ein Grundstein gelegt, wird ein Prinzip weiterentwickelt, nicht neu erfunden (zumindest vor dem Zeitalter der Disruption). So überlebten Schreibmaschinentastatur und Cessna 172.

Niedrige Kosten, gute Funktionalität: Diese Kombination rettete Diskette, Stethoskop, Rohrpost, Stenografie und CB-Funk.

Die Aura von Nostalgie: Sie verleitet Menschen immer wieder dazu, bei Schallplatte, Flipper, Farbfilm, Ural-Motorrad oder mechanischer Uhr zuzugreifen.

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Die Liebhaber preisen ihren unverfälschten Klang, ergötzen sich am feinen Knistern beim Abspielen. Und die Verkaufszahlen zeigen, es sind nicht mehr nur Enthusiasten, die Vinylscheiben und Plattenspieler wieder zum Kult machen, sondern die Massen: Die LP des Albums „25“ der Popsängerin Adele etwa sprang in den USA in die Top 3 der meistverkauften Alben. In Deutschland gehen derzeit rund zwei Millionen Vinyl-Scheiben über die Ladentheke – 2006 waren es nicht einmal 300.000.

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Schreibmaschinentastatur
Irgendwann fragt sich wohl jeder, warum die Buchstaben auf der Tastatur so seltsam angeordnet sind. Schuld ist der Drucker Christopher Latham Sholes aus den USA. Er gruppierte 1868 die Tasten einer mechanischen Schreibmaschine derart an, damit sich die Hebel nicht laufend verhakten, die die Buchstabentypen auf das Farbband über dem Papier schlugen. Häufig genutzte Buchstaben wie A, E, O, T und N platzierte er weit entfernt voneinander. Den Rest verteilte er wahllos dazwischen.
In Zeiten von Laser- und Tintendruckern ist das Prinzip sinnlos. Doch weil Generationen von Menschen die Tastatur gewöhnt sind, sie zigmillionenfach produziert wurde, scheint die Anordnung unausrottbar – obwohl ergonomisch schlecht. Die Schreibmaschinentastatur ist so zum Lehrbuchbeispiel für Pfadabhängigkeit geworden. Mit dem Begriff erklären Ökonomen das Phänomen, warum Technik so schwer zu verdrängen ist, die einmal einen Standard gesetzt hat.

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Cessna 172
Weltweit berühmt wurde die Cessna 172 am 28. Mai 1987. Damals landete der 18-jährige Matthias Rust, ein Banklehrling aus Wedel in Holstein, mit der einmotorigen Propellermaschine nahe dem Roten Platz in Moskau, um dem damaligen Kreml-Chef Michail Gorbatschow eine wirre Friedensbotschaft zu überbringen. Die viersitzige Cessna 172 ist so etwas wie der VW Käfer der Lüfte: Das mit 43.000 Exemplaren meistgebaute Flugzeug der Welt fliegt und fliegt und fliegt – inzwischen seit fast 60 Jahren. Das Leichtflugzeug des US-Herstellers Cessna Aircraft ist robust, im Unterhalt günstig und immer wieder modernisiert worden. Viele Hobbypiloten haben auf ihr gelernt und bleiben ihr daher treu. 155 Maschinen verkaufte Cessna 2014 weltweit, zum Stückpreis von umgerechnet 292.000 Euro. Die Urversion kostet rund 8000 Euro.

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Flipper
Was heute für die Gamer Playstation und Xbox sind, war für ihre Eltern Anfang der Achtzigerjahre der Flipper. Damals gab es in deutschen Haushalten und Kneipen knapp eine halbe Million der Spieleschränke. Das flinke Fingerspiel an den Steuertasten und mit dem Federbolzen hat gar die deutsche Sprache geprägt: „Ausgeflippt“ oder „getilt“ haben überdauert. Genauso wie zwei US-Hersteller mit den poetischen Namen Stern Pinball und Jersey Jack Pinball, die weiter die Geräte perfektionieren und jährlich ein paar Hundert von ihnen hierzulande verkaufen. Zu Neupreisen von rund 6000 Euro kosten sie zwar ein Vielfaches moderner digitaler Spielkonsolen – doch die nostalgische Erinnerung an manch verdaddelte Kneipennacht scheint es wert zu sein.

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Stethoskop
In Zeiten von Ultraschallgeräten und Tomografen, die detaillierte Bilder aus dem Körper liefern, mutet das klassische Stethoskop geradezu archaisch an. Doch nach wie vor baumelt das seit 1816 kaum veränderte Abhörgerät den meisten Ärzten um den Hals. Aus gutem Grund, finden Praktiker wie der Lindlarer Hausarzt Thomas Aßmann, der zwar gerade seine ganze Praxis digitalisiert, auf dies Werkzeug aber nie verzichten würde. Es mit einem Ultraschallgerät zu vergleichen sei unsinnig, denn „das habe ich im Notfall oder bei einem Hausbesuch nicht dabei“. Die verstärkten Geräusche aus Darm, Herz oder Lunge sind zudem so aussagekräftig, dass sie oft völlig ausreichen, um herauszufinden, was einem Kranken fehlt. Gegenüber unpersönlichen Untersuchungen in abgeschotteten Geräten wie Tomografen bietet das in Frankreich erfundene Lauschgerät einen weiteren wichtigen Vorteil, findet Aßmann: „Ich bin dem Patienten nahe und kann alle Sinne einsetzen.“ Und: Das Stethoskop ist längst eine Insignie ärztlicher Kunst – das jeden, der es trägt, als Mediziner erkennbar macht.

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Rohrpost
Berlin, 8. Februar 1981: Diebe brechen in eine Spielbank ein, zapfen die Rohrpost an und fangen mehr als eine halbe Million Mark auf dem Weg von der Kasse in den Tresorraum ab. Auch wenn sich die Technik damals als verwundbar erwies, schwören heute wieder viele Firmen auf die gute, alte Rohrpost. 1853 transportierten in London erstmals zylinderförmige Boxen, per Druckluft beschleunigt, Briefe durch Röhren zwischen Börse und Postamt. Mit der Möglichkeit, Informationen digital zu versenden, verlor die Technik an Bedeutung, verschwand aber nie völlig. So gibt es in Deutschland immer noch eine Handvoll Anbieter, die weltweit Rohrpostanlagen bauen und damit zweistellige Millionenumsätze erzielen. Geschätzt 40000 Anlagen gibt es weltweit, rund 2000 kommen pro Jahr neu dazu. Gerade erlebt die Technik in Kliniken eine Renaissance: Viele verschicken Blut- und Gewebeproben wieder intern via Rohrpost. Auch Konzerne mit großem Gelände nutzen sie, genau wie Supermärkte oder das Kanzleramt.

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Farbfilm
„Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael“, trällerte Nina Hagen 1974 und schuf – zu Hochzeiten der analogen Fotografie – einen gesamtdeutschen Ohrwurm. Heute, im Zeitalter des Digitalknipsens, erinnert kaum noch jemand seinen Freund, eine Filmrolle mitzunehmen. Von den 191 Millionen Fotofilmen, die im Rekordjahr 2000 verkauft wurden, ist kaum etwas geblieben. Auf rund vier Millionen Farb-, Schwarz-Weiß- und Diafilme addiert sich der deutsche Markt heute. Und doch ist die analoge Fototechnik alles andere als ausgestorben. Der Gebrauchtkamerahandel floriert, die Fabriken von Fujifilm und Kodak produzieren weltweit Zigmillionen Filmdosen – und verkaufen das Stück zu Preisen von zwei bis zehn Euro. „Auch weil sich, neben traditionellen Fans, wieder jüngere Fotofreunde für die analogen Bilder begeistern“, sagt Manfred Rau, Marketingmanager in Deutschland beim japanischen Fujifilm-Konzern. Größter Treiber ist ausgerechnet das Sofortbild. „Die weltweite Nachfrage ist so groß, unsere Fabriken produzieren im Dreischichtbetrieb.“

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Ural
Ein Hebel rechts am Tank aktiviert den Rückwärtsgang, die Speichenräder glänzen chromfarben, und jede Menge Blech statt Plastik ziert das Gefährt: Das Ural Retro Seitenwagen-Gespann sieht aus wie aus einer anderen Zeit. Es ist aber neu, leistet 40 PS und kostet fast 13.000 Euro. Mehr als drei Millionen Stück dieses Typs hat das russische Ural-Werk bis heute hergestellt. Der Legende nach befahl der sowjetische Diktator Stalin einst, eine BMW R-71 nachzubauen, weil das Militär dringend ein wendiges, schnelles Fahrzeug brauchte. Ab 1941 lief die Produktion auf Hochtouren. Nach dem Ende der Sowjetunion landete die Marke über Umwege im Jahr 2000 bei drei in den USA lebenden russischstämmigen Unternehmern. 2014 spendierten sie der Maschine – wegen ihrer archaischen Technik als Stalins Rache verspottet – einen modernisierten Motor und bessere Bremsen. Heute gehen im Jahr mehr als 1000 Maschinen meist an Kunden in den USA, Europa und Asien, die es lieben, an dem Gefährt in ihrer Garage noch fast alles selbst reparieren zu können.

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CB-Funk
„CQ DX, CQ DX“, das traditionelle Rufzeichen für Funkgespräche in andere Länder ist selten geworden im deutschen CB-Funk. Tauschten sich in Deutschland ab 1975 und bis in die Neunzigerjahre hinein Hunderttausende im lizenz- und prüfungsfreien Bürgerfunk aus, ist in Smartphone-Zeiten nur noch ein überschaubarer Rest von 40.000 bis 50.000 Enthusiasten aktiv, schätzt die CB-Funk-Organisation DCBO.
Und doch lebt die Technik: Anbieter wie Alan, Stabo oder Team bringen weiter Funkgeräte ab 60 Euro auf den Markt. Sie setzen pro Jahr nach Branchenschätzung bundesweit um die 100.000 Exemplare ab. Denn neben deutschen Technikfans sind vor allem in- und ausländische Lkw-Fahrer dem CB-Funk treu. Aus gutem Grund: Auf dem internationalen Notrufkanal 9 senden Absicherungsfahrzeuge an Baustellen bis heute fortwährend Warnsignale in deutscher, auf Kanal 19 in englischer und auf Kanal 28 in polnischer Sprache.

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Mechanische Uhren
Sie hört auf den Namen 57260, kostet mindestens fünf Millionen Euro und gilt als die komplizierteste Uhr der Welt. Acht Jahre lang hat die Schweizer Manufaktur Vacheron Constantin die Taschenuhr mit den drei Kalendern entwickelt. Alle 1027 Jahre und 108 Tage muss die Uhr von Hand korrigiert werden. Mechanische Uhren faszinieren noch heute, weil sie die Zeit präzise nur mit Federkraft und Mechanik messen. Chips können dies zwar noch genauer, doch irgendwie seelenlos.
Mehr als acht Millionen mechanische Uhren exportierte die Schweiz 2014. Sie gelten als beliebtester Schmuck des Mannes. Das heißt nicht, dass sie im Gestern verharren. Die Manufaktur Audemars Piguet entwickelte eine besonders laute Klangfeder für einen Glockenklang, Rolex und Patek Philippe verarbeiten Silizium, das nicht geschmiert werden muss. Und die Schweizer Swatch Group zeigt, dass es nicht 2826 Teile braucht, wie bei der Vacheron Constantin. Swatch baut die Automatikuhr Sistem51, die mit genau dieser Zahl an Teilen auskommt, von Maschinen montiert wird – und nur rund 140 Euro kostet.

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Stenografie
Bereits in der Antike verwendeten Menschen Kurzformen der Schrift, um Notizen zu machen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nutzten Forscher wie Joseph Schumpeter, oder Max Planck stenografische Kürzel, um Gedanken festzuhalten. Heerscharen von Sekretärinnen erlernten die 1924 verabschiedete Deutsche Einheitskurzschrift, um den vom Chef diktierten Brief im Redetempo notieren zu können. Doch seit den Neunzigerjahren schafften die Kultusminister – mit dem Siegeszug des PCs – Steno als Pflichtfach an Real- und Berufsschulen ab. In Zeiten von Siri und Google sehen nur wenige einen Vorteil darin, Steno zu pauken. So fristet die Technik ein Nischendasein in Bundestag und Länderparlamenten, weil keine Spracherkennung jeden spontanen Zwischenruf versteht. Der emeritierte Professor Friedrich Koßwig aus Bonn, der noch Steno-Kurse anbietet, bedauert das, denn er hält den Kurzstil für höchst produktiv: „Mit der Stenografie lässt sich das gedankliche Gerüst einer Vorlesung auf wenigen Blättern zusammenfassen, das ist weit effizienter, als PowerPoint-Folien zu sammeln.“

Foto: Fotolia

Die Ausgestorbenen

Das Wort Wählscheibe ist tot. Stattdessen heißt es jetzt Tasten, Zahlenfeld und wenn es hoch kommt Knöpfe.

Auch andere Worte haben es nicht geschafft – schlicht, weil wir sie nicht mehr brauchen:

Ich hatte auf meinem Rucksack vor einiger Zeit einen Ansteck-Button. In der Berliner S-Bahn sprachen mich ein paar Jugendliche an: "Das sieht irgendwie gut designt aus. Was ist das denn?" Ich sag: "Das ist doch ein Fernseh-Testbild." Schon wieder diese leeren Teenagergesichter. Wenn man dann Sätze anfangen muss mit "früher, da gab es noch...", dann fühlt man sich selbst mit Ende 30 alt.

Das Testbild ist ersatzlos aus unserem Alltagssprachgebrauch verschwunden. Tot.

In den 80ern der Inbegriff mobiler Unterhaltungselektronik: Sonys Walkman.

Foto: REUTERS

Die Videothek zuckt noch, wird aber nicht mehr lange machen. Selbst in der mittleren Großstadt Bielefeld hat gerade dieser Tage die allerletzte Videothek für immer geschlossen. Die junge Schwester Mediathek hat es noch von der Stadtbücherei ins Internet geschafft. Aber für die Videothek kommt jede Hilfe zu spät.

Der Walkman ist auch hinüber. Sony hat es nicht geschafft, den Inbegriff mobiler Unterhaltungselektronik zu verteidigen. Früher war der Walkman wie Nutella und UHU Gattungsname. Googelt man heute nach Walkman, dann erscheinen lauter Bilder von Kassettenabspielgeräten aus den Achtzigerjahren. Heute sagt keiner mehr Walkman. Selbst echte Sony-Walkmans nennt man doch mp3-Player. Was für ein Niedergang.

Die Untoten

Es gibt aber Begriffe, die sich kurioserweise gehalten haben, obwohl sie ihrer Bedeutung nach keine Berechtigung mehr haben.

Früher war alles besser? Von wegen. Wer heutzutage einen Reise buchen will, geht nicht als erstes in ein Reisebüro, sondern sucht im Internet. Dort gibt es alles, individuell zusammenstellbar und vom heimischen Rechner aus.

Foto: dpa/dpaweb

Können Sie sich erinnern, wann Sie das letzte Mal bei der Auskunft angerufen haben, weil Sie eine Telefonnummer nicht gefunden haben? Halt: Kennen Sie eine Nummer, bei der Sie anrufen könnten? Eben.

Foto: dpa

Erinnern Sie sich noch? Irgendwann landete die Abholkarte in der Post, mit der jeder Haushalt sein persönliches Exemplar des Telefonbuchs und der Gelben Seiten ausgehändigt bekam. Zwar gibt es die Papierausgaben immer noch. Doch vieles spricht für die digitale Ausgabe - Verfügbarkeit, Aktualität und Benutzerfreundlichkeit sind da nur drei Argumente.

Foto: AP

Im Bücherregal machen die dicken Wälzer natürlich schon was her. Doch selbst Duden und Wörterbücher sind online deutlich bequemer zu benutzen als auf Papier.

Foto: dpa/dpaweb

Saßen Sie in ihrer Jugend auch sonntags vor dem Radio, um während der Chartsendung die Lieblingslieder auf Kassette aufzunehmen? Wie groß der Ärger doch jedes Mal war, wenn der Moderator in die letzten Sekunden des Songs hineinquasselte. Und wie gehütet wurde die eigens für einen aufgenommene Kassette der ersten großen Liebe. Heute ist alles digital. Kaum noch Musiksammlungen, die man beim ersten Date in der eigenen Wohnung durchsuchen kann. Dabei war das doch die perfekte Methode, schon frühzeitig Konfliktpotenzial aufgrund unterschiedlicher Geschmäcker aus dem Weg zu räumen.

Foto: REUTERS

Wie aufwändig es das Fotografieren und Austauschen von Fotos doch einmal war. Jetzt gibt es Fotos fast nur noch digital und wer die Printvariante bevorzugt, bekommt sie innerhalb weniger Minuten ausgedruckt.

Foto: dapd

Wer heute einmal nicht telefonieren kann, hat entweder gerade ein leeres Akku oder gehört zu der Minderheit, die sich bewusst gegen ein mobiles Telefon entschieden hat. Auf die Idee, ein öffentliches Telefon zu benutzen, kommen daher die wenigsten, weshalb die Telefonsäulen in den vergangenen Jahren immer mehr aus dem Stadtbild verschwunden sind.

Foto: AP

Eine Sache, die eigentlich ziemlich traurig ist: Durch die Digitalisierung schreiben wir immer weniger Briefe. E-Mails, SMS oder andere Formen von Kurznachrichten, die wir über unsere Smartphones verschicken, haben den privaten Brief abgelöst. Handgeschriebene Post beschränkt sich meist auf Post-ITs a la "Bitte Milch kaufen" oder ein paar Grüße an Weihnachten. Dabei sprechen auch wissenschaftliche Gründe dafür, öfter mal wieder mit der Hand etwas zu schreiben: Denn der dafür zuständige Hirnteil wird durch die fortschreitende Digitalisierung immer weniger benutzt - Forscher befürchten, dass er deshalb sogar schrumpft. Je weniger wir das gesamte Hirn nutzen, desto schneller werden wir im Alter vergesslich. Es lohnt sich also, ein bisschen retro zu sein.

Foto: ZBSP

Deshalb beenden wir diese Liste mit einem Aufruf: Schreiben Sie wieder! Und wenn es nur eine Postkarte aus dem Urlaub ist. Sie fordern damit nicht nur ihr Gehirn, sondern könnten damit auch der Ansichtskarte zu einem Comeback verhelfen. Auch sie leidet nämlich unter dem Mobiltelefon.

Foto: dpa

Junge Leute fragen sich, warum man auflegt, wenn man ein Handygespräch beendet. Für sie sind Mobiltelefone der Standard, Festnetztelefone die Ausnahme. Und bei Letzteren stellt man das Mobilteil nach dem Gespräch in die Ladestation zurück. Dass man einen Hörer auf eine Gabel auflegt, um damit die Verbindung mechanisch zu unterbrechen, das gibt es höchstens noch in Büros. Dennoch nennt man den Druck auf die rote Beenden-Taste des Smartphones auflegen. Denn wie sollte man es sonst nennen? Gespräch beenden oder roten Knopf drücken? Viel zu lang. Auflegen: Passt dem Sinn nach null, ist aber kurz und unverwechselbar. Die Überlebensgarantie für das hübsche Wort auflegen.

Der Zigarettenanzünder ist ein echter Überlebensakrobat. Kein Mensch nutzt doch den Zigarettenanzünder zum Zigarettenanzünden. Selbst Raucher greifen doch zum Gasfeuerzeug. Trotzdem lebt der Zigarettenanzünder. Und zwar als Stromanschluss für Navis und Smartphoneladegeräte. Suchen Sie bei Amazon mal nach dem Begriff Zigarettenanzünder. Sie müssen gut hingucken, um zwischen den ganzen USB-Adaptern, Innenbeleuchtungen, Freisprecheinrichtungen, Kaffeezubereitern und Haartrocknern fürs Auto noch Geräte zu finden, mit denen man eine Zigarette anzünden kann. Aber der Begriff bleibt. Statt Autosteckdose. So wie das Handschuhfach das Handschuhfach bleibt. Auch, wenn wir doch alle mit nackten Händen lenken statt mit eleganten Autohandschuhen wie damals.

Lohnenswert

Dieses leider viel verwendete Wort gibt es eigentlich gar nicht. Denn was sollte schon des Lohnens wert sein? Unbegreiflicherweise verwenden dennoch immer mehr schreibende Menschen dieses Unwort anstelle von „lohnend“. Mittlerweile steht es sogar im Duden. Vergessen Sie diesen sinnlosen Wortbastard. Das wäre sehr lobenswert.

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Public Viewing

Sehr viele Lehnwörter aus dem Englischen werden im Deutschen sinnentstellt gebraucht. "Public Viewing" bedeutet keineswegs, dass sich viele Menschen gleichzeitig auf einem Riesenbildschirm Fußballspiele ansehen. "Public Viewing" ist nämlich tatsächlich das  öffentliche Zurschaustellen eines zu Tode gekommenen Menschen, um seine Identität festzustellen.

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Scheinbar/ Anscheinend

Die beiden Adjektive werden laufend verwechselt, obwohl der Unterschied nicht kompliziert ist: „Scheinbar“ bezeichnet einen Sachverhalt, der wahr zu sein scheint, es aber nicht ist. Wenn dagegen alle möglichen Indizien für einen Sachverhalt sprechen, aber keine Beweise vorliegen, ist er "anscheinend" zutreffend.

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Busen

Im Alltagsgebrauch wird der Busen mit den Brüsten einer Frau gleichgesetzt. Tatsächlich ist er in seiner Ursprungsbedeutung nichts anderes als das Tal zwischen den Brüsten. Das Dekolleté, mit anderen Worten.

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Kult

Ein alter VW-Käfer gilt als Kult-Auto und "Vom Winde verweht" als Kult-Film. Mit dem, was das Wort Kult eigentlich bedeutet, haben beide aber nur im entferntesten Sinne etwas zu tun. Ein "Kultus" (lateinisch) ist die Religionsausübung mit festgelegten Handlungen. So weit sollte man die Verehrung von Autos oder Filmen dann wohl doch nicht treiben.

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sorgen

"Die Gewinnwarnung sorgt für einen Kurssturz." Sätze dieses Musters liest man immer wieder. Schönes, korrektes Deutsch ist es nicht. Angebracht wäre vielmehr das Verb "verursachen". Das Verb "sorgen" passt dagegen zu Müttern und ihren Kindern oder Lehrern und ihren Schülern.

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Guerillakrieg und HIV-Virus

Viele fremdsprachig-deutschen Neuworte sind nichts weiter als ein Pleonasmus, das heißt beide Wortteile bezeichnen in zwei Sprachen dasselbe. "Guerilla" heißt auf Spanisch der "kleine Krieg". Die La-Ola-Welle ist ein weiteres Beispiel. Ein verwandtes Phänomen ist das "HIV-Virus" - das V steht schon für Virus - und die ABM-Maßnahme, also die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme-Maßnahme.

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irritiert

Wenn jemand dummes Zeug redet, glauben manche Zuhörer „irritiert“ zu sein. Tatsächlich sind sie nur verwirrt oder verärgert. "Irritieren" kommt vom lateinischen Verb "irritare" und bedeutet "reizen". Für Irritationen der Haut können zum Beispiel Mückenstiche sorgen, aber nicht Dummheiten. Vermutlich sorgte die klangliche Nähe zum deutschen Verb "irren" dafür, dass sich die missverständliche Bedeutung "ablenken, verunsichern, stören, verwirren" einbürgerte.

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würde

Angeblich gebrauchen vor allem Frauen allzu oft die Ersatzform des Konjunktiv II mit dem Hilfsverb "würde": "Ich würde sagen, dass...". Sparen Sie sich das unbedingt, denn es schwächt nicht nur Ihre Aussage, sondern ist auch grammatisch unsinnig. Der "würde"-Konjunktiv ist nur angemessen als Ersatz für den Konjunktiv II, vor allem, wenn er mit dem Indikativ identisch ist ("Sie sagten, sie würden ins Theater gehen", satt: "Sie sagten, sie gingen ins Theater.").

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Sympathie

Im Deutschen hat sich für das griechische Fremdwort eine Bedeutung etabliert, die vom ursprünglichen Wortsinn ziemlich weit entfernt ist. Sympathie heißt eigentlich Mitleid: Von griechisch "sym/syn=mit" und "pathos=Leiden".

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Was tun Sie, wenn Sie bei iTunes oder Netflix oder Amazon Video einen Film gucken und jemand neben Ihnen auf der Couch quatscht rein? Sie spulen zurück. Ganz ohne Band, das sich spulen ließe. Das Gleiche bei Musik aus dem Netz. Musikkassette und VHS leben in unseren Köpfen weiter. Und weil wir spulen praktisch exklusiv in der Unterhaltungselektronik verwenden, hält es sich dort wacker. Aber Achtung, es droht die Übermannung durch zurück-/vorgehen und -springen.

Diese deutschen Begriffe gibt es in anderen Sprachen
bessermachen
dajer, dauer
forell
hausmajstr
kohlrabi
likier
otoban
wallraffa
Zeitgeist
バウムクーヘン

Übrigens: Auch Profis sind Nostalgiker. Die gute alte MAZ, die magnetische Aufzeichnung von Fernsehbeiträgen, hält mir ihrem Namen immer noch her. Obwohl längst ganz ohne Magnetbänder von Festplatte gesendet wird. Eigentlich müsste man in der Regie rufen: "Vom Server ab!" Aber das wird noch Generationen dauern.

Als wir in den Wintern der Achtziger mit der Familie einkaufen fuhren, ist mein Vater meist schon ins Auto eingestiegen, während meine Mutter noch dabei war, sich die Stiefel überzuziehen. Er wollte eben schon mal den Dieselmotor vorglühen. Sonst sprang der Wagen nicht an. Das dauerte dann schon mal eine gefühlte Minute. An klirrend kalten Tagen musste auch zweimal vorgeglüht werden.

Heute erledigt das Auto das so schnell und mitunter schon beim Einstiegen, so dass der Vorglüh-Vorgang nicht mehr der Rede wert ist. Keiner glüht heute mehr bewusst vor. In dem Sinne.

Aber das Wort Vorglühen lebt weiter: sich vor der eigentlichen Party preiswert warm saufen, um beim Ausgehen geringere Verbrauchswerte zu haben.

Ich kenne kein Wort, was sich so raffiniert durchgemogelt hat. Teens und Twens, die sich heute vor dem Ausgehen mit billigen Wodka-Mischgetränken aus dem eigenen Kühlschrank auf Pegel pushen, ahnen ja nicht einmal, dass sie diese Idee vom Vorglühen Rudolf Diesel zu verdanken haben. Ich bin mir sicher: Selbst, wenn der Diesel irgendwann vom Elektroauto abgelöst wird: Generationen werden weiter beim Vorglühen ihren Spaß haben. Nicht selten auch im Auto.

Benzin-Nostalgiker hingegen haben Pech: Der Choke ist schon tot.

Die neuen Aufsteiger

Apropos Elektroauto: Die Zapfsäule wird sterben. Statt zu tanken werden wir laden. Und Tankstellen mit Zapfsäulen werden zu Ladestellen mit Ladesäulen. Ladestellen! Und aus Tank&Rast wird Lad&Rast.

Zylinder, Auspuff, Zündung. Wir werden all diese Worte nicht mehr brauchen. Aber wir brauchen neue: Wie sagen wir dann statt Gas geben? Strom geben?

Ganz aktuell brauchen wir übrigens dringend ein neues Wort: Wie sollen wir diese skateboardgroßen elektrischen Rollbretter mit zwei Rädern nennen, die sich durch Körpergewichtsverlagerung steuern lassen? Obwohl es die Dinger längst im Handel gibt, herrscht Namens-Chaos: Smartboard (obwohl schon vergeben als Markenname für eine elektronische Tafel im Unterricht), Hoverboard (geklaut bei Zurück in die Zukunft und völliger Quatsch, weil das Board nicht schwebt), Mini-Segways, Segboards, Self-Balancing-Scooter, zweirädrige Balance-Boards? Weil ihre Akkus so gerne mal anfangen zu brennen und man damit kinderleicht schlimm stürzen kann, schlagen Leute bei einer Internet-Umfrage vor: Explodaboards oder Deathboards.

Aber da ist noch alles drin. Für jeden von uns die Chance, mit einer Idee sich selber ein Denkmal zu setzen. Es sei denn, die seltsamen Geräte verschwinden bald wieder vom Markt. Dann heißt es ganz klassisch weiterhin: zu Fuß gehen.

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