Heizen mit Ökostrom So werden Sie unabhängig von Öl und Gas

Für Hausbesitzer lohnt es sich, mit Ökostrom zu heizen. Außerdem sinken dadurch die Kosten der Energiewende. So halten Sie Ihr Heim warm und verdienen nebenher noch Geld.

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Für Eigenheim-Besitzer wird es wirtschaftlich attraktiv, mit Ökostrom zu heizen. Quelle: Getty Images

Das Haus warm halten – und dabei noch Geld verdienen. Michael Heyder bekommt das schier unglaubliche Kunststück hin. Seit drei Jahren heizt der Familienvater sein 240 Quadratmeter großes Einfamilienhaus auf einer Anhöhe im Schwarzwald mit Strom, den zum größten Teil Solarzellen auf dem Dach liefern. Nachts bezieht er die fehlenden Elektronen aus dem Netz. Trotzdem bekommt Heyder sogar noch Geld von seinem Versorger. Denn übers Jahr gesehen produziert seine Elf-Kilowatt-Anlage insgesamt doppelt so viele Kilowattstunden (kWh), wie die Familie verbraucht. Für den ins Netz eingespeisten Strom erhält er 13 Cent je kWh und streicht so ein kleines Nebeneinkommen von 140 Euro ein – jeden Monat.

Schmucker Strahler: Elektrische Heizelemente verteilen Wärme wie ein Kachelofen. Quelle: Presse

Noch allerdings fristen Stromheizungen ein Nischendasein. Ihr Marktanteil an allen Heizsystemen beträgt gerade rund sechs Prozent; mit knapp 80 Prozent dominieren Öl und Gas. Doch das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Davon sind jedenfalls Experten wie Sven Kersten von der Energieagentur NRW überzeugt. Vor allem zwei Entwicklungen beflügeln ihrer Meinung nach das Heizen mit Strom:

  • Klimaschutz: Auf dem Klimagipfel in Paris Anfang Dezember hat sich die Welt auf den Abschied von Erdöl und Gas geeinigt. Erst dieser Tage hat der Internationale Währungsfonds (IWF) daher vorgeschlagen, auch die Treibhausgas-Emissionen von Privathaushalten zu besteuern. Wärme aus sauberem Ökostrom wird unter diesen Vorzeichen zur einzigen ökonomischen Alternative.
  • Subventionsabbau: Für Hausbesitzer werden strombetriebene Heizungen und Warmwassergeräte attraktiv, und bei neuen Fotovoltaikanlagen sind sie fast schon ein Muss. Denn die Vergütung für den Solarstrom sinkt beständig. Wer jetzt Solarzellen installiert, erhält noch rund zwölf Cent je kWh. Daher rentiert es sich immer mehr, möglichst viel des Dachstroms selbst zu nutzen, statt ihn für bundesweit durchschnittlich 28 Cent teuer aus dem Netz zu beziehen.
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Heyder, ganz studierter Betriebswirt, hat das für sein Schwarzwaldhaus durchkalkuliert. Als er es vor drei Jahren kaufte, leckte der alte Ölkessel, und die Heizungsrohre waren marode. „Eine Generalsanierung mit herkömmlicher Heiztechnik hätte mich weit über 30.000 Euro gekostet“, sagt er.

Billiger als Öl

Also sah sich der 43-Jährige nach Alternativen um – und stieß auf das elektrische Infrarot-Heizsystem des österreichischen Herstellers Redwell. 13 Elemente halten die elf Zimmer nun warm: im Wohnzimmer als dekorativer Spiegel, in Küche und Kinderzimmer als beschreibbare Kreidetafel, im Bad als schimmernde schwarze Platte. Fließt Strom durch die Heizdrähte, erwärmen sich die Elemente in Minuten auf bis zu 90 Grad Celsius und strahlen die Wärme allmählich ab.

Anders als bei einer heißen Herdplatte besteht aber keine Verbrennungsgefahr. „Es ist wie bei einem Kachelofen“, sagt Heyder. „Man spürt die Hitze und zieht die Hand zurück.“ Sonst hätte er mit kleinen Kindern im Haus die Technik nicht installiert.

Dafür schwärmt die Familie von der angenehmen Infrarotstrahlung. „Wie Sonnenlicht.“ Sie verteilt die Wärme gleichmäßig im Raum; Wände, Decken und Böden nehmen sie auf – und geben sie dann wieder ab. So ist es nie fußkalt, eine Zimmertemperatur von rund 20 Grad reicht bereits, um sich wohl zu fühlen. Allerdings muss die Infrarotheizung dafür relativ regelmäßig laufen.

Unabhängig von den Stromkonzernen

Finanziell hat Heyder die Anschaffung keine Minute bereut. Mit 10.000 Euro war sie zwei Drittel billiger als eine Sanierung der Ölheizung. Mit 800 bis 900 Euro im Jahr sind seine Heizkosten für den noch benötigten Strom aus dem Netz sehr überschaubar. Würde er Öl einsetzen, müsste er stattdessen rund 2500 Euro zahlen.

Doch selbst wenn er den Strom für die Infrarotheizung und die Wärmepumpe, die das warme Wasser für Dusche und Küche bereitstellt, komplett beim Versorger einkaufen würde, wäre die Technik wirtschaftlich, hat Heyder überschlagen. Auch weil sie praktisch wartungsfrei ist und er sich den Schornsteinfeger ebenfalls sparen kann.

Das Angebot an Heizungen, die Strom direkt in Wärme umwandeln, wächst stetig. Neben Spezialisten wie Redwell oder Eurotherm im bayrischen Sulzbach-Rosenberg wetteifern bekannte Marken wie AEG Haustechnik oder Stiebel Eltron um Kunden.

Schub bekommt die Technik durch den Wunsch vieler Eigenheimbesitzer, unabhängig von den Stromkonzernen zu werden. Doch muss, wer anders als Heyder komplette Autarkie anstrebt, dafür mindestens 26.500 Euro investieren: in Solaranlage, Infrarotheizung oder elektrische Wärmepumpe und Batterie (siehe Grafik). Die Akkus sind notwendig, um sich auch nachts vom Netz unabhängig zu machen.

Hausbesitzer, die klassische Heizkörper statt Infrarotstrahler bevorzugen, können eine Wärmepumpe installieren lassen. Sie liefert zugleich warmes Wasser zum Duschen, und ihr Kreislauf lässt sich im Sommer zum Kühlen nutzen. Das können reine Elektroheizungen nicht.

Die besten Techniken zum Verwenden und Speichern von Solarstrom

Heizen gegen den Blackout

Seinen endgültigen Durchbruch könnte das Heizen mit Strom erleben, wenn die Energieversorger sich endlich dazu durchringen, verbilligte Tarife für Heizstrom anzubieten. Die Wahrscheinlichkeit dafür steige, glaubt Kersten von der Energieagentur NRW. Denn dann könnten die Konzerne überschüssigen Strom vor allem in den nachfrageschwachen Nachtstunden mit Gewinn loswerden. Hausbesitzer Heyder hat mit seinem Versorger, dem Ökostromanbieter Energiedienst, gerade solch einen Billigtarif ausgehandelt.

Über derartige Angebote das Heizen mit Strom zu fördern sei auch volkswirtschaftlich sinnvoll, meint Experte Kersten. Seine Begründung: Schon heute würden vor allem Windräder zeitweise abgestellt, weil zu viel Elektronen durch die Netze schießen und diese zu kollabieren drohen. Den Ausfall erhalten die Betreiber nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) erstattet – zulasten der Stromkunden. Weit mehr als 100 Millionen Euro waren es wohl vergangenes Jahr. Hinzu kam rund eine Milliarde für Eingriffe, um Blackouts zu verhindern.

Überdies verschieben die Netzbetreiber laut Kersten 50 Milliarden Kilowattstunden im Jahr ins Ausland und zahlten auch noch dafür, dass ihnen jemand den Strom abnimmt. Seine Gegenrechnung: „Mit dieser Menge hätten sie stattdessen fünf Millionen Häuser mit Wärmestrom versorgen können.“

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