
Der Vorstand von Volkswagen will nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur freiwillig auf einen Teil der umstrittenen Bonuszahlungen verzichten. Darüber wolle die VW-Spitze am Dienstag beraten, hieß es aus Konzernkreisen. Ein entsprechender Vorschlag liege auf dem Tisch, Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Ein VW-Sprecher in Wolfsburg wollte sich zum Thema nicht äußern.
Mit dem Vorliegen eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses könnte die VW-Aufsichtsratsspitze anschließend den Segen der Kontrolleure erteilen. Das sechsköpfige Gremium, das sogenannte Präsidium, kann sich für solche Einzelfragen auch per Telefon- oder Videokonferenz zusammenschalten. Ob eine solche Besprechung zeitnah - womöglich noch am Dienstag - ansteht, blieb zunächst unklar.
Zuletzt hatte sich auch Ex-Konzernchef Martin Winterkorn in die Debatte eingemischt. Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Winterkorns Umfeld berichtet, sei der Manager zu einem Teilverzicht bereit. Was immer der Aufsichtsrat entscheide, werde er mittragen, hieß es. Winterkorn stehen immer noch Bonuszahlungen zu – zum einen, weil sein Vertrag noch bis Jahresende läuft, zum anderen wegen eines komplizierten Ausschüttungssystems bei Volkswagen, das auch den wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahre berücksichtigt.
Am Montag hatte die Spitze des VW-Aufsichtsrats über die Frage eines symbolträchtigen Boni-Verzicht für den Vorstand beraten. Für gewöhnlich sind diese Präsidiumssitzungen vertraulich. Eine der Argumentationslinien ist bekannt: Jörg Hofmann, Vize-Chef des Präsidiums und Chef der IG Metall, sagt: Zwar brächten allein die Folgen des milliardenteuren Abgas-Debakels schon eine „signifikante Reduzierung“ der Boni. Aber man müsse die Angemessenheit diskutieren.
Zwischen Raffgier und Neiddebatte
Neben dem, was vertraglich zugesichert ist, gehe es also auch um Instinkt, um ein Gespür für die Außenwirkung. Die ist auch wegen der für VW drohenden Strafen vor allem in den USA ein Politikum.
Ohnehin ist kaum ein Thema gesellschaftlich so aufgeladen wie das der Vorstandsboni. Die Urteile schwanken zwischen den Polen „schamlose Raffgier“ und „kleingeistige Neiddebatte“. Der zurückgetretene VW-Chef Martin Winterkorn verdiente zuletzt pro Jahr inklusive seiner Arbeit beim Großaktionär Porsche-Holding fast 17 Millionen Euro. Pro Tag sind das etwa 46 000 Euro, rechnerisch brauchte er keine zwei Stunden für den Monatsverdienst eines VW-Bandarbeiters.
Was bei Volkswagen im April wichtig wird
VW ist seit Monaten auf der Suche nach einer technischen Umbaulösung für die manipulierten Dieselautos in den USA, die die US-Umweltbehörde EPA zufriedenstellt. Teil einer Einigung werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Rückkäufe. Die Frage ist: Wie viele der 580.000 manipulierten US-Diesel muss der Konzern zurücknehmen?
Müller sagte Anfang des Jahres in Detroit, der Rückkauf von 100.000 Autos wäre eine denkbare Option – es ist aber nicht ausgeschlossen, dass VW alle betroffenen Diesel in den USA zurückkaufen muss, weil es keine technische Lösung gibt, um die Abgasvorgaben einzuhalten. Setzt man in diesem Szenario zum Beispiel einen durchschnittlichen Wert von 20.000 Dollar an, ergäben sich Kosten von 11,6 Milliarden Dollar.
Die nächste hohe Zahlung droht VW durch eine Zivilklage, die das US-Justizministerium einreichte. Hier wäre eine Maximalstrafe von 45 Milliarden Dollar möglich – plus eine Summe, die das Gericht festlegt. In dieser Klage wird wohl auch die anfänglich genannte Maximalstrafe von 18 Milliarden Dollar aufgehen. Beides sind theoretische Werte, es gibt keine verlässlichen Schätzungen für die tatsächlichen Kosten. VW dürfte einen Vergleich anstreben.
Beim US-Bezirksrichter Breyer sind die Milliardenklage und auch alle anderen US-Zivilklagen von der Finanzaufsicht FTC, Bundesstaaten, VW-Besitzern und Autohäusern gebündelt. Er ist deshalb ein sehr wichtiger Mann in der Frage, wie teuer der Abgas-Skandal für VW wird. Breyer hat dem Konzern und den Behörden ein Ultimatum bis zum 21. April gesetzt, eine Lösung für die manipulierten Dieselautos zu finden. Ansonsten will er bereits im Sommer mit dem Prozess beginnen.
Spätestens bis zur Bilanz-Pressekonferenz am 28. April sollte VW Klarheit haben, wie viel Geld für drohende Strafen zurückgelegt werden muss. Davon hängt wiederum indirekt ab, wie hart die Wolfsburger sparen müssen und wie viele Stellen dies womöglich kostet. Auch die Dividende für Großaktionäre wie die Porsche SE, den Staatsfonds aus Katar und das Land Niedersachsen ist in Gefahr.
Anleger dürften diesmal neben Umsatz und Gewinn vor allem die Kapitalstärke im Auge haben. Wie viel Bargeld hat der Konzern, wie viel Cash fließt aus dem laufenden Geschäft nach Wolfsburg? Bei der Netto-Liquidität – also dem Bargeldbestand abzüglich Schulden – gelten 20 Milliarden Euro bei VW als magische Grenze, die nicht unterschritten werden sollte. Ansonsten könnte das Folgen für die Kreditwürdigkeit haben. Geld zu leihen, wäre für VW dann noch teurer.
Im April soll der Zwischenbericht zu den internen Ermittlungen im Abgas-Skandal vorgestellt werden. Die Kanzlei Jones Day hat bei VW Schriftstücke, Mails und Telefondaten ausgewertet sowie Mitarbeiter verhört. Die Frage, wer von den Manipulationen wusste, ist auch entscheidend für die Klagen gegen VW und für strafrechtliche Ermittlungen gegen Einzelpersonen.
Wenn die Ermittler keine Verantwortlichen auf der Ebene des Konzernvorstands finden, wäre das gut für VW. Andernfalls wäre es mit Blick auf alle möglichen Zivilklagen sehr ungünstig, weil das Handeln des Vorstands von Gerichten oft als Handeln des Unternehmens ausgelegt wird – und dann kann es teuer werden.
Die Klagen von Anlegern, die ihre Aktienkursverluste von VW ersetzt haben wollen, liegen beim Landgericht Braunschweig. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird bald eine Musterklage zugelassen, deren Urteil auf andere Fälle übertragen werden könnte. Anfang April lagen dem Landgericht zufolge über 80 einzelne Klagen vor.
Und nun sollen diese Millionen-Prämien schrumpfen. Stephan Weil, VW-Präsidiumsmitglied und niedersächsischer SPD-Regierungschef, sagte am Montag: „Die Vorstandsboni sind Gegenstand laufender Diskussionen in den VW-Gremien, deren Ergebnis kann und möchte ich nicht vorweggreifen.“ Er hatte zuvor erklären lassen, sein Land habe als VW-Großeigner bei den Boni ein großes „Problembewusstsein“.
Immerhin haben seit dem Ausbruch der Diesel-Krise schon mehr als 1000 Leiharbeiter keine Perspektive mehr im VW-Konzern. Gut 3000 Stellen sollen zudem bis Ende 2017 in der Stammbelegschaft wegfallen - sozial verträglich über Altersteilzeit oder das Zuweisen neuer Aufgaben.