Als Konsequenz aus dem VW-Skandal kommen nun auch versprochene Abgas-Nachbesserungen für bis zu 630.000 Autos deutscher Hersteller in Gang. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat als erstes die Umrüstung des Geländewagens Macan von Porsche freigegeben, wie das Bundesverkehrsministerium am Montag in Berlin mitteilte.
Betroffen sind demnach 10.500 schon zugelassene Diesel-Fahrzeuge. Mit dem Nachjustieren soll die Abgasreinigung dieser Autos bereits ab fünf Grad Celsius Außentemperatur in vollem Umfang arbeiten – und nicht wie bisher erst über 17 Grad. Dies soll auch bei allen Modellen des Typs greifen, die künftig zugelassen werden.
Die Umrüstung des Macan, die nun anlaufen kann, ist der erste Schritt eines „freiwilligen“ Rückrufs, den Minister Alexander Dobrindt (CSU) im April angekündigt hatte. Hintergrund sind Nachmessungen des KBA im Zuge des VW-Skandals. Dabei ergaben sich bei 22 von 53 getesteten Wagen verschiedener Hersteller Zweifel, ob ein Herunterregeln der Abgasreinigung bei niedrigeren Temperaturen mit dem Schutz des Motors zu begründen ist. Die betroffenen deutschen Hersteller sagten für 630.000 Fahrzeuge Nachbesserungen im Rahmen von „Serviceaktionen“ zu.
Fünf Gründe für die häufigen Rückrufe
Die technische Komplexität der Fahrzeuge ist in den letzten 10 bis 15 Jahren enorm gestiegen, wodurch die Fahrzeuge zwar grundsätzlich sicherer geworden sind. Allerdings führte die technische Komplexität auch zu einem Anstieg der Fehlerhäufigkeit und Fehleranfälligkeit. Hierzu tragen unter anderem passive und aktive Sicherheitssysteme (wie ABS, ESP, Airbags; Fahrassistenzsysteme) bei, die gleichzeitig die Fahrzeugsicherheit deutlich erhöht haben. Darüber hinaus sind motortechnische Optimierungen (Start/Stopp-Systeme, Aufladung etc.) sowie zahlreiche Komfortmerkmale wie etwa Navigations-, Telefon und Internetdienste im Fahrzeuge zu nennen. Es ist zu erwarten, dass im Zuge der Entwicklung weiterer Komfort- und Sicherheitsfeatures auch künftig der Komplexitätsgrad der Fahrzeuge zunimmt.
Quelle: "Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2014 (AutomotivePeformance 2015)" des Center of Automotive Management
Die Produktentwicklungszyklen wurden in den vergangenen zehn Jahren deutlich verkürzt. Aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität der Branche bringen die globalen Hersteller in immer kürzerer Zeit neue Modelle bzw. Derivate in Umlauf und verbreitern damit ihr Produktportfolio kontinuierlich. Wer es schafft, mit neuen Modellen beziehungsweise Modellvarianten schnell am Markt zu sein, hat im globalen Wettbewerb Vorteile. Der hohe Zeitdruck in der Produktentwicklung wirkt sich negativ auf
die Qualitätssicherung aus.
Um Kosten-, Zeit- und Innovationsvorteile zu realisieren, wurden erhebliche Teile der Wertschöpfung auf die Automobilzulieferer übertragen. Ihr Wertschöpfungsanteil ist mittlerweile auf rund 75 Prozent gestiegen. Gleichzeitig steigen mit dieser Verlagerung die Anforderungen an unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement, das darüber hinaus auf globaler Ebene sichergestellt werden muss. Es muss einerseits nicht nur die eigene Produktqualität, sondern auch durch geeignete Prozesse die Teilequalität der globalen Lieferanten gesichert werden. Andererseits steigt die Komplexität eines Qualitätsmanagement auch dadurch, dass die Automobilhersteller nicht nur die zugelieferten Teile, sondern meist auch die Qualität der international verteilten Produktionsanlagen ihrer Zulieferer einschätzen und durch Prozesse absichern müssen.
Die Automobilhersteller stehen aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität auch unter enormen Kostendruck. Gleichzeitig geben die Hersteller den Kostendruck an die Automobilzulieferer weiter, die dazu angehalten sind, ihre eigene Kosten beziehungsweise die ihrer Teile- und Rohstofflieferanten zu drücken. Hier besteht die Gefahr, dass der Kostendruck auf zu Ungunsten der Produktqualität geht.
Um Kosten zu sparen und die Entwicklungsgeschwindigkeit zu erhöhen, müssen die Hersteller zunehmend auf Gleichteile- oder Baukastenstrategien setzen. Hierbei nutzen die OEM die gleichen Komponenten und Module in möglichst vielen Modellen, um von den hiermit verbundenen Mengeneffekten zu profitieren. So plant BMW etwa die Zahl der hergestellten Fahrzeuge je Plattform bis zum Jahr 2019 etwa zu verdoppeln, Volkswagen (durch die Einführung des MQB) diese sogar fast zu verdreifachen. Diese Strategie entwickelt sich zu einem wichtigen Erfolgs- und Überlebensfaktor der Hersteller, da sich aus ihr erhebliche Kostenvorteile ergeben können. Gleichzeitig steigt jedoch das Risiko, dass bei Qualitätsproblemen einzelner Teile oder Komponenten eine große Menge von Fahrzeugen über Baureihen hinweg zurückgerufen werden müssen.
Bei den Macan mit 3,0-Liter-Motor soll die Abgasreinigung mit Hilfe eines Software-Updates umgestellt werden, wie ein Sprecher sagte. Sobald die Bestätigung der Behörde da sei, würden die Kunden informiert. In der neuen Modellgeneration werde dieses Update schon ab Werk geliefert. Ursprünglich wollte Porsche den Rückruf schon Ende Mai starten, musste aber noch auf die Freigabe warten. Auf die Frage, warum die Abgasreinigung nun doch ab fünf Grad wirken kann, sagte der Sprecher, man arbeite ständig an der Optimierung der Fahrzeuge.
Bei der VW-Tochter Audi erstreckt sich die „freiwillige Serviceaktion“ auf etwa 60.000 Audi-Modelle in Europa, wie ein Sprecher sagte. „Bei allen Modellen wird die Abgasregelung bei niedrigeren Außentemperaturen geändert.“
Unabhängig von diesem „freiwilligen“ Rückruf hat das KBA den Volkswagen-Konzern im Abgasskandal zu einem schon laufenden Rückruf von insgesamt rund 2,4 Millionen Diesel-Fahrzeugen verpflichtet. Dabei muss eine verbotene Software entfernt werden, die Abgaswerte manipuliert.
Die geänderten Einstellungen beim Porsche Macan sollen laut dem Ministerium dazu führen, dass die betroffenen Fahrzeuge jährlich rund 32 Tonnen Stickoxid weniger ausstoßen.