Total-Europa-Chef „Es ist nicht unsere Aufgabe, eine bestimmte Energie zu pushen“

Benoit Luc ist seit 2012 Europachef des französischen Mineralölkonzerns Total Quelle: PR

Total-Europa-Chef Benoit Luc über die Chancen von Wasserstoff und Erdgas als Treibstoff, Bio-Raffinerien und was der Konzern bei Ladesäulen plant.

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Benoit Luc, der Europachef des französischen Mineralölkonzerns Total, sieht die Verantwortung, über den Treibstoff der Zukunft zu entscheiden, vor allem bei den Autobauern. Und glaubt nach wie vor an die Zukunft von Diesel und Erdgasantrieb.

Monsieur Luc, vor zehn Jahren hätte Ihre Industrie den Aufstieg batteriebetriebener Autos wohl noch stoppen können, wenn sie konsequent klimaneutrale Bio-Fuels vorangetrieben hätte. Warum haben Sie damals nicht gehandelt?
Benoit Luc: Damals gab es keine so strikte Regulierung wie heute, die die Autobauer zwingt, CO2 zu reduzieren. Die Emissionsrichtlinien waren sehr viel weniger streng und dafür hatten die Autohersteller ihre Lösung, sie hieß Diesel. Bei Diesel gibt es aber ein Paradoxon: Zwar verursacht der Kraftstoff weniger CO2-Emissionen als Benzin, hat dafür aber andere Nachteile. Die Autobauer haben viel investiert, um die Effizienz der Motoren zu verbessern und Vorrichtungen zu treffen, um die umweltverschmutzenden Partikelemissionen zu verringern. Das war damals der Trend.

Ja, auch die Autobranche hat die Chance verpasst, den Verbrennungsmotor zu retten. Aber die Ölindustrie war zu jener Zeit die reichste und mächtigste Branche der Welt. Sie hätte die Herstellung klimaneutralen Sprits genauso vorantreiben können.
Obwohl die Ölindustrie mächtig ist, ist sie nicht allmächtig! Nicht die Ölindustrie definiert die Bedürfnisse des Kunden. Und wir haben auch nicht die Absicht, eine bestimmte Energie zu pushen. Wir folgen da als Energieunternehmen den Trends, den die Autoindustrie für Mobilität vorgibt. Heute, zehn Jahre später, haben die Regulierer in der EU die CO2-Ziele so drastisch verschärft, dass den Autobauern kein anderer Weg bleibt, als auf E-Autos zu setzen. Wir haben uns an diese neue Nachfrage angepasst und gehen verstärkt ins Geschäft mit Ladesäulen für elektrische Fahrzeuge.

Das heißt, dass Sie einen wichtigen und sehr lukrativen Teil Ihres Geschäfts über kurz oder lang einbüßen werden?
Wir nutzen einen Multi-Energie-Ansatz, um den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden. Dabei glauben wir, dass für schwere Kraftfahrzeuge traditionelle Verbrennungsmotoren auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. Hier sehen wir zwei Treibstoffarten: Diesel, der dank effizienterer Motoren das Klima weniger belastet und der dank Adblue auch kein Stickoxid produziert. Und Erdgas. Hier erkennen wir zurzeit einen Trend, Lastwagen damit zu betreiben. Deshalb werden wir in den nächsten Monaten mehr und mehr Tankstellen für Lastwagen mit Gasantrieb ausstatten.

Beide Treibstoffe sind nicht CO2-neutral. Was tun Sie, um Ihre Klimabilanz zu verbessern?
Wir verarbeiten immer mehr Bio-Fuels. Wir bauen unsere traditionellen Raffinerien in Südfrankreich dafür in Bio-Raffinerien um. Ein anderes Beispiel: Weil man einem Treibstoff nicht mehr als sieben Prozent Biosprit hinzugeben kann, ohne die Motoren zu schädigen, arbeiten wir an sogenannten HVO-Treibstoffen. Das sind aus Biomasse hergestellte Kohlenwasserstoffe, die Benzin und Diesel sehr ähneln und zu 100 Prozent in Motoren verwendet werden können. 

von Andreas Menn, Thomas Stölzel, Angela Hennersdorf, Konrad Fischer

Zumindest Biosprit ist umstritten, weil er meist deutlich mehr Land und Wasser benötigt, als Sprit, der mittels Elektrolyse aus Ökostrom, Luft und Wasser hergestellt wird. Warum gehen Sie nicht diesen Weg?
Sprit mittels Elektrolyse herzustellen, ist nicht einfach. Wir glauben deshalb, dass der beste Weg zurzeit Biomasse ist. Allerdings gibt es ja einige Projekte in Deutschland, die mittels Elektrolyse Treibstoffe produzieren wollen. Diese Vorhaben sind interessant und wir beobachten sie sehr genau.

Führt man nach der Elektrolyse keinen Kohlenstoff zu, erhält man reinen Wasserstoff. Der lässt sich in einer Brennstoffzelle zu Strom machen, der wiederum ein E-Auto antreiben kann. Manch Autobauer und Autozulieferer sieht darin die Zukunft. Sie auch?
Wir werden uns auch hier an den Autobauern orientieren und wir sind ein wichtiger Akteur im H2-Mobility-Programm. Im Moment ist das aber alles noch experimentell. Es gibt heute so gut wie keine Autos mit Brennstoffzelle auf unseren Straßen. Zudem müssen wir feststellen, dass die Entwicklung deutlich langsamer voranschreitet, als wir erwartet hatten. Das liegt daran, dass die Autobauer sich gerade eher auf batteriebetriebene Fahrzeuge konzentrieren. 

Sie hatten bereits erwähnt, dass Sie ins Geschäft mit E-Auto-Ladesäulen einsteigen. Der Konkurrenzkampf hier wird voraussichtlich härter werden als bei Tankstellen, da neben Mineralölkonzernen auch Supermärkte, Mietkonzerne, Autobauer und Stromversorger einsteigen. Wie wollen Sie die Konkurrenz in Schach halten?
Zum einen sehen wir große Chancen im Geschäftskundenmarkt, vor allem bei Flottenbetreibern. Denen wollen wir eine Lösung bieten, bei der Mitarbeiter im Unternehmen und daheim ihr elektrisches Dienstauto via Total aufladen und das abrechnen können. Zum anderen wollen wir auch Privatkunden bedienen und statten dafür unsere Tankstellen mit Schnellladestationen aus. Und wir kooperieren mit Lokal- und Regionalregierungen, um Ladesäulen auch außerhalb der Tankstellen aufbauen zu dürfen.

Wie grün wird der Strom sein, den Sie dort anbieten?
In Frankreich bieten wir bereits Strom an, der garantiert per Wind-, Wasserkraft- oder Solaranlage erzeugt wurde.

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