Gamechanger: Diese Technik zieht aus schmutzigem Nebel sauberes Wasser
Mit Nebelfängernetzen wie diesen an Chiles Pazifikküste entziehen Menschen in Trockengebieten der Luft täglich teils mehrere Hundert Liter Wasser.
Foto: WirtschaftsWocheDie Idee
Die Situation klingt absurd: Direkt am Pazifik gelegen, ist Perus Hauptstadt Lima dennoch eine der trockensten Metropolen der Welt. Die aus dem Meer in die Anden aufsteigende Luft ist so kühl, dass sie kaum kondensiert, es regnet zu wenig. Seit Jahren schon nutzen die Menschen dort daher Netze, um Feuchtigkeit aus der Luft zu gewinnen. Teils Hunderte Liter Wasser pro Tag kondensieren an den wenige Quadratmeter großen Nebelkollektoren.
So einfach der Ansatz ist, der längst auch in vielen Trockengebieten wie Bolivien, Chile, Marokko oder dem Oman im Einsatz ist, er hat ein Manko: Im Umland von Städten und Industriegebieten ist die Luft verschmutzt, in den Nebeltröpfchen sind Schadstoffe gebunden. Das gewonnene Wasser muss aufwendig gereinigt werden, bevor es zum Trinken oder Kochen genutzt werden kann. Ziel von Forschern der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz war es daher, die Nebelfänger so zu modifizieren, dass diese das Wasser direkt beim Auffangen entgiften.
Die Köpfe
Hinter dem Plan stehen die Materialwissenschaftler Ritwick Ghosh und Thomas Schutzius. Sie beschichteten engmaschige Geflechte aus Metalldraht mit einem Gemisch aus Polymeren und Titanoxid. Letzteres ist in der Lage, als chemischer Katalysator viele Schadstoffmoleküle in den Tropfen unschädlich zu machen. Schutzius ist inzwischen als Professor an die University of California in Berkeley gewechselt, während Ghosh seine Forschung am Max-Planck-Institut fortsetzt.
Die Umsetzung
Der Clou der Lösung: Sie ist fast wartungsfrei und benötigt, außer Sonnenlicht, keine weitere Energie. Denn das Titanoxid braucht nur UV-Licht, um sich zu regenerieren. In einer Versuchsanlage in Zürich konnten die Forscher damit 94 Prozent der organischen Verbindungen abbauen – Dieseltröpfchen etwa, aber auch andere Giftstoffe. Ein weiteres Plus: Der Stoff bleibt sogar bei Dunkelheit noch längere Zeit chemisch aktiv. „Nun geht es darum, den Prozess so zu optimieren, dass die Entgiftung rund um die Uhr funktioniert“, so Ghosh. Parallel zur Forschung gebe es bereits Gespräche mit Start-ups und potenziellen Produktionspartnern für eine Serienfertigung. Und auch aus den USA, Kanada und der Schweiz hätten sich bereits Interessenten für die neuen Nebelfänger gemeldet.
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