Automobil-Industrie Finanzkrise beutelt Vorzeigemarken Daimler und BMW

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Anpassung: Die globalen Märkte verlangen nach eigenen Fahrzeugen, so wie in China mit einer extralangen Spezial-Version des Audi A6

Was Premium ist und einen entsprechenden Preisaufschlag rechtfertigt, lässt sich auch für die Mittelklasse zunehmend schwerer beantworten. Der Mercedes C-Klasse etwa ist es in jüngerer Zeit kaum gelungen, Vergleichstests einschlägiger Automagazine gegen Konkurrenten zu gewinnen. Zu sehr hat die zum Teil deutlich preiswertere Konkurrenz aufgeschlossen, als dass die Tester den Mehrpreis noch als gerechtfertigt ansahen.

Auch der Vorsprung des edlen Duos beim Thema High Tech gerät unter Druck. Ein spritsparendes Doppelkupplungsgetriebe etwa, wie es Volkswagen bereits im Golf anbietet und schon millionenfach verkauft hat, gibt es bei BMW erst seit Kurzem in ausgewählten Modellen und bei Mercedes noch gar nicht. Wer heute einen Golf bestellt, der kann den mit einem 3-D-Navigationssystem mit Touchscreen und einem per Knopfdruck in der Härte verstellbaren Fahrwerk bestücken. Der beim 5er-BMW oder im E-Klasse-Mercedes noch offenkundige Premium-Vorsprung will sich in der Jedermann-Klasse kaum noch erschließen.

Für Global-Insight-Experte Stürmer liegt das Problem von Daimler und BMW auch hier wieder in der zu kleinen Zahl von Autos, auf die sich Entwicklungskosten für Komponenten und Module verteilen lassen: „Wir beobachten seit Jahren, dass die Preise, die an den Autos kleben, mit dem, was der Kunde sich noch leisten möchte, nichts mehr zu tun haben“, sagt Stürmer, „die Premium-Hersteller können die Preisschraube nicht ungestraft weiter anziehen, um ihre Mehrkosten an die Kunden durchzureichen.“

Stärker mit echtem Kundennutzen befassen

Ein Ausweg wäre, die Zulieferer noch stärker als bisher zur indirekten Kostenteilung einzusetzen. „Warum sollten nicht große Zulieferer wie der Kolbenhersteller Mahle künftig auch ganze Basismotoren an BMW und Mercedes liefern, die sie dann nach ihren Vorgaben spezifizieren können“, wundert sich Stürmer. „Die Megalieferanten wie Continental/Schaeffler oder Bosch könnten sich hier als Problemlöser aufstellen.“

Oliver-Wyman-Experte Joas drängt die Premium-Marken, sich stärker mit echtem Kundennutzen zu befassen: „Eine gut gemachte iPod- oder Blackberry-Schnittstelle im Auto ist heute viel wichtiger als die allerletzte High-Tech-Innovation, mit der der Kunde nicht viel anfangen kann.“ Umgekehrt gebe es heute viele Standards, die niemand mehr brauche: „Welcher Kunde verlangt denn heute noch ein abschließbares Handschuhfach?“

Auch beim Thema Kundenbetreuung und Vertrieb sehen die Experten noch erhebliche Defizite. „Im Vertrieb und beim Kundenservice haben die Premium-Marken wirklich die Chance, ihren Kunden eine viel bessere und individuellere Betreuung zu bieten als das die Volumenhersteller leisten können“, sagt Joas. Gleichzeitig müssten die Hersteller lernen, für unterschiedlich teure und margenstarke Produkte unterschiedliche Vertriebskanäle zu nutzen. Kleinwagen etwa müssten zukünftig viel stärker über Kanäle wie das Internet verkauft werden, um die Vertriebskosten niedrig zu halten.

Möglicherweise steht am Ende des laufenden Selbstfindungsprozesses bei den beiden hellen Sternen am deutschen Autohimmel aber auch etwas ganz anderes: der große Schulterschluss von BMW und Daimler, zum Beispiel mit einer Überkreuzbeteiligung. Schon wird in der Branche über das jahrzehntelang undenkbare Tabu spekuliert: Falls die Milliardärsfamilie Quandt als BMW-Großaktionär derzeit nach sinnvollen Investitionsmöglichkeiten sucht – in Stuttgart-Untertürkheim könnte sie fündig werden. Günstiger als heute wäre ein Einstieg bei Daimler vielleicht nie wieder: 25 Prozent am Stern-Konzern gab es am Mittwoch für knapp sechs Milliarden Euro.

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