Streit um die Zeitumstellung Nützt die Sommerzeit dem Klimaschutz?

Quelle: imago images

Bringt die Sommerzeit mehr Schaden oder mehr Nutzen? Der Disput entbrennt alljährlich neu. Schweizer Forscher fügen nun einen weiteren Aspekt zur Debatte über den energetischen Effekt der Zeitumstellung hinzu.

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Der Streit über Sinn oder Unsinn der Sommerzeit entbrennt ebenso regelmäßig wie vehement, wenn – wie am Wochenende wieder – die Uhren um eine Stunde verstellt werden. Eine Frage bleibt die den oft meinungsstark geführten Diskussionen allerdings meist unbeantwortet: Ob die Sommerzeit ihr ursprüngliches Ziel überhaupt erfüllt. Und das war, Energie zu sparen. Unter anderem, weil es weniger künstliches Licht braucht, wenn es abends länger hell bleibt. Soweit die Theorie.

Studien dazu lieferten bisher eher ernüchternde Ergebnisse. So ermittelte etwa das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) 2016 in einer Analyse mehrerer europäischer Studien europaweit nur einen maximal ein Prozent niedrigeren Stromverbrauch durch die Zeitumstellung. Modellrechnungen des TAB ergaben für Deutschland sogar nur einen Rückgang um 0,2 Prozent beim Gesamtstromverbrauch. Nur geringfügig höher fielen die Ergebnisse aus, die Forscher der Hochschule Ostwestfalen Lippe sowie der Universität Kassel ermittelten: Danach ermögliche die Zeitumstellung deutschlandweit knapp 0,8 Prozent Energieersparnis.

Nun aber hat sich ein Forschungsteam der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (EMPA) der Frage aus einem anderen Blickwinkel erneut angenommen. Konkret haben die Fachleute in einer Studie die Auswirkungen der Zeitumstellung für den Energiebedarf von Bürogebäuden ermittelt. Und das Ergebnis – kalkuliert für unterschiedlichen Szenarien der Klimaentwicklung bis 2050 – ist eindeutig.




Demnach führt die Zeitumstellung im Sommer zu einer Reduktion des für Heizen und Kühlen der Bürogebäude benötigten Energiebedarfs um durchschnittlich drei Prozent. Das klingt nach einer geringen Menge, ist aber schon deutlich mehr, als sich in vergangenen Untersuchungen am Beispiel für Privathaushalte zeigte.

Und auch absolut ist es eine durchaus beachtliche Menge. Schließlich entfallen etwa in der Bundesrepublik nach Berechnungen der Deutschen Energieagentur (Dena) immerhin knapp zehn Prozent des Gesamtenergieverbrauchs auf sogenannte Nichtwohngebäude, wie Bürobauten, Hotels oder Handelsbauten.

Wichtigster Treiber für die Einsparungen sei, so die Analyse, dass der Kühlbedarf der Gebäude deutlich sinke. Die Beschäftigten kämen während der wärmeren Jahreszeit eine Stunde früher in die vielfach klimatisierten Büros und verließen diese auch am Nachmittag früher wieder. Das erlaube es, die Klimasteuerung anzupassen und die Kühlung abzuschalten oder zumindest zu reduzieren.

Mehr heizen, weniger kühlen

Auf diese Weise lasse sich der Energiebedarf der Gebäude, der gerade in den späten Nachmittagsstunden besonders hoch sei, gegenüber einem Szenario ohne Sommerzeit um bis zu sechs Prozent senken, besagen die Erkenntnisse der EMPA-Fachleute. Zwar liege zugleich der Wärmebedarf am Morgen wegen des früheren Arbeitsbeginns im Mittel etwas höher, doch überwiege die Ersparnis beim Kühlen diesen Effekt deutlich.

Grundlage der Schweizer Berechnungen waren Daten zu Bürogebäuden aus 15 US-Großstädten in verschiedenen Klimaregionen des Landes, darunter New York, Seattle, Denver, Atlanta, Sandiego und Tampa. Aufgrund der für US-Bauten vorhandenen sehr detaillierten Datenmodelle, sei die Simulation des Energiebedarfs für unterschiedliche Nutzungs- und Klimaszenarien sehr gut möglich, sagt Sven Eggimann, Experte für städtische Energiesysteme bei der EMPA. „Dennoch lassen sich die US-Ergebnisse auf andere Länder, etwa in Europa, übertragen, selbst wenn sich die Bauten von Land zu Land etwas unterscheiden und die Ergebnisse je nach Region vielleicht etwas höher oder tiefer liegen.“

Eine wesentliche Erkenntnis der Berechnungen sei zudem, dass der Effekt über alle Regionen und trotz des Klimawandels erhalten bleibe, erläutert Eggimann. „Auch unter künftigen Klimabedingungen sind Einsparungen möglich.“ Für die heutigen Bedingungen ergäben die EMPA-Simulationen rund 3,3 Prozent Sparpotenzial bei thermischer Energie über alle untersuchten Gebäude. „Und auch für 2050 liegen die für verschiedene Klimaszenarien ermittelten Einsparungen noch bei rund drei Prozent.“

Dass ihre Berechnungen für Bürobauten nur einen Teil der gesamten Auswirkungen der Sommerzeit für den Energiebedarf eines Landes abdecken, ist auch den Schweizer Forschern bewusst. „Sicher haben Bürogebäude einen deutlich höheren Kühlbedarf als etwa Wohnhäuser“, räumt Eggimann ein. Daher seien die Einsparungen unterschiedlich. Die Analysen belegten aber dennoch deutlich, dass das Einsparpotenzial durch den Wechsel zur Sommerzeit weit über den Strombedarf etwa durch künstliche Beleuchtung hinausgehe. „In der Diskussion um die Abschaffung beziehungsweise die energetischen Effekte der Sommerzeit sollten wir also die Energiebilanz insgesamt betrachten und nicht bloß darauf schauen, ob und wieviel Strom sich bei künstlicher Beleuchtung sparen lässt.“

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In einer nicht repräsentativen Onlineumfrage der EU-Kommission, an der 2018 allerdings nicht einmal ein Prozent der EU-Bürger teilgenommen hatte, sprachen sich 84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer gegen die Zeitumstellung aus. Mit allein drei Millionen Antworten aus Deutschland hatten damals vor allem Bundesbürger überproportional häufig für eine dauerhafte Sommerzeit votiert. Trotz verschiedener Anläufe konnten sich die EU-Staaten, -Kommission und -Parlament allerdings seither nicht auf eine Neuregelung der Sommerzeit einigen.

Lesen Sie auch: Das EU-Parlament hat für eine Renovierungspflicht bei besonders energieineffizienten Gebäude votiert. Wer wäre davon betroffen?

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