Suezkanal-Krise „Wenn sich das Schiff in der Mitte verbiegt, wird es schwierig“

Die festgefahrene

Bergungsexperte Nicholas Sloane kommt immer wieder am Suezkanal zum Einsatz. Im Interview erzählt er, warum er nicht mit einem schnellen Flottmachen des festsitzenden Containerschiffes „Ever Given“ rechnet und Hubschrauber kaum helfen.

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Das havarierte Containerschiff „Ever Given“ konnte mittlerweile freigelegt werden. Hier lesen Sie mehr zu den aktuellen Geschehnissen.

Der in Sambia geborene Nicholas Sloane ist einer der erfahrensten Bergungsexperten für Schiffe weltweit. Er hat in Italien das gekenterte Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ wieder aufgerichtet und in den vergangenen zwölf Jahren drei festsitzende Containerschiffe im Suezkanal flott gemacht.

WirtschaftsWoche: Kapitän Sloane, wie schätzen Sie die Chancen ein, die „Ever Given“ möglichst zügig frei zu bekommen?
Nicholas Sloane: Das ist eines der größten Schiffe der Welt, vier Fußballfelder lang, ein Fußballfeld breit. Und es hat 15,5 Meter Tiefgang. Der Bug hat sich regelrecht durch das Flachwasser des Kanals Richtung Ufer gepflügt. Es hat dabei den Boden des Kanals aufgetürmt, ähnlich wie ein Lastwagen, der von der Straße abkommt und mit Karacho im Wüstensand landet. Jetzt liegen abertausende Tonnen Sand auf beiden Seiten des Bugs. Und auch um das Heck. Das ist keine gute Position für ein Schiff.

Wie bekommt man es da wieder raus?
Aus so einer Lage kann man es nicht einfach frei ziehen. Man macht ein 3D-Modell des Schiffs und vom Boden drum herum. Die Leute vor Ort brauchen Schwimmbagger, um dann den aufgetürmten Sand wegzuschaffen. Gleichzeitig müssen sie die Stabilität des Schiffes im Auge behalten, wenn sie Ballastwasser und Treibstoff abpumpen, damit es aufrecht bleibt und nicht kippt.

Nicholas Sloane Quelle: dpa Picture-Alliance

Und wenn das nichts bringt?
Der schlimmste Fall ist, wenn das alles nicht funktioniert und es einen großen Schaden gibt am Schiff. Dann muss man Fracht abladen. Und das in der Mitte des Kanals zu machen, ist eine echte Herausforderung. Es gibt nur wenige Häfen in der Welt, die solche Schiffe aufnehmen können und die Kräne dafür haben. Und die größten Hubschrauber der Welt können nur die leichteren Container abladen. Die schweren aber schaffen sie nicht.

Glauben Sie, dass das Schiff ein Totalschaden ist?
Im Moment würde ich sagen, es ist reparierbar. Es gibt vielleicht ein paar Schäden am Bug und wahrscheinlich auch am Heck an den Schrauben und dem Ruder. Das lässt sich reparieren. Wenn sich das Schiff in der Mitte verbiegt, wird es schwierig. Solche Ozeanriesen sind darauf ausgelegt, sich etwas zu verwinden. Aber sie sind nicht dafür gemacht, in so einer Position eine längere Zeit zu liegen. Je länger das Schiff so liegt, desto mehr Schaden wird es nehmen. Und irgendwann wird es schwer, es noch zu reparieren.

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Sie haben selbst Schiffe aus dem Suezkanal geborgen. War das ähnlich schwierig?
In den vergangenen zwölf Jahren haben wir drei Containerschiffe im Kanal wieder fit gemacht. Das größte, das sich festgefahren hatte, war aber nur halb so groß wie die „Ever Given“ – hatte nur etwas mehr als 9000 Container geladen. Aber das war schon nicht gerade einfach und hat eine Woche gedauert. Und es war eine Stelle im Kanal, da konnte man den Verkehr drum herum leiten. Das hier ist sehr viel schwieriger.

Mehr zum Thema: Wegen des Suezkanals wurden Kriege geführt und Schiffe als Geiseln genommen. Nun versperrt ein Schiff die Wasserstraße. Doch trotz der Probleme: Eine Alternative gibt es nicht, sagt der Konfliktforscher Johannes Peters.

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