Die Autoindustrie will sich also strenger kontrollieren lassen? Wie glaubwürdig ist das?
Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Es hat Tests auf der Straße gegeben, die gezeigt haben, dass einige Modelle sogar bessere Verbrauchswerte aufweisen als im Labor. Es geht uns darum, dass Testverfahren entwickelt werden, die für alle gleichermaßen gelten und den Kunden nachvollziehbare und realitätsnähere Werte liefern. Die Automobilindustrie hat den derzeitig gültigen NEFZ-Normzyklus übrigens nicht selbst entwickelt. Das ist eine gesetzliche EU-Vorgabe – und die gilt für alle, die neue Autos in der EU auf den Markt bringen.
Müssen die Hersteller jetzt beim E-Auto Tempo machen, weil es die einzige wirkliche Antwort auf die Emissionsprobleme ist?
Es ist eine Legende, dass die deutsche Autoindustrie ausschließlich auf den Verbrenner orientiert ist. Die Unternehmen investieren jedes Jahr 34 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Das entspricht einem Drittel der Forschungsausgaben der gesamten Industrie in Deutschland. Vor fünf Jahren lagen deutsche Hersteller in punkto Elektroantrieb noch auf den hinteren Plätzen. Die Schwächen beim E-Antrieb sind aber längst ausgebügelt. Bis Jahresende gibt es allein von den deutschen Herstellern 29 Elektroautos – rein batterie-elektrische, Plug-in-Hybride oder Wasserstoff- und Brennstoffzellenautos – auf der Straße. Die deutsche Automobilindustrie ist hier führend und dafür bereits 17 Milliarden Euro in jüngster Zeit investiert.
Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen
Noch sind die reinen E-Autos deutlich teurer als ihre Benzin-Pendants. Ein Beispiel: Der E-Golf von Volkswagen ist ab 35 000 Euro zu haben. Ein Golf mit vergleichbarer Ausstattung kostet nur 24 150 Euro. Doch das könnte sich ändern. Laut Berechnungen des Ingenieurbüros P3 sind Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar im Vorteil. Dabei werden neue Batterien zu Grunde gelegt, die einen höheren Nickelanteil vorweisen.
Die Batterietechnologie, die für den Preis verantwortlich ist, ist auch der Grund für einen weiteren Knackpunkt: Für den E-Golf gibt Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern an. Für eine Fahrt in den Urlaub dürfte das kaum reichen, zumal die Zahl der Ladepunkte in Deutschland im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen noch klein ist. Auch das dürfte sich aber mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Vor allem auf dem Land kann die geringe Reichweite zum Problem werden. Deutschland liegt laut der Nationalen Plattform Elektromobilität mit 4800 Ladepunkten an 2400 Standorten im internationalen Mittelfeld. Nach dem Willen der EU Kommission sollen bis 2020 in Deutschland 150 000 öffentlich zugängliche Ladestationen entstehen. Zum Vergleich: Laut ADAC lag die Zahl der herkömmlichen Tankstellen 2013 bei 14 328.
Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich schon lange offen für eine Förderung von E-Autos aus. Das müssen nicht unbedingt finanzielle Anreize sein: Der Bundestag erlaubte jüngst Städten und Gemeinden, kostenlose Parkplätze für E-Autos zu reservieren und ihnen die Nutzung von Busspuren zu erlauben. Ob das ausreicht, zweifelt unter anderem VDA-Präsident Matthias Wissmann an. Er fordert finanzielle Impulse - wie zum Beispiel Sonderabschreibungsregeln für Firmenwagen. In anderen Ländern wie den USA, China oder Frankreich bekommen Käufer Cash vom Staat beim Kauf eines E-Autos.
Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rollten Ende 2014 knapp 19 000 reine E-Autos auf deutschen Straßen. Die Zahl der sogenannten Plug-In-Hybride, die die Bundesregierung zu den E-Autos zählt und die sowohl an der klassischen Tankstelle als auch an der Steckdose betankt werden, lag bei 108 000. Insgesamt waren 44,4 Millionen Pkw in Deutschland unterwegs. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million elektrisch betriebenen E-Autos bis 2020 liegt damit noch in weiter Ferne. An der Auswahl kann es nicht liegen: Im vergangenen Jahr kamen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) 17 neue Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. 2015 sollen noch einmal zwölf weitere hinzukommen. Selbst der elektroskeptische Porsche-Chef plant offenbar mit einem E-Auto: Zuletzt schloss Müller nicht mehr aus, dass das bis Ende des Jahrzehnts geplante nächste Porsche-Modell rein elektrisch betrieben wird.
Es gibt kein „entweder Verbrenner oder Elektromotor“. Die deutschen Automobilhersteller investieren seit Jahren in mehrere Bereiche: in die Optimierung der Benziner- und Dieseltechnik, in alternative Antriebe wie Elektro und Brennstoffzelle und in die Digitalisierung der Mobilität. Das vernetzte und automatisierte Fahren ist ja das zweite große Zukunftsthema, wie die IAA gezeigt hat.
In allen Bereichen haben die deutschen Hersteller heute eine Spitzenposition inne.
Die Kosten für die Batterietechnik sinken stetig und liegen heute deutlich niedriger als prognostiziert. Brauchen die Hersteller wirklich noch Kaufanreize für Elektroautos?
Die weitere Reduzierung der Produktionskosten von Elektroautos ist ein strategisches Ziel der deutschen Automobilindustrie. Daran arbeiten Hersteller und Zulieferer intensiv. In den nächsten zwei bis drei Jahren liegen die Kosten aber noch über denen der Verbrennungsmotoren. Wir schlagen zeitlich begrenzte Anreize vor, sprich: ein Drei-Jahres-Programm mit Abschreibungsvorteilen. Auch andere steuerliche Impulse, etwa bei den Betriebskosten oder der Einkommensteuer, wären möglich. Nur so kann sich Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität entwickeln.
Hinter vorgehaltener Hand kritisieren Vorstände von Auto-Konzernen das Krisenmanagement des VDA. Die Konzerne fühlten sich „alleine gelassen“. Ist die Kritik berechtigt?
Wir stehen als deutsche Automobilindustrie völlig geschlossen da. Glauben Sie nicht irgendwelchen Gerüchten.