Banken-Drama in Italien Sind das wirklich Europas gefährlichste Banken?

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Viele riskante Banken

Die Sieneser Bank ist aber nur die Spitze des Eisbergs der italienischen Banken.

Das schwache Wirtschaftswachstum hat viele italienische Geldhäuser geschwächt. Anders als viele Krisenbanken anderer Länder haben sich Italiens Geldhäuser nicht so sehr mit fragwürdigen Produkten verzockt. Stattdessen hängt ihr Schicksal überdurchschnittlich häufig am Zustand der mittelständischen Wirtschaft. Geht es der schlecht, drohen unverhältnismäßig viele Kredite in den Bankbilanzen auszufallen. 20 Prozent der Kredite sollen notleidend sein. Das entspricht 360 Milliarden Euro. Tendenziell steigt der Anteil, je kleiner die Bank ist.

Die Lösung des Problems ist auch deswegen politisch heikel, weil überproportional viele Italiener mit den Banken verwoben sind. Entgegen der Regularien, wonach nur institutionelle Anleger Wandelanleihen von Banken kaufen sollten, engagierten sich in den vergangenen Jahren massiv Kleinsparer in dem Segment. Aus vielen Volks- und Regionalbanken ist der Kniff bekannt: Kredit bekam nur, wer gleichzeitig mit einem Teil des Geldes die Wandelobligationen kaufte oder Anteile. Für 200 Milliarden sind solche Obligationen verkauft worden, 31 Milliarden als nachrangige Anleihen. Den Großteil davon halten Privatanleger. Lässt man die Banken insolvent gehen, ist dieses Geld als erstes weg.

Bei der Veneto Banca und der Volksbank von Vicenza mussten Gläubiger schon Geld lassen, als Renzi streng nach europäischen Regeln die privaten Gläubiger zur Kasse bat. Es war der Moment, als die Stimmung in Italien zum ersten Mal gegen ihn schlug. Was ist ein Staat wert, der seinen Bürgern Geld bei der Bank nicht garantieren kann?

Hinzu kommt, dass nach Schätzungen aus Rom 30 Prozent der Anteile italienischer Banken im Besitz von Stiftungen sind, die damit das gesellschaftliche Leben vor Ort finanzieren. Kippt die Bank, kippt die Stiftung - und es leidet die Bevölkerung vor Ort.

Das zeigt sich jetzt schon im Toskana-Städtchen Siena. Dort verlor die Fondazione Monte dei Paschi di Siena wegen der Krise der gleichnamigen Bank in den vergangenen fünf Jahren sechs Milliarden Euro. Statt jährlich 150 Millionen Euro schütten sie dieses Jahr noch 2,5 Millionen Euro für Projekte in der Stadt aus. Der Rest der Bürger geht leer aus - und ist wütend.

Systemisches Risiko

Auch das systemische Risiko ist nicht zu unterschätzen: Rund ein Drittel der Anleihen italienischer Banken liegt bei anderen Banken. Die aber würde in Mitleidenschaft gezogen, sollte eine italienische Bank kippen – und das in einer Zeit, in der kaum eine europäische Bank die Kraft hat, allein mit den eigenen Problemen fertig zu werden. 

In einem Palazzo unweit des Mailänder Doms sitzt ein Mann, der wie wenige das moderne Italien nach weltläufiger Wunschvorstellung darstellt, in einem sehr antiken Saal auf einem sehr modernen Sofa. Carlo Messina ist Vorstandschef der zweitgrößten italienischen Bank Intesa Sanpaolo, und ein Mann, der in mehrerer Hinsicht überrascht. Da wäre zum einen, dass er seit einigen Jahren recht beeindruckend zeigt, dass sich unter bestimmten Umständen auch in Italien eine Bank gut führen lässt. Intesa Sanpaolo jedenfalls gilt als einzige italienische Großbank, in die man sein Geld anlegen könnte. Beim letzten Stresstest der Europäischen Zentralbank etwa schnitt sie besser ab als alle deutschen Banken. Messina lässt das im Gespräch nur noch mal zur Sicherheit fallen, falls man es vergessen haben sollte.

So haben deutsche Banken beim Stresstest 2016 abgeschnitten

Als er in Mailand anfing, glich seine Bank dem Land: mühsam aus zwei Teilen, einem Mailänder und einem Turiner, zusammengefügt. Ohne klares Geschäftsmodell, das eigene Geld hatte man wohl auch nicht immer ganz sinnvoll verwendet. Heute ist daraus eine florierende Bank geworden, die ihr Geschäftsmodell geändert und etwa ein wachsendes Geschäft im Bereich der privaten Vermögensverwaltung betreibt und gut dasteht. „Wir haben“, sagt Messina, „aus einem Zins-Margen-Geschäft ein Gebührengeschäft machen.“

Mit einer klassischen Bank hat das eher am Rande zu tun, dafür gilt es als zukunftsträchtig. Messina hat im Kleinen geschafft, was Italien im Großen bevorsteht. Er hat sich und seine Bank neu erfunden.

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