Der lange Weg zum Energiesparhaus

Energiesparhäuser sind heute schon wirtschaftlich sinnvoll. Warum baut sie kaum einer? Ein Gastbeitrag

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Von Peter Mellwig und Martin Pehnt, Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) in Heidelberg

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Schon 2020 werden Neubauten kaum mehr Energie mehr verbrauchen. Dann müssen wir nicht mehr zähneknirschend die immer schneller steigenden Energiepreise hinnehmen. Im Gegenteil: Öl- und Gasrechnungen bestaunen wir nur noch kopfschüttelnd in Geschichtsbüchern.

Und trotzdem werden wir uns mitten im Winter – ganz ohne schlechtes Öko-Gewissen – im T-Shirt auf der Couch lümmeln. Vorbei sind dann die Zeiten von Zugluft und Schimmel in der Wohnung. Kaum zu glauben?

Es ist wirklich wahr: Schon in acht Jahren müssen alle Neubauten in Europa den Niedrigstenergie-Standard erfüllen. Das heißt, ihr Energiebedarf wird fast bei null liegen. Der geringe Restbedarf wird vor allem mit erneuerbaren Energien gedeckt. Das alles wurde bereits im Jahr 2010 in der Europäischen Gebäuderichtlinie festgelegt.

Aber auch das deutsche Energiekonzept von 2010 sieht praktisch die gleichen Ziele vor: Der Primärenergiebedarf im Gebäudesektor soll insgesamt bis 2050 um 80 % vermindert werden. Neubauten haben daran einen großen Anteil. Immerhin verursachen Heizung und Trinkwassererwärmung heute rund 40 % des deutschen Energieverbrauchs.

Um diese Ziele in deutsches Recht umzusetzen, muss die Politik das Energieeinspargesetz (EnEG) und die Energieeinsparverordnung (EnEV) ändern. Mit diesem Ziel haben Bundeswirtschaftsministerium und Bundesbauministerium am 16. Oktober den Referentenentwurf für die Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) vorgelegt. Von der Gestaltung einer besseren Zukunft ist hier jedoch leider nicht mehr viel zu finden.

Stattdessen sollen die Anforderungen an Neubauten in zwei Stufen um je 12,5 % verschärft werden – in den Jahren 2013 und 2016. Die verhaltenen Schritte begründet die Regierung mit wirtschaftlichen Argumenten. Höhere Anforderungen seien den Bauherren nicht zuzumuten.

Dabei lässt der Gesetzgeber außer Acht, dass die Bauherren jetzt schon freiwillig viel bessere Standards bauen: im vergangenen Jahr war jeder zweite Neubau 30 % energiesparender als gesetzlich vorgeschrieben.

Technisch machbar, wirtschaftlich sinnvollHinzu kommt: Wenn Bauherren bei der wirtschaftlichen Betrachtung nicht nur die Kosten für die Errichtung, sondern auch die Betriebs- und Kapitalkosten berücksichtigen (also in einer Vollkostenrechnung), so sind Niedrigstenergiehäuser schon heute vorteilhafter als der Standard.

Auch die Architekten sollten sich fragen, ob sie einem Bauherren zu einem Neubau mit nur 12,5 prozentiger Verbesserung raten sollten. Immerhin ist absehbar, dass das Gebäude bei seiner Fertigstellung (2016) die dann geltenden Anforderungen schon nicht mehr erfüllen wird. Nur fünf Jahre später (2021) wird es neben den dann üblichen Niedrigstenergiehäusern endgültig „alt aussehen.“ Eigentümer solcher Alt-Neubauten könnten sich dann mit der peinlichen Frage an ihren Architekten wenden, ob diese Entwicklung nicht abzusehen war.

Dabei ist es heute schon möglich, nach den Standards von 2020 zu bauen. Neue Dämmstoffe, Passivhausfenster mit Dreifachverglasung, hocheffiziente Heizungen auf Basis erneuerbarer Energieträger und andere Effizienztechnologien ermöglichen schon heute das Niedrigstenergiehaus. Und das kann seinen Bewohnern eine Menge Geld sparen.

Denn die Investitionskosten für ein solches Gebäude liegen nur 8 % über einem Vergleichsgebäude nach aktueller Energieeinsparverordnung. Wenn man die Energiekostenentwicklung der letzten Jahre fortschreibt, spielen sich die Mehrkosten in weniger als 20 Jahren wieder ein. In den darauffolgenden Dekaden spart das Niedrigstenergiehaus Jahr für Jahr Geld.

Aber nicht nur privaten Häuslebauern erweisen die Politiker mit ihrem Referentenentwurf einen Bärendienst. Auch für das Klima ist ein Zurückbleiben hinter dem technisch und wirtschaftlich Machbaren schädlich.

Wer heute Gebäude nach zu laxen Standards baut, wird sie frühestens in 40 Jahren sanieren. Selbst im Jahr 2050 stehen sie also noch unverändert da. Zum Erreichen des Ziels, bis dahin 80 Prozent Primärenergie im Gebäudesektor einzusparen, werden sie also nichts beitragen – im Gegenteil: Ihren hohen Verbrauch müssen andere Gebäuden kompensieren.

Noch paradoxer wird die aktuelle Gesetzesinitiative, wenn man bedenkt, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit ihrem Programm „Effizient Bauen“ die Realisierung bester Gebäudestandards fördert. Je besser die Häuser konzipiert sind, desto mehr Förderung gibt es.

Aber die Kostenfrage ist nur ein Aspekt. Eine weitere Frage ist beinahe noch wichtiger. Nämlich die, wie wir leben wollen? Wenn ein Gebäude erst einmal gebaut ist, müssen wir mit ihm leben, mit seinem Verbrauch und seiner Qualität.

Wenn wir für den Neubau eines Einfamilienhauses nicht 190.000, sondern nur 170.000 Euro ausgeben können, sollten wir vielleicht lieber ein paar Quadratmeter weniger bauen, aber dafür in einer Qualität, die uns in allen kommenden Jahren eine Freude sein wird.

 

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