
Die Verpackung knistert, schon strömt der nussig-wohlige Duft in die Nase. Dann das zarte, cremige Schmelzen im Mund, der Zucker rauscht durch unsere Adern. Ein Glücksgefühl durchströmt den Körper. Den meisten Menschen fällt es schwer, nach einer Praline, einem Keks oder einer Handvoll Gummibärchen direkt aufzuhören. Denn Zucker ist nicht nur der wichtigste Energielieferant für unseren Körper - er kann auch regelrecht süchtig machen.
Dass übermäßige Zuckerzufuhr krank macht, ist in der Wissenschaft unumstritten. Am Mittwoch hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen, die Empfehlungen für den Zuckerverzehr um die Hälfte zu senken.
Dabei geht es vor allem um die Aufnahme von Zweifach- und Einfach-Zucker. Gemeint ist damit etwa die Saccharose - das ist der gewöhnliche Haushaltszucker. Es handelt sich um einen Zweifach-Zucker, der sich aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Fruktose zusammensetzt.
Kinder und Erwachsene sollen nach den nun in Genf veröffentlichten WHO-Richtlinien nur noch fünf Prozent der Kalorien über Zucker zu sich nehmen, um das Risiko, an Adipositas oder Karies zu erkranken, zu senken. Bei einer durchschnittlich empfohlenen Energieaufnahme von 2000 Kilokalorien pro Tag für einen gesunden Erwachsenen entspricht das 25 Gramm Zucker (100 Kilokalorien) oder etwa sechs Teelöffeln. Frisches Obst zählt nicht dazu, denn damit liefern wir unserem Körper neben Zucker auch wertvolle Vitamine und Ballaststoffe. Die WHO hofft, mit der neuen Richtlinie die weltweit wachsenden Probleme durch Übergewicht eindämmen zu können.





Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) geben Mengenrichtlinien nur für Diabetes-Patienten heraus. Die Empfehlung besagt, dass von einfachen Kohlenhydraten nicht mehr als 50 Gramm pro Tag aufgenommen werden sollten.
Selbst wenn die WHO die Grenze schon bei der Hälfte zieht, gibt es für gesunde Menschen keine klare Grenze, bis zu der man Zucker essen kann, ohne krank zu werden. Hier gelten die generellen Empfehlungen für eine ausgewogene, vollwertige Ernährungsweise, die auf Obst, Gemüse und möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel setzt, erläutert Karsten Müssig, stellvertretender Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Arbeitsgruppenleiter am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ).
Die Realität sieht allerdings anders aus: Laut der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker nehmen die Deutschen rund 35 Kilogramm Zucker pro Jahr zu sich. Heruntergerechnet bedeutet das rund 96 Gramm Zucker am Tag - ein Vielfaches der empfohlenen Menge.
Nicht nur Naschkatzen haben es schwer
Und das darf auch nicht verwundern, angesichts des verbreiteten Zuckerzusatzes in Lebensmitteln. Denn zwar können wir bewusst entscheiden, weniger oder keinen Zucker in unseren Kaffee zu geben - versteckter Zucker in Lebensmitteln ist aber etwas anderes. Mittlerweile steckt Zucker in nahezu jedem Lebensmittel - nicht als natürlicher Bestandteil, sondern von der Industrie zugesetzt.
Die folgenden Beispiele zeigen, dass es nicht nur Naschkatzen schwer haben, ihren Zuckerkonsum im Griff zu halten. So enthält etwa ein Esslöffel Ketchup bereits einen Teelöffel Zucker. Eine Dose Limonade (330 ml) kommt auf rund 40 Gramm Zucker - das übersteigt schon die WHO-Empfehlungen. Weitere Beispiele zum Zuckergehalt von Lebensmitteln finden Sie in der folgenden Übersicht:
Wieviel Zucker steckt in...
In dem Schokoriegel (18 Gramm) stecken rund sechs Gramm Zucker.
In einem Riegel (58 Gramm) stecken rund 39 Gramm Zucker.
20 Gramm der Schokocreme enthalten rund 12 Gramm Zucker.
200 Milliliter Apfelsaft enthalten 20 Gramm Zucker.
200 Milliliter Cola enthalten etwa 18 Gramm Zucker.
200 Milliliter Milch enthalten 10 Gramm Zucker.
Eine Portion (50 Gramm) dieses Kinderprodukts enthält 7,6 Gramm Zucker.
Zwiebelsuppe aus der Tüte von Maggi enthält laut Hersteller 24 Gramm Zucker auf 100 Gramm der trockenen Zubereitung. Fertig gekocht entspricht das bei einer Portion von 250 Millilitern 3,3 Gramm Zucker.
Das Problem sind unsere Ernährungsgewohnheiten: Bequeme, stark verarbeitete Fertigprodukte haben sich etabliert, auch bereits in der Kinderernährung. Die meisten Convenience-Produkte sind nicht nur hinsichtlich des Zucker-Gehalts ungünstig, sondern auch in puncto Salz, Fett, Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker. Außerdem liefern sie meist kaum essentielle Nährstoffe - was viele Hersteller durch Vitaminzusätze zu kompensieren versuchen.
Puddings, Joghurt-Zubereitungen oder Getränke, die extra für Kinder angepriesen werden, enthalten oft sogar eine Extraportion Zucker, weil sie dann besonders gern angenommen werden. Das Problem: Kinder gewöhnen sich an den süßen Geschmack. Ihre Reizschwelle für die Geschmacksempfindung "süß" steigt an, das bedeutet, dass sie nach und nach stärkere Süß-Reize brauchen. So verlernen viele Menschen nicht nur schon von Kindesbeinen an, wie natürliche Produkte schmecken, sondern essen im Laufe des Lebens auch immer mehr Zucker, erklärt Müssig.
Überall versteckt sich Zucker
Zucker steckt auch in Lebensmitteln, bei denen man es nicht unmittelbar erwarten mag. Es sind nicht nur Süßigkeiten, Müslis und Riegel, die unseren Blutzuckerspiegel in die Höhe treiben. Auch in Wurst, Milchprodukten, Fertigsuppen oder Konserven steckt Zucker - mehr oder weniger offensichtlich. Dadurch essen wir viel mehr Zucker, als uns bewusst ist. Die Verbraucherzentrale hat in einem bundesweiten Markttest 2013 die gefühlte Wahrheit, dass Zucker in immer mehr Produkten steckt, bestätigt.





Untersucht wurden neben Süßigkeiten, Milchprodukten, Getreideprodukten, Obstzubereitungen und Getränken auch pikante Fertigprodukte wie Feinkostsalate, Grillsoßen oder Leberwürste. Insgesamt wurden 276 verarbeitete Nahrungsmittel unter die Lupe genommen.
Das Ergebnis: In fast allen Produkten fanden die Verbraucherschützer offen oder versteckt Zucker. Es zeigte sich, dass die Kombination von mehreren süßenden Zutaten üblich ist. So enthielt etwa eine untersuchte Leberwurst Glukosesirup, Maltodextrin, Dextrose, Vanillezucker und Zucker. Ein von der Verbraucherzentrale untersuchter brauner Soßenbinder enthielt etwa 31 Gramm Zucker auf 100 Gramm. Aber warum?