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Hans Rudolf Herren "Spätes Umdenken"

Der Agrarforscher und Träger des alternativen Nobelpreises ist überzeugt: Ohne biologischen Pflanzenschutz wird die Welt nicht satt.

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Der Schweizer Agrarforscher Hans Herren im Interview mit WirtschaftsWoche: Ohne Bio-Pflanzenschutz wird die Welt nicht satt. Quelle: dpa

Herr Herren, Sie haben in den Achtzigerjahren mit einer genialen Idee rund 20 Millionen Menschenleben gerettet: Als eine spezielle Laus-Art vier Fünftel der Ernte des afrikanischen Grundnahrungsmittels Maniok zu vernichten drohte, bekämpften Sie sie mit einem anderen Insekt, das die Läuse umbringt. Wie kamen Sie darauf?

Die Idee stammte nicht von mir alleine. Als ich in Zürich 1977 über das Thema der biologischen Schädlingsbekämpfung meine Doktorarbeit schrieb, sahen Forscher weltweit, dass die chemischen Keulen auf den Äckern immense Schäden bei Mensch, Tier und der Umwelt anrichteten – und über die Jahre an Wirksamkeit verloren. So war auch der Maniok-Schmierlaus, die in den Siebzigerjahren aus Südamerika nach Afrika eingeschleppt wurde, mit chemischen Giftstoffen nicht mehr beizukommen. Ich hatte Glück, eines der führenden Agrarforschungsinstitute Afrikas – das International Institute of Tropical Agriculture in Nigeria – stellte mich ein, um eine biologische Alternative zu entwickeln.

Alternativer Nobelpreis ehrt Retter vergewaltigter Frauen
Der US-Amerikaner Paul Walker bekommt den Preis inmitten der aktuellen Diskussion um die Vernichtung von Syriens Giftgas-Vorräten als „einer der effektivsten Wegbereiter für die Abschaffung von Chemiewaffen“, wie die Right Livelihood Award-Stiftung verkündete. Walker habe sich als Direktor für „Environmental Security and Sustainability“ beim Internationalen Grünen Kreuz „unerbittlich“ für die Umsetzung der Konvention zum Verbot von Chemiewaffen eingesetzt, hieß es in der Begründung der Stiftung. Die Konvention wird gegenwärtig von 189 Staaten getragen. Quelle: dpa
„Die Chemiewaffenkonvention ist eigentlich ein Erfolgsmodell gewesen“, will der Direktor der Stiftung, Ole von Uexküll, mit der Auszeichnung auch zeigen - und richtet dabei den Blick auf die Lage in Syrien. Durch Walkers Einsatz seien schon Zehntausende Tonnen chemischer Waffen aus sechs nationalen Arsenalen sicher vernichtet worden. Jetzt konzentrierten sich seine Bemühungen auf den Beitritt der übrigen Staaten zu dem Pakt. Syrien soll am 14. Oktober Mitglied werden. Foto: Pressebild Right Livelihood Award Quelle: Presse
Den Arzt Denis Mukwege ehrt die Stiftung für sein Engagement für vergewaltigte Frauen in seiner Heimat, der Demokratischen Republik Kongo. In einem Krankenhaus in Süd-Kivu behandelt der Gynäkologe unermüdlich Opfer sexueller Kriegsgewalt. Foto: Flickr/Radio Okapi Quelle: Creative Commons
Seit Jahren setzt Denis Mukwege sich öffentlich dafür ein, die Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen. Auch ein Attentat auf ihn, bei dem statt Mukwege einer seiner Mitarbeiter starb, brachte ihn nicht dazu, aufzuhören. Mukwege wird auch als Anwärter für den Friedensnobelpreis gehandelt. Quelle: dpa
Hans R. Herren spricht mit Kleinbauern in Nyabera, Kenia, über die Relevanz von gesunden Böden. Der Agrarforscher rettete laut der Stiftung mit einem biologischen Programm zur Schädlingsbekämpfung in Afrika „Millionen von Menschen das Leben“. Mit seiner Schweizer Stiftung helfe Herren heute Landwirten, „Hunger, Armut und Krankheit durch biologischen Landbau zu bekämpfen“. Quelle: obs
Herren ist er erste Schweizer seit dem Start der Alternativen Nobelpreise 1980, der mit der Auszeichnung geehrt wurde. Quelle: dpa
Der Anwalt Radschi Surani erhält den Preis, weil er sich „furchtlos und vorurteilsfrei für die Menschenrechte in Palästina und der arabischen Welt“ einsetzt. Im Gazastreifen dokumentiere Surani Menschenrechtsverletzungen, vertrete Opfer und bilde inzwischen auch syrische Juristen aus. „Die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in allen arabischen Ländern zu verbreiten, das ist schon eine fantastische Multiplikatorwirkung“, sagte von Uexküll. Quelle: dpa

Wie sah sie genau aus?

Wir fanden in Südamerika, der Ursprungsregion von Maniok und Maniok-Schmierlaus einen natürlichen Feind des Schädlings – eben jene Schlupfwespe. Wir überprüften, ob sie anderen Insekten schadet. Dann züchteten wir die Tiere in großem Stil, setzten sie in 24 afrikanischen Ländern aus, und die Sache hat funktioniert.

Es hat zwar fast 30 Jahre gedauert, aber heute wenden nicht nur Bauern in der Dritten Welt oder Biolandwirte die biologische Schädlingsbekämpfung an – auch die Chemieindustrie setzt nun auf nützliche Insekten und Spinnentiere, um Schädlingen den Garaus zumachen. Freut Sie das?

Natürlich finde ich es gut, wenn auch die Verfechter des chemischen Pflanzenschutzes endlich einsehen, wie sinnvoll und effektiv biologische Abwehrsysteme sind. Ich bin überzeugt: Die Landwirtschaft wird sich weltweit nur mit solchen preiswerten und nachhaltigen biologischen Mechanismen so stärken lassen, dass die Welternährung langfristig gesichert ist. Aber ich traue der Sache nicht. Denn die weltgrößten Chemiekonzerne kaufen gerade alles auf, was Erfolg im biologischen Pflanzenschutz hat.

Wo ist da der Haken?

Na, es wäre nicht das erste Mal, dass eine mächtige Industriesparte sich unliebsame Konkurrenten einverleibt, um deren innovative Ansätze auszubremsen.

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