China Die Sponsoren der Spiele im olympischen Fegefeuer

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Auch Coca-Cola sponsort die Quelle: dpa

Die bisherige Strategie, sich politisch vage bis apolitisch zu präsentieren, hilft gegen dezidierte Politgruppen wie Dream for Darfur oder die Tibet-Bewegung nicht mehr. Aufgeklärte Verbraucher und Anhänger des ethisch korrekten Konsums durchschauen derartiges Wegtauchen: „Was Unternehmen wie Adidas derzeit machen, indem sie sich selbst als politisch neutral definieren und alle Verantwortung von sich weisen, halte ich schlicht für falsch“, sagt der Wirtschaftsethiker Guido Palazzo von der Universität Lausanne. „Wenn man in einem Land wie China Geschäfte macht, ist man stets in der Gefahr, sich zum Komplizen machen zu lassen. Und damit wird man zwangsläufig zum politischen Akteur.“

Der Denkfehler der meisten Sponsoren besteht in den Augen von Experten schlicht darin, Olympische Spiele nicht als das zu sehen, was sie seit Jahrzehnten sind – in hohem Maße politisierte Ereignisse: „Wenn man sich die 112-jährige Geschichte der Olympischen Spiele anschaut, dann sind die stets durchtränkt von Politik“, sagt Witold Henisz, Management-Professor an der renommierten Wharton Business School.

1936 etwa kamen die Sportler in ein Deutschland, in dem die Nazis die Juden verfolgten und Olympia als Politur für ihr Terror-Regime missbrauchten. 1968 reckten zwei farbige US-Sportler auf dem Siegertreppchen die rechte Faust zum „Black Power“-Gruß in den Himmel über Mexiko-City, um für die Emanzipation der Schwarzen in Amerika zu demonstrieren. Blutiger Höhepunkt der Politisierung war 1972 das Attentat palästinensischer Terroristen auf israelische Sportler in München. „Unternehmen, die die Spiele sponsern, müssen mit den politischen Unterströmungen umgehen können“, sagt Henisz. „Es würde mich nicht überraschen, wenn die meisten von ihnen die Gefahr unterschätzt haben, dass die Spiele von Peking aus dem Ruder lau- » fen könnten.“ Eine der Ursachen für die Fehleinschätzung dürfte darin liegen, dass zahlreiche Unternehmen den Eindruck haben, sie täten bereits genug, um Kritiker zu besänftigen.

Denn stets waren Sportereignisse auch Zielscheibe für Aktionsgruppen, die etwa die schlechten Arbeitsverhältnisse insbesondere in den asiatischen Fabriken der weltweiten Turnschuhindustrie anprangerten. 1998 war es das Thema Fußballproduktion in Pakistan, 2004 fand vor den Olympischen Spielen in Athen ein Protestnähen mit Frauen aus China und Bangladesch vor der Akropolis statt.

Die Sportartikler haben darauf reagiert – und sind nun immerhin vorbereitet, wenn an diesem Montag in Brüssel der jüngste Bericht „Play Fair at the Olympics“ vorgestellt wird, der erneut die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern von Nike, Adidas und Co. unter die Lupe nimmt. Das alles bringt die Konzerne nicht mehr aus der Ruhe. Denn sie arbeiten mit den betreffenden NGOs seit Jahren zusammen. Und sie gehen ihrerseits in die Offensive. So berichtete Mitte März Nike, der größte Sportkonzern der Welt, von sich aus aus über Missstände in seinen chinesischen Zulieferbetrieben. Die Palette reichte von minderjährigen Arbeitern über ungezahlte Löhne bis zu gefälschten Lohnabrechnungen. Auf die Weise kam Nike auch der Kritik von außen zuvor und signalisierte der Öffentlichkeit, die Verhältnisse nicht zu akzeptieren.

Auch deutsche Markenartikler lassen sich einiges in dieser Richtung einfallen. Der Lifestylekonzern Puma etwa veranstaltet seit sechs Jahren Gespräche im Kloster Banz in der Nähe von Bamberg, an denen mehr als ein Dutzend NGO-Vertreter sowie Manager aus den Puma-Produktionsbetrieben teilnehmen. „In den vergangenen Jahren haben wir deutliche Fortschritte erzielt“, sagt Puma-Manager Reiner Hengstmann. Und sein Pendant bei Adidas, Frank Henke, sieht die Sportartikler in Sachen Transparenz weit vor anderen Branchen, die ebenfalls in großem Stil Produktion ins Ausland verlagert haben. So haben Puma, Adidas und Nike die Namen sämtlicher Zulieferbetriebe im Internet veröffentlicht und dokumentieren die Lage in den Fabriken.

Doch ob das ausreicht, wenn es um die große Politik, um Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten geht, das bezweifeln Experten: „Die Rolle der Unternehmen geht darüber hinaus, nur über die Zustände bei ihren Zulieferern zu sprechen“, sagt Ethik-Professor Palazzo. Die Unternehmen müssten daher nun den nächsten Schritt tun. Dabei könne niemand erwarten, dass sie sich aktiv für bestimmte politische Forderungen einspannen ließen. „Unternehmen können sich nicht ernsthaft auf eine politische Diskussion einlassen, denn dadurch machen sie sich angreifbar“, sagt Ralf Zilligen, der Chef von BBDO in Düsseldorf, der größten Werbeagentur Deutschlands. Stelle sich ein Unternehmen etwa nun hinter die Tibet-Kampagne, drohe ihm, im Westen als Opportunist gegeißelt zu werden, während es in China ins Visier der ohnehin schon äußerst gereizten Olympiaveranstalter geriete.

Welche Folgen das haben kann, erfahren Sponsoren beinahe täglich. Adidas etwa wartet darauf, seinen mit 3000 Quadratmetern Fläche weltweit größten Laden in Peking einweihen zu können. Doch die Eröffnung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, weil die dazugehörige Einkaufspassage noch nicht fertig sei, wie es offiziell heißt. China-Kenner wittern politische Willkür. Dem französischen IT-Dienstleister Atos Origin, einem der zwölf Top-Olympia-Sponsoren neben General Elec-tric und Coca-Cola, strichen die Pekinger Organisatoren am vergangenen Donnerstag ein lange geplantes gemeinsames Treffen. Ebenso wenig erhielt die Atos-Delegation bei ihrem Peking-Besuch Zugang zu den olympischen Sportstätten.

Eine Möglichkeit, Stellung zu beziehen und dennoch nicht ins Fegefeuer zu geraten, sehen Fachleute daher in erster Linie in symbolischen Aktionen – Unternehmen müssten auf Themen wie Demokratisierung setzen und dies mit Projekten vor Ort belegen. Schulungen von Mitarbeitern, die Förderung von Gewerkschaften oder Patenschaften für Kinder seien denkbar.

Aber auch über die Teilnahme an der Eröffnungsfeier der Pekinger Spiele sollten Unternehmen nachdenken, sagt Ethiker Palazzo: „Ein Sponsor muss sich mindestens so viele Gedanken machen wie ein Sportler – die Tatsache etwa, dass zwar Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Köhler nicht nach Peking zur Eröffnungsfeier reisen, deutsche Unternehmer aber auf der Tribüne sitze, ist problematisch.“

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