Mit der Unterschrift des damaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson unter den „Federal Reserve Act“ am 23. Dezember 1913 wurde das Zentralbanken-System der USA aus der Taufe gehoben. Gegründet wurde die Fed als Reaktion auf die Bankenpanik von 1907 zur Vermeidung weiterer Finanzkrisen und zum Schutz des Dollars. Das ging in der Rückschau weitestgehend schief. Gemessen am Dollar von 1913 ist der Greenback heute nur noch fünf Cent wert. Der Fed wird eine Mitschuld angelastet für den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929, den Börsencrash von 1987, die Aktienmarktblase zur Jahrtausendwende und die weltweite Finanzkrise von 2008. Präsident Wilson hatte damals seinen Fehler erkannt, leider zu spät: „Unwissentlich habe ich mein Land ruiniert. Eine große Industrienation wird kontrolliert von ihrem Kreditsystem. Dieses System ist hochkonzentriert. Das Wachstum der Nation und alle unsere Aktivitäten befinden sich ob den Händen einiger weniger Menschen. Wir haben uns zu einer der am schlechtesten geführten, am meisten überwachten und beherrschten Regierungen der zivilisierten Welt entwickelt.“ Diese Einsicht hat nichts an Aktualität eingebüßt.
100 Jahre nach Gründung der Fed ist die Konzentration im US-Bankensystem weit fortgeschritten. Seit 1985 sind mehr als 10.000 Banken verschwunden, allein mehr als 1.400 in den vergangenen fünf Jahren. Aktuell gibt es in den USA noch 6.891 Banken. Das ist weniger als während der Großen Depression. Die marktbeherrschende Stellung einiger weniger Banken begünstigt Kartellabsprachen und gefährdet die Wirtschaft. Fast 70 Prozent aller bilanziellen Vermögenswerte des amerikanischen Bankensystems werden gehalten von nur zwölf Großbanken. Allein in den letzten fünf Jahren sind die Vermögenswerte der sechs größten US-Banken JP Morgan Chase, Bank of America, Citigroup, Wells Fargo, Goldman Sachs und Morgan Stanley im Durchschnitt um 37 Prozent gewachsen.
Im Wesentlichen sind das jene Banken, die gleichzeitig auch die einflussreichsten Anteilseigner der zwölf regionalen Banken im Federal Reserve System sind. Wie in Italien auch, befindet sich die Notenbank in den USA faktisch im Privatbesitz. Auf ihre Entscheidungen, so die Theorie, soll das aber keinen Einfluss haben.
Seit 2008 gibt es für zwölf Großbanken eine implizite Garantie durch die US-Regierung und die Fed. Ginge auch nur eine dieser Megabanken pleite, wäre das gesamte Bankensystem der USA am Ende. Doch weil die Bedrohung mit dem Untergang als natürliche Risikobremse durch die Staatsgarantie ausgehebelt wird, hat sich die Risikoneigung in den Banken nicht verringert, sondern gar noch verstärkt.
Teilbereiche des US-Bankensystem ähneln heute mehr einem Casino als einer kreditwirtschaftlichen Veranstaltung. Allein die vier Megabanken JP Morgan Chase, Citigroup, Bank of America und Goldman Sachs halten Derivate mit einem ausstehenden Volumen von insgesamt 215.000 Milliarden Dollar, keine von ihnen ist mir weniger als 40.000 Milliarden Dollar im Spiel. Zum Vergleich: Die jährliche Wirtschaftsleistung der USA beträgt 16.700 Milliarden Dollar, die Staatsverschuldung aktuell 17.200 Milliarden Dollar.
Nach der Finanzkrise
Während der Finanzkrise 2008 waren die großen Wall-Street-Firmen täglich in den Schlagzeilen. Die Politik hatte angekündigt, das Problem eines völlig außer Kontrolle geratenen Finanzsektors zu lösen. Tatsächlich aber ist nichts in dieser Richtung passiert. Im Gegenteil. Goldman Sachs & Co drehen heute ein größeres Rad als jemals zuvor. Dazu beigetragen haben die von der Fed geschaffenen Überschussreserven des amerikanischen Bankensystems. Diese belaufen sich derzeit auf rund 2.400 Milliarden Dollar und finanzieren, mangels Nachfrage von Unternehmen und privaten Haushalten, keine Kredite an die Realwirtschaft, sondern verbleiben bei den Banken und finanzieren deren spekulative Geschäfte.
Auch die europäischen Banken werden von der Fed bedient. Aus Statistiken der Fed ist zu entnehmen, dass gut die Hälfte der von ihr über ihre Anleihekäufe neu geschaffenen Liquidität bei Banken gelandet ist, die zwar Bankgeschäfte in den USA betreiben, ihren Hauptsitz aber im Ausland haben. Mangels anderer Krisenregionen dürfte es sich dabei vor allem um europäische Banken handeln. Mit ihren Reserven bei der Fed im Rücken können sie zum Beispiel den Kauf südeuropäischer Staatsanleihen finanzieren und riskante Derivategeschäfte eingehen.
Der größte Teil der Derivatespekulation findet bei Zins-Derivaten statt. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) belief sich das ausstehende Volumen der aller weltweiten Zins-Wetten Mitte 2013 auf rund 640.000 Milliarden Dollar. Verständlicherweise würde man in den Banken da gern den Ausgang der Wetten beeinflussen.
In der vergangenen Woche verhängte die EU-Kommission gegen die Deutsche Bank und weitere fünf Großbanken die Rekordstrafe von 1,7 Milliarden Euro unter anderem wegen Manipulationen des weltweit wichtigsten Referenzzinssates Libor. Allein am Libor orientieren sich weltweit Finanzprodukte im Volumen von über 350.000 Milliarden Dollar. Dagegen wirkt die Strafsumme wie ein Feigenblatt. Offenbar geht Brüssel lieber einen Vergleich ein als langjährige Prozesse.
Die Manipulationen von Libor und anderen Referenzzinssätzen scheinen aber nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Aufzufliegen drohen auch unsaubere Machenschaften bei anderen von Banken ermittelten Referenzpreisen, etwa für Zinsderivate, Energiepreise, Devisenkurse und Edelmetallepreise. Allein an den weltweiten Devisenmärkten werden täglich 5.000 Milliarden Dollar umgesetzt. Front Running in einem 60-Sekunden-Zeitfenster vor der Anpassung von Sätzen soll nach Insidern üblich gewesen sein, berichtet der Börsendienst Bloomberg. Spannend wird es auch mit Blick auf den so genannten Isdafix. An diesem wichtigen Referenzwert für Zinsderivate hängen Finanzprodukte im Gesamtvolumen von schätzungsweise 370.000 Milliarden Dollar. Die Isdafix-Sätze bestimmen Preise von Zins-Swaps, die zum Beispiel von Pensionsfonds zur Absicherung von Portfoliorisiken und von Staaten, Kommunen und Großunternehmen zum Schuldenmanagement verwendet werden. Manipulationen in diesem Bereich verursachen noch größere Schäden als Manipulationen beim Libor. Der Verdacht richtet sich gegen dieselben Banken, gegen die auch in Sachen Libor ermittelt wird.