Klimaökonom Richard Tol im Interview „Wir haben genug Zeit“

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Haben sich die 6000 Delegierten in Nairobi demnach nur zu einem nutzlosen Palaver getroffen? Sie sollten sich darauf konzentrieren, einen internationalen Handel mit Zertifikaten und eine enge Zusammenarbeit bei der Einführung klimafreundlicher Techniken zu organisieren. Beides steht leider nicht auf der Tagesordnung. Dabei würden sich die weltweiten Treibhausgasemissionen nach unseren Berechnungen auf einen Schlag etwa halbieren, würden weltweit die besten verfügbaren Technologien eingesetzt. Ist es nicht utopisch zu glauben, alle Länder der Welt würden sich auf einheitliche technische Standards einigen? Es würde vielfach genügen, wenn wenige marktdominierende Länder voranschreiten. Alle Pkws dieser Welt zum Beispiel werden in nicht mehr als zehn Ländern gebaut. Würden sich diese Länder darauf einigen, den Schadstoffausstoß je PS in zehn Jahren sagen wir zu halbieren, würde das die Umwelt enorm entlasten. Der Rest der Welt hätte keine andere Wahl, als mitzuziehen. Ähnliches gilt für Kraftwerke, für die noch weniger Länder die Technologie besitzen. Ein Großteil der Probleme wäre gelöst, wenn es gelänge, Energieverbrauch und Schadstoffausstoß mithilfe moderner Techniken zu entkoppeln. Sollten die Regierungen bestimmte Techniken finanziell fördern? Wir sollten es auf keinen Fall Beamten überlassen, zu bestimmen, was gut oder schlecht ist. Die Politik sollte sich darauf beschränken, Ziele vorzugeben, so wie es etwa Kalifornien bei den Schadstoffemissionen der Autos getan hat. Das beflügelt die Forschung und Entwicklung am effektivsten. Die deutsche Regierung forciert den Einsatz erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne. Würde ein zügiger Ausbau der Atomenergie das Weltklima nicht wesentlich besser schützen? Das viele Geld, das in Deutschland in die Windenergie fließt, ist ein abschreckendes Beispiel dafür, was passiert, wenn Regierungen die Technologie auswählen. Die Leute, die jetzt mit Windrädern gut verdienen, hatten beste Beziehungen ins frühere grüne Umweltministerium. Das viele Geld fließt, obwohl Windenergie sehr unzuverlässig ist und nie mehr als zehn Prozent des Gesamtbedarfs an Energie abdecken wird. Zudem ist sie teuer, und der technische Fortschritt scheint schon heute weitgehend ausgeschöpft zu sein. Atomkraft kann eine Lösung sein. Auf jeden Fall ist sie zuverlässiger und höchstwahrscheinlich auf lange Sicht auch billiger. Einige Experten glauben, dass es weniger kostet, sich dem Klimawandel anzupassen, statt ihn aufzuhalten. Haben sie recht? Wir sollten beides machen. Um zu verhindern, dass der steigende Meeresspiegel Küstenstriche überflutet, ist der Bau von Deichen eine preiswerte Lösung. Aber wir dürfen auch die Erderwärmung nicht ungehindert fortschreiten lassen, sonst riskieren wir, dass eines Tages das Wasser in den Ozeanen verdampft. Im kommenden Jahr legt das IPCC, das Wissenschaftlergremium der UNO zur Abschätzung des Klimawandels, seinen nächsten Bericht vor. Ist dort genügend ökonomischer Sachverstand vorhanden? Leider überhaupt nicht. Das Gremium ist über die Jahre immer grüner geworden und hat die wenigen Ökonomen, die früher beteiligt waren, hinausgedrängt. Das stellt die Qualität der Ergebnisse deutlich infrage. Ganz persönlich gefragt: Wie zuversichtlich sind Sie, dass das Klima noch zu retten ist? Ich sehe keinen Grund zur Panik. Uns bleibt genug Zeit zum Reagieren. Und wie es aussieht, werden Amerikaner und Chinesen, die beiden größten Klimasünder, bald mehr in den Klimaschutz investieren. Der Ausgang der amerikanischen Kongress-Wahlen wird die Klimaaktivisten in den USA stärken, sodass ich schon in den nächsten drei Jahren mit konkreten Programmen rechne. Die Chinesen werden innerhalb des kommenden Jahrzehnts nachziehen, schon allein, weil ihnen sonst katastrophale Umweltschäden drohen. Das wird einen großen Schub bringen.

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