Lego ist ein wunderbares Spiel: Mit den immer gleichen Steinen lassen sich ganz unterschiedliche Dinge bauen. Genauso wollen Autohersteller am liebsten ihre Autos zusammen setzen. Man nehme Motor, Getriebe, Achsen, Abgassysteme und kombiniere sie mit einer anderen Karosserie zu immer neuen Autos.
Bisher nannten die Hersteller das Plattformstrategie, weil meist Chassis und Radaufhängung die Basis für unterschiedliche Modelle sind. Ganz viele Hersteller wie Renault und Nissan, Citroen oder Peugeot arbeiten so. Aber natürlich auch deutsche Hersteller. Der Porsche Boxster und der Cayman sind beispielsweise Autos mit gleichen Plattformen, aber unterschiedlichem Aussehen.
Auf der gleichen Plattform namens C1 aufgebaut sind beispielsweise Ford Focus, Ford C-MAX, Ford Kuga, Volvo S40/V50, Volvo C30, Volvo C70 II, Mazda 3 und Mazda 5.
Volkswagen perfektioniert diese Strategie jetzt mit dem sogenannten Modularen Querbaukasten (MQB) so, dass es dem Ideal des Legospiels schon sehr nahe kommt. In dem Baukasten befinden sich Boden, Motoren, Getriebe, Klimaanlagen, Armaturenbretter, Sitze oder Assistenzsysteme – kurzum praktisch alles, was man braucht um ein Auto zu bauen. Von Toyota hat VW dabei gelernt, dass man nicht für jedes neue Auto sämtliche Teile wie Lichtmaschine oder Kühlbehälter jedes Mal komplett neu konstruieren muss.
Schon heute baut VW verschiedene Wagen wie den New Beetle, den VW Bora, Caddy Life, die Seat-Modelle Leon und Toledo, den Skoda Octavia, aber auch den Audi A3 und den Audi TT auf der Golf-Plattform. Doch künftig entstehen Modelle vom Kleinwagen Polo über den Millionenseller Golf und den Mittelklassewagen Passat in den Produktionsstätten überall auf der Welt mit Hilfe des neuen Baukastens, die die bisherige Plattformstrategie deutlich erweitert.
Das Ziel ist klar: Kosten senken, und dabei schnell, flexibel und qualitativ hochwertig möglichst viele Autovarianten bauen. Denn schließlich wollen die Wolfsburger mit ihren Marken zum weltgrößten Autohersteller aufsteigen. Das ist aber nur möglich, wenn die rund 448 000 Mitarbeiter die mehr als 220 verschiedenen Modelle an rund 90 Produktionsstandorten weltweit mit möglichst vielen gleichen Teilen bauen können.
Das Besondere an dem Baukasten-System: Schwächelt in irgendeinem Markt der Absatz des Passat lassen sich künftig auf dem gleichen Band mehr Golf und Tiguan produzieren. Früher war das nur mit teurer Umrüstung machbar.
Auf MQB-Basis sollen über 30 Modelle der Kompakt- und Mittelklasse aus dem Volkswagen Konzern auf den Markt kommen. In der Folge erwartet der Konzern eine Senkung von Stückkosten und Einmalaufwendungen für Werkzeuge um jeweils 20 Prozent.
Das erste Baukasten-Fahrzeug
Das erste Baukasten-Fahrzeug wird die dritte Generation des Audi A3 sein, die auf dem Autosalon in Genf (ab 8. März) Premiere feiert. Dann folgt, im Oktober 2012, die siebte Generation des Golf. Der soll auch dank des neuen Baukastens genau so leicht sein wie der Golf IV, der bis 2003 gebaut wurde. VW rechnet damit, dass die Modelle aus dem System im Schnitt um mindestens 40 Kilogramm leichter sind als ihre Vorgänger, weil die Entwickler das Gewicht jedes einzelnen Bauteils hinterfragt haben. Davon profitieren werden auch der Skoda Octavia und der Seat Leon, die später auf der neuen Plattform folgen.
Das neue Konstruktionssystem ergänzt den von Audi verantworteten Modularen Längsbaukasten, den Modularen Standardbaukasten von Porsche und die die sogenannte „New Small Family“ mit den Kleinstwagen Volkswagen up, Seat Mii und Skoda Citigo. Gegenüber der bisherigen Fertigung gibt es folgende Vorteile:
Die Diesel- und Otto-Motoren werden quer eingebaut. Das schafft Platz. Allein bei VW rollen künftig die Modelle Polo, Beetle, Golf, Scirocco, Jetta, Tiguan, Touran, Sharan, Passat und CC auf dieser einen Plattform. Audi, Seat und Skoda profitieren ebenfalls.
Passend zum Baukasten hat VW neue Motoren entwickelt. Die kleinen Motoren der Reihe EA211 reichen von 60 bis 150 PS, darüber rangiert die Baureihe EA288 von 90 bis 190 PS. Volkswagen reduziert die gewaltige Vielfalt an Motoren und Getrieben im MQB-System um 90 Prozent.
Zusätzlich soll der Baukasten es möglich machen, neben den konventionellen Verbrennungsmotoren auch alle gängigen alternativen Antriebe zu verbauen. Ein Beispiel dafür ist der Golf Blue-e-Motion mit Hybridantrieb (ab 2013), aber auch Erdgasmodelle und reine Stromer werden kommen.
Die Kunst wird sein, dass der Kunde auf den ersten Blick sieht, dass sich Audi, VW, Seat oder Skoda in wichtigen Punkten unterscheiden. Denn welches Desaster man erleben kann, zeigt das Beispiel Ford Mondeo und Jaguar X-Type. 2001 wagte Nobelhersteller Jaguar mit dem X-Type das Experiment eines Mittelklassewagens. Doch das Auto floppte, weil viele Kunden ihn als verkleideten Mondeo des damaligen Mutterkonzerns Ford erkannten.
Dem Sparzwang folgend gönnten ihm die Marketingstrategen zudem nur Schalthebel und Armaturen des Mondeo. Für Jaguar-Fans ein Affront. Jaguar stellte den X-Type 2009 ohne Nachfolger ein.