
Energiewende hin oder her, noch boomen auch in Deutschland die Kohlekraftwerke. Braun- und auch Steinkohle ist in den vergangen drei Jahren wieder wichtiger geworden. Derzeit sind hierzulande etwa 140 Kraftwerke in Betrieb. Sie erzeugen 45 Prozent des gesamten Strombedarfs der Bundesrepublik. Neben den bekannten negativen Auswirkungen auf das Weltklima durch die CO2-Emissionen leidet auch die Gesundheit unter den Kraftwerken. Eine aktuelle Greenpeace-Studie will herausgefunden haben, dass mikroskopisch kleine Feinstaubpartikel, die kontinuierlich aus den Schornsteinen der großen Kraftwerke gepustet werden, europaweit für etwa 3100 vorzeitige Todesfälle gesorgt haben.
Giftige Emissionen aus Kohleschloten wie Schwefeldioxid, Stickoxide, Ruß und Staubemissionen bilden in der Luft Feinstaub. Die kleinsten Teilchen dringen beim Einatmen tief in die Lunge und Blutgefäße ein und können den Organismus schädigen.





Greenpeace ließ eine entsprechende Erhebung an der Universität Stuttgart durchführen. Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Uni untersuchte erstmals die atmosphärische Ausbreitung der Schadstoffemissionen und zeigte auf, welche Gesundheitsschäden die 67 leistungsstärksten deutschen Kohlekraftwerke verursachen.
Grundlage für die Berechnungen lieferten Emissionsdaten aus dem Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister für das Jahr 2010 und bekannte epidemiologische Studien zu den Gesundheitsfolgen von Feinstaub. Die 67 Kohlekraftwerke führten danach zum Verlust von insgesamt 33.000 Lebensjahren. Dies entspricht einer statistischen Zahl von 3100 Todesfällen. Hinzu kommt der Ausfall von etwa 700.000 Arbeitstagen durch Atemwegserkrankungen, Herzinfarkte, Lungenkrebs oder Asthmaanfälle.
Die dreckigsten Kraftwerke seien die Braunkohleanlagen Jänschwalde in Brandenburg und Niederaußem in Nordrhein-Westfalen, deren Schadstoffe sich über tausende Kilometer weit ausbreiten. Allein die beiden größten Braunkohlekraftwerke waren der Greenpeace-Studie zufolge im Jahr 2010 für 373 und 269 Todesfälle verantwortlich.
Die gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 373
Verlorene Lebensjahre: 3986
Verlorene Arbeitstage: 84.149
Quelle: Greeenpeace
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 269
Verlorene Lebensjahre: 2881
Verlorene Arbeitstage: 61.075
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 212
Verlorene Lebensjahre: 2272
Verlorene Arbeitstage: 47.995
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 172
Verlorene Lebensjahre: 1844
Verlorene Arbeitstage: 39.091
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 164
Verlorene Lebensjahre: 1754
Verlorene Arbeitstage: 37.182
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 164
Verlorene Lebensjahre: 1756
Verlorene Arbeitstage: 37.018
Betreiber: RWE
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 160
Verlorene Lebensjahre: 1712
Verlorene Arbeitstage: 36.291
Betreiber: E.ON
Brennstoff: Steinkohle
Todesfälle pro Jahr: 129
Verlorene Lebensjahre: 1378
Verlorene Arbeitstage: 29.202
Betreiber: Vattenfall
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 110
Verlorene Lebensjahre: 1175
Verlorene Arbeitstage: 24.817
Betreiber: E.ON
Brennstoff: Braunkohle
Todesfälle pro Jahr: 76
Verlorene Lebensjahre: 817
Verlorene Arbeitstage: 17.253
Die scheinbar genauen Zahlen überraschen, spielen doch gerade bei so umfassenden Erhebungen immer statistische Ungenauigkeiten mit hinein, die in der Erhebung nicht angegeben wurden. Dennoch scheint die Studie in die richtige Kerbe zu schlagen. Erst vor wenigen Wochen hat ein europäischer Verbund von Umwelt- und Gesundheitsorganisationen namens „Heal“ (Health and Environment Alliance) vorgerechnet, dass durch die durch den Kohleabbau entstehenden Partikel in der Luft, die Gesundheitskassen in Europa mit jährlich 43 Milliarden Euro belasten würde. In dieser Erhebung liegt Deutschland immerhin auf dem zweiten Platz hinter Polen. Angeblich würde sich der Kohleabbau mit sechs Milliarden Euro im deutschen Gesundheitssystem niederschlagen.
Greenpeace fordert nun einen vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2040. Die besonders schädliche Braunkohle müsse bis spätestens 2030 auslaufen. "Um Todes- und Krankheitsfälle zu vermeiden, muss die Politik endlich den Ausstieg aus der Kohle beschließen", sagt Gerald Neubauer, Energie-Experte von Greenpeace. Für die Übergangszeit müssten alle Kohlekraftwerke mit der besten verfügbaren Filtertechnik ausgerüstet werden, um Schadstoffemissionen zu verringern.