Stammzellen Das nachwachsende Ersatzteillager

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Einen Schönheitsfehler hat die Sache allerdings. Tsuji verwendete embryonale Mäuse-Stammzellen. Die besitzen wie alle embryonalen Stammzellen, viel mehr Entwicklungspotenzial als ihre adulten Pendants. Embryonale Stammzellen können sich mühelos in alle über 200 Gewebetypen eines Säugetieres verwandeln, sei es Maus oder Mensch.

Wenn nachwachsende dritte Zähne aber jemals eine realistische Chance im medizinischen Praxisalltag haben sollen, scheiden embryonale Stammzellen für eine Verwendung beim Menschen aus. Ihre Gewinnung ist ethisch problematisch. Denn auch wenn sie in sogenannten Zelllinien über Jahre und Jahrzehnte hinweg im Labor vermehrt werden können, so ist ihr Ursprung doch immer noch ein menschlicher Embryo, der abgetrieben wurde. Gerade in Deutschland und Japan waren die Politiker in den vergangenen Jahren sehr restriktiv, was die mögliche Zulassung von Therapien aus Embryozellen betraf.

Deshalb haben sich Forscher weltweit seither vor allem darauf konzentriert, mit den adulten Stammzellen zu arbeiten, die jeder Mensch in sich trägt, etwa in einem noch nicht gezogenen Weisheitszahn. Doch anders als embryonale Stammzellen sind diese schon auf eine bestimmte Entwicklungsrichtung hin programmiert. Selbst bei Ratten, Schweinen und Mäusen klappte die Sache mit der Zahngenese mit adulten Stammzellen längst nicht so gut, wie mit embryonalen.

So arbeiten die meisten Forscher derzeit vor allem daran, mithilfe von adulten Stammzellen aus Weisheitszähnen Zahnwurzeln zu züchten oder den von Parodontose oder Entzündungen zerfressenen Kieferknochen wieder aufzubauen. Denn das gelingt zum einen auch mit adulten Stammzellen schon recht gut.

Stammzellen lassen sich programmieren

Zum anderen ist es das größte Problem der Zahnrestaurateure: Die schönsten Keramik-Implantate halten nicht und beginnen zu wackeln, wenn die Verankerung im Kiefer misslingt. Gewöhnlich wird in den Kieferknochen eine Metallschraube einzementiert. Der sichtbare Keramikteil des Implantats wird auf diese Schraube gedreht. Ist der Knochen jedoch auf dem Rückzug oder brüchig, hält die Verankerung den hohen Drücken, die beim Kauen entstehen, nur Jahre oder Monate stand, dann fällt sie heraus.

Auch wenn der Retorten-Zahn noch ein paar Jahre auf sich warten lässt, sind Zähne für Forscher als Stammzellspender hochinteressant. Zum einen sind sie sehr viel leichter zugänglich, als das Knochenmark. Und zum anderen lassen sich adulte Stammzellen inzwischen auch umprogrammieren, sodass sie viele verschiedene Gewebearten bilden können. Als Quelle für diese Stammzellen wären Zähne ideal. Mindestens genauso gut, wie die zurzeit von Unternehmen wie Vita 34 oder Seracell beworbenen Stammzellen aus Nabelschnurblut, finden Stammzellforscher.

Man müsste in Zukunft nur einen Weg finden, die kostbaren Stammzellen etwa aus Milchzähnen oder gezogenen Weisheitszähnen direkt in flüssigem Stickstoff wegzufrieren. Für den Mülleimer sind sie jedenfalls zu schade. 

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