Grönland Im grönländischen Eis lauert ein giftiges Erbe

Von Grönland aus wollten die USA einst ihre Raketen auf die Sowjetunion richten. Das Eis machte die Pläne zunichte, aber Gift und Schrott blieben zurück.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Grönland: Im grönländischen Eis lauert ein giftiges Erbe Quelle: dpa

Die USA haben in Grönland ein gefährliches Erbe hinterlassen: einen geheimen Raketenstützpunkt tief im Eis. Während des Kalten Krieges erlaubte Dänemark den USA 1951, insgesamt 33 militärische Anlagen in Grönland zu errichten. Ziel war es, mit Raketen die Sowjetunion über den Polarkreis hinweg erreichen zu können. Damals wurde allerdings nicht erwähnt, wer für die spätere Entsorgung zuständig ist. Die Grönländer wollen nun nicht länger warten und haben Dänemark aufgefordert, den von den USA hinterlassenen Müll aufzuräumen. Dazu zählen die Grönländer auch Camp Century, eine nie fertig gestellte Abschussbasis für Raketen mit Atomsprengköpfen unter der Eisoberfläche. „Wenn Dänemark keine anderen Vereinbarungen mit den USA über Camp Century eingegangen ist, liegt die Verantwortung für die Überprüfung und Entsorgung allein bei Dänemark“, erklärt Vittus Qujaukitsoq, der in Grönland für Auswärtige Angelegenheiten zuständige Minister.

Camp Century wurde von 1959 bis 1960 im Nordwesten von Grönland errichtet. Offiziell hieß es damals, auf diese Weise sollten Bautechniken für die Arbeit unter dem Eis erprobt werden. Tatsächlich ging es um Raketen, die bis in die Sowjetunion fliegen sollten. Das Projekt wurde 1960 aufgegeben, weil das Eis die Anlagen immer wieder erdrückte. Die USA entfernten einen mobilen Atomreaktor, der Strom und Wärme lieferte. Zurück blieben rund 200 000 Liter Dieselkraftstoff und Abwässer, wie aus einer internationalen Studie hervorgeht, die im August veröffentlicht wurde.

Wissenschaftler warnen, im Zuge der globalen Erwärmung drohe die Eiskappe über Camp Century zu schmelzen. Giftstoffe könnten an die Oberfläche gelangen und die Umwelt verschmutzen. Qujaukitsoq wandte sich am 24. Oktober in einem Brief an den dänischen Außenminister Kristian Jensen und fragte nach den dänischen Plänen für Camp Century. Er legte dar, dass einer internationalen Studie zufolge die Abfälle „Radioaktivität, Öl und PCB“ enthielten, eine krebsauslösende Substanz.

Am 17. November kamen beide Seiten in Nuuk, der grönländischen Hauptstadt zusammen. Jensen erklärte, das dänische Umweltministerium untersuche die Risiken für die Umwelt im Zusammenhang mit den Hinterlassenschaften der USA in Grönland. „Ich hoffe, das kann so schnell wie möglich getan werden“, sagte der Minister, nannte aber keine Einzelheiten. In einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AP erklärte Jensen später, noch sei nicht klar, wer an einer möglichen Entsorgung beteiligt werde. Dafür sei es noch zu früh.

Die amerikanische Luftwaffe nutzt weiterhin den Stützpunkt Thule, etwa 1200 Kilometer vom Nordpol entfernt. Aus Militärflugplätzen in Narsarsuaq, Kulusuk und Kangerlussuaq wurden zivile Flughäfen. Andere militärische Anlagen, einige davon in entlegenen Gebieten, wurden einfach aufgegeben in der Hoffnung, sie würden für immer im Eis eingeschlossen bleiben, das den größten Teil der Insel bedeckt.

Die örtlichen Behörden haben an einigen Orten mit dem Aufräumen begonnen, verfügen aber nicht über ausreichende Mittel, wie Rasmus Eisted vom dänischen Unternehmen Ramboll erklärt, das an einigen Projekten dieser Art beteiligt ist. Eisted verweist auf einen Schrottplatz in Kangerlussuaq, der einst der Luftwaffenstützpunkt Sondrestrom war. Dort lagerten noch immer Militärgüter. Die Arbeiten dort seien umfangreicher als zunächst angenommen, sagt Eisted.

Die frühere grönländische Ministerpräsidentin Aleqa Hammond vertritt heute die Interessen der Inselbewohner im dänischen Parlament. Sie erklärt, Grönland könne Dänemark vor die Vereinten Nationen bringen, damit dort über den gefährlichen Abfall entschieden werde. „Dänemark ist dafür verantwortlich, nach dem Abzug der Amerikaner aufzuräumen“, sagt sie. „Ich sehe eine potenzielle politische Krise zwischen Grönland und Dänemark.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%