Wirtschaft von oben #255 – Kohlekraftwerke in Bangladesch Kohleboom in Südasien – hier verdienen deutsche Firmen mit

Das Kohlekraftwerk Rampal, hier auf einer Aufnahme von Ende Januar 2024, liegt im Süden Bangladeschs. Quelle: LiveEO/Pleiades

Mit Krediten aus China und Indien zieht Bangladesch seine Stromversorgung hoch – und setzt dabei voll auf Kohlekraft. Viele internationale Unternehmen mischen mit, darunter auch deutsche, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. Ein Kraftwerk ist besonders umstritten. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Wenige Kilometer vom weltgrößten Mangrovenwald der Erde entfernt bläst das Kohlekraftwerk Rampal seine schmutzigen Abgase in die Luft. Kohletanker aus Übersee schippern flussaufwärts durch das Sumpfgebiet. 10.000 Tonnen verbrennt das Kraftwerk im Regelbetrieb täglich, 1320 Megawatt Leistung kann es erbringen. Die braucht Bangladesch – und zwar dringend. Mehr als die Hälfte der Landbevölkerung lebt in Energiearmut. Ein Einwohner Bangladeschs verbraucht gerade einmal ein Zwölftel so viel Strom wie ein Europäer.

Ökonomischen Studien zufolge hat Bangladesch großes Potenzial für erneuerbare Energien. Doch statt auf Wind und Sonne setzt das Land vor allem auf Gas, Öl – und zunehmend Kohle. Exklusive Satellitenbilder von LiveEO zeigen, wie in den vergangenen Jahren mehrere Kohlekraftwerke entstanden sind und ein für den Kohletransport wichtiger Hafen massiv ausgebaut wird.

Das bei Umweltschützern umstrittene Kraftwerk Rampal ist nur eines von vielen Bauten. Ermöglicht werden die Megaprojekte durch Kredite und Beteiligungen indischer und chinesischer Staatsfirmen. Aber auch deutsche Unternehmen mischen mit: Das Stuttgarter Ingenieurbüro Fichtner Group plante und organisierte den Bau von Rampal. Die Lübecker Containerreederei Oldendorff verantwortet den Transport von Kohle aus Indonesien hin zum Kraftwerk Payra.

Die Premierministerin Bangladeschs, Sheikh Hasina, rühmte sich mit dem Bau der neuen, „effizienten“ Kraftwerke. Doch lokale Nichtregierungsorganisationen, Umweltaktivisten und Wissenschaftler sprachen sich jahrelang gegen sie aus. Ökonomen warnen vor neuen Abhängigkeiten durch importierte Kohle. Umweltaktivisten fürchten um das Ökosystem des Unesco-Weltnaturerbes. Klimakrise, globale Kapitalströme und Geopolitik – die schmutzige Kohlestrategie des Landes ist ein Kaleidoskop für die großen Konflikte der heutigen Zeit.

Kredite aus Indien, Know-how aus Deutschland

Das Kohlekraftwerk Rampal in der südlichen Division Khulna ist eines der neuen fossilen Vorzeigeprojekte der Regierung. Es liegt wenige Kilometer nördlich riesiger Mangrovenwälder, genannt „Sundabarns“. Die Sundabarns gelten seit 1997 als Unesco-Weltnaturerbe. Sie bieten Bengaltigern, Ganges-Delfinen und vielen weiteren Tier- und Pflanzenarten Schutz.

Das Kraftwerk Rampal ist seit Ende 2022 in Betrieb. Bauherr und Betreiber ist die Bangladesh India Friendship Power Company (BIFPC). Zwei Milliarden US-Dollar kostete der Bau, 1,6 Milliarden davon finanziert durch indische Kredite.

Als Ingenieurberatung für die Konstruktion des Kraftwerks beauftragte die Regierung Bangladeschs die deutsche Fichtner Group. Auftragsvolumen: laut BIFPC-Jahresbericht.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/SPOT, LiveEO/Pleiades

Jahre zuvor hatten Demonstranten immer wieder erfolglos gegen den Bau protestiert. Selbst der norwegische Pensionsfonds zog sich aus dem Projekt zurück, weil es ihm nicht nachhaltig genug erschien. Rampal liegt 14 Kilometer von dem Unesco-Schutzgebiet entfernt, aber nur vier Kilometer von dem als „ökologisch kritisch“ eingestuften Gebiet. Umweltschützer und Wissenschaftler befürchten, dass das Kraftwerk die Luft- und Wasserqualität im Schutzgebiet beeinträchtigen könnte. Sie beklagen, dass sich die Regierung nicht ernsthaft mit den ökologischen Risiken des Kraftwerks auseinandergesetzt hat. Auch der ehemalige deutsche Botschafter in Bangladesch, Albrecht Conze, sprach sich in einem Interview gegen den Standort des Kraftwerks in der Nähe der Sundabarns aus.

Die Klimakrise und der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels bedrohen den Erhalt der Mangrovenwälder. Hinzu kommen illegale Abholzungen sowie Ölverschmutzung durch den nahe gelegenen Hafen Mongla. Die Sundabarns hingegen schützen Bangladesch vor den Auswirkungen des Klimawandels. Die Wälder bieten dem Binnenland einen natürlichen Schutzwall gegen die regelmäßigen tropischen Wirbelstürme, die immer wieder für schwere Verwüstungen sorgen und Menschenleben kosten.

Der Politikwissenschaftler Dieter Reinhardt hat sich im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung intensiv mit den Konflikten um Rampal auseinandergesetzt. Der Bau sei, so Reinhardt, angesichts des Klimawandels „ein Anachronismus im doppelten Sinne“. Zum einen, weil Bangladesch in fossile, statt erneuerbare Energien investiert. Zum anderen, weil das Kraftwerk den Mangrovenwald und damit den Küstenschutz gefährde.

Doch es gibt auch ökonomische Kritik an der Investition. Der Energie-Thinktank „Institute for Energy Economics and Financial Analysis“ (IEEFA) prognostizierte bereits 2016 überdurchschnittlich teuren Strom – und behielt recht: Vergangenes Jahr war der Strompreis aus Rampal doppelt so hoch wie angenommen. Das IEEFA beklagt außerdem die hohen Subventionen für die Anlage, die das Projekt unrentabel machten: mehr als drei Milliarden Dollar Subventionen und Steuervorteile.

Ein Aspekt wird von Umweltschützern besonders beklagt: der Kohletransport mitten durch die Mangrovenwälder. Große Transportschiffe schippern die Kohle aus Indonesien oder Indien über den Golf von Bengalen nach Bangladesch.

Eigene Kohlevorräte hätte Bangladesch zwar theoretisch, es gibt aber fast keine Minen, die in Betrieb sind. An einer Umladestation circa 50 Kilometer vor der Küste wird die Kohle auf kleinere Schiffe geladen. Diese fahren weitere 70 Kilometer weiter flussaufwärts entlang des Passur-Flusses bis zum Hafen Mongla, wo die Kohle verladen wird. Die Fahrrinne der Schiffe grenzt dabei auf einer Strecke von 25 Kilometern direkt an das Unesco-Weltnaturerbe-Gebiet der Sundabarns an. Kritiker befürchten, dass Kohle verschüttet und giftiger Kohlestaub im Naturschutzgebiet freigesetzt wird.

China finanziert den Kohle-Hafen in Bangladesch

Mitten in der „ökologisch kritischen Zone“ der Sundabarns liegt der Industriehafen Mongla, der zweitgrößte Hafen des Landes. Seit der Errichtung einer neuen Brücke ist er der nächstgelegene Hafen zur Hauptstadt Dhaka und daher zunehmend wichtiger für den internationalen Handel. Die Hafenarbeiter verladen hier neben Kohle auch Zement, Weizen, Jute, Kleidung, Autos und gefrorene Shrimps – jährlich 3,9 Millionen Tonnen Fracht und 25.000 Container.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/SPOT, LiveEO/Pleiades

Der Hafen besteht schon seit 1950, aber wird aktuell im großen Stil erweitert und modernisiert, wie die aktuellen Satellitenbilder zeigen. Eine Eisenbahnverbindung ist gerade noch im Bau. Die Mongla Port Authority will die strategische Position des Hafens für den internationalen Handel stärken. Bis 2027 sollen neue Containerterminals entstehen, mehr und zugleich tiefere Schiffe anlegen können. Dafür wird die Fahrrinne des Passur weiter ausgebaggert.

Kreditgeber für die Bauprojekte am Hafen Mongla sind China (350 Millionen Dollar) und Indien (400 Millionen Dollar). Die beiden regionalen Großmächte befinden sich schon länger in einem Wettkampf um Einfluss in der Region. Indische Thinktanks vermuten, dass China sich durch seine Investitionen den Zugriff auf eine wichtige Handelsroute hin zum Indischen Ozean sichern möchte. 

Die neue Kohlekraft ist jetzt schon aus der Zeit gefallen

Nahe der Sundabarns befinden sich zwei weitere neu-industrielle Hotspots. 25 Kilometer weiter östlich liegt das Kohlekraftwerk Taltoli, ebenfalls angrenzend an mehrere Naturschutzgebiete. Mit einer Leistung von 350 Megawatt ist es deutlich kleiner als das Kraftwerk Rampal.


Beide Kraftwerke eint, dass sie mithilfe eines Joint Ventures gebaut werden – nur ist es im Fall Taltoli nicht Indien, sondern der chinesische Staatskonzern „PowerChina“, dem mit 96 Prozent der Anteile fast das ganze Kraftwerk gehört. 2017 begannen die ersten Bauarbeiten, wie auf den Bildern zu sehen ist. Seit 2022 produziert eine der beiden Einheiten Kohleenergie. 1,36 Millionen Tonnen Kohle verbrennen hier pro Jahr bei voller Kapazität, entweder aus Australien oder Indonesien importiert. Eine zweite Einheit war bereits geplant. Doch dann wurde der Bau aufgeschoben. Grund dafür ist vermutlich, dass China 2021 verkündete, keine neuen Kohlekraftwerke mehr im Ausland zu bauen.

Einige Kilometer weiter östlich, 50 Kilometer von den Mangrovenwälder entfernt, entsteht ein ganzes Energiecluster. Satellitenbilder zeigen das Kohlekraftwerk Payra, das Ende 2020 in Betrieb genommen wurde. Das 1320-Megawatt-Kraftwerk kostete Bangladesch mindestens zwei Milliarden Dollar, 80 Prozent davon finanzierte die Export-Import-Bank von China.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Pleiades

Auch hier machen deutsche Unternehmen Geschäfte. Oldendorff, eine der größten Massengutreedereien weltweit, sorgt für den Import der Kohle aus Indonesien. 

Nur zwei Kilometer weiter nördlich entsteht ein weiteres Kohlekraftwerk in Payra, das weitere 1320 Megawatt bereitstellen soll. Seine erste Einheit soll im Sommer ans Netz gehen, die zweite im Herbst folgen. Ebenfalls mit deutscher Hilfe sollte in Payra einst auch ein LNG-Kraftwerk entstehen. Der Siemens-Konzern ging ein Joint Venture mit einem staatlichen Unternehmen Bangladeschs ein, um das vier Milliarden Dollar schwere Projekt in die Tat umzusetzen. Das war 2017. Seitdem die LNG-Preise getrieben durch den Ukrainekrieg in die Höhe schossen, ist die Zukunft des Projekts unklar.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/SPOT, LiveEO/Pleiades

Bangladesch fehlen die Devisen für Kohle-Importe

Klar ist jedoch: Die Energiesicherheit Bangladeschs liegt in fremden Händen. Das schon fertige Kraftwerk Payra wird von der Bangladesh-China Power Company betrieben. Für die Kohle zahlt die China National Machinery Import and Export Company (CMC), der 50 Prozent des Kohlekraftwerkes gehören. Die CMC treibt die Kosten dafür wieder von der Energiebehörde Bangladeschs ein. Als sich vergangenes Jahr die Zahlungen verzögerten, verhängte die CMC kurzerhand ein Verbot der Kohlelieferungen an das Kraftwerk Payra. Das Kraftwerk stand still.

Ein ähnliches Schicksal ereilte auch das Kraftwerk Rampal, das den ganzen Januar 2023 und 23 Tage im April nicht im Betrieb war. Es gab schlicht keine Kohle zu verbrennen, weil Bangladesch keine Devisen hatte, um auf dem Weltmarkt Kohle aus Indonesien kaufen zu können. Der Energie-Thinktank IEEFA kritisierte bereits vor dem Bau beider Kraftwerke die Abhängigkeit vom Weltmarkt, ebenso viele nationale Medien.

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Die Regierung Bangladeschs scheint mittlerweile auch Zweifel an der eigenen Strategie zu hegen. 2016 kündigte sie 20 neue Kohlekraftwerke an. Nun sollen es weniger als die Hälfte werden.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Kraftwerke Rampal und Payra hätten eine Leistung von 1320 Kilowatt. Tatsächlich handelt es sich jedoch um 1320 Megawatt. Wir haben diesen Fehler korrigiert.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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