Der Machtkampf bei der Deutschen Post DHL wird mit schrillenden Pfeifen und wehenden Fahnen ausgetragen. Zehntausend Gewerkschaftsmitglieder ziehen bundesweit auf die Straßen und vor die Postzentren, um ihren Unmut zu verkünden. Mehrere hunderttausend Kunden werden deswegen Ostern auf ihre Post warten müssen.
Alleine am Mittwoch sind sechs Millionen Briefe und 300.000 Pakete liegen geblieben. Doch das ist nur der Auftakt einer Streikserie, die wahrscheinlich mehrere Monate dauern wird. Denn es geht um weit mehr, als um die offizielle Forderung von Verdi, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich von 38,5 auf 36 Stunden in der Woche zu senken. Es geht um die Frage: Wer bestimmt in den kommenden Jahren die Personalpolitik bei der Deutschen Post DHL? Der Vorstand - oder die Gewerkschaften?
Was die Post mit ihrer Strategie 2020 erreichen will
Auch der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß soll verringert werden: Bis 2020 will die Post ihre Energie-Effizenz um 30 Prozent verbessern. Vor kurzem kaufte der Dax-Konzern zum Beispiel den deutschen Elektroauto-Entwickler Streetscooter auf.
Die Aktie Gelb soll weiter steigen: Post-Chef Frank Appel möchte zur ersten Wahl für Anleger werden. Zwischen 40 und 60 Prozent des Nettogewinns sollen die Aktionäre jährlich als Dividende ausgeschüttet bekommen.
Auch die Kundenzufriedenheit soll steigen - auf über 80 Prozent. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche beschwerten sich allerdings vor allem deutsche Großkunden zuletzt über die Briefzustellung.
Der Gewinn ist die wichtigste Ziellinie in der Strategie 2020: Bis zum Ablauf der Frist will Appel fünf Milliarden Euro Plus machen. Dazu müsste er pro Jahr den Gewinn um acht Prozent steigern. Die Brief- und Paketsparte, die ihren Umsatz vor allem in Deutschland macht, soll drei Prozent Gewinnsteigerung pro Jahr dazu beisteuern - das Expressgeschäft, die Logistik- und Speditionssparten müssen zehn Prozent mehr im Jahr verdienen.
Kein anderer Dax-Konzern hat so konkrete und zugleich so ehrgeizige Ziele.
In Deutschland hat der durch den Onlinehandel ausgelöste Paketboom die Deutsche Post weit nach vorne getrieben. Jetzt will der Bonner Konzern diesen Effekt auch in den Schwellenländern mitnehmen: Bis 2020 soll sich der Marktanteil in diesen Regionen von 22 auf 30 Prozent erhöhen. Der Fokus liegt dabei auf Brasilien, Indien, China, Russland und Mexiko.
Auch bei den Mitarbeitern möchte die Post die erste Wahl sein. Ziel des Vorstand ist es, in den Mitarbeiterbefragung eine Zustimmungsquote von über 80 Prozent zu erlangen. Zuletzt lag die Quote bei ungefähr 70 Prozent.
Der Konflikt kreist vor allem um die Paketboten, deren Gehälter bei der Post viel höher sind als bei den Konkurrenten DPD, GLS oder Hermes. Post-Vorstandschef Frank Appel redet schon lange davon, dass der Abstand zum Lohnniveau der Wettbewerber kleiner werden müsse. Bisher haben die Gewerkschaften das verhindern können. Die Post mache mit dem Brief- und Paketgeschäft schließlich 1,3 Milliarden Euro Gewinn. Wozu also sollen die Löhne gesenkt werden?
Doch Anfang des Jahres ließ Post-Chef Appel seinen Worten Taten folgen: Der Bonner Konzern gründete bundesweit Tochterunternehmen, die sogenannten Delivery GmbHs, in denen die Paketboten jedoch nicht nach dem mit den Gewerkschaften ausgehandelten Haustarif, sondern nach dem wesentlich niedrigeren Logistiktarif bezahlt werden sollen. Damit führt der Bonner Konzern doppelte Standards ein: Die Paketboten in der Hauptgesellschaft und in den Delivery GmbHs machen zwar die gleiche Arbeit, werden dafür jedoch unterschiedlich bezahlt.
Mittlerweile kocht die Stimmung zwischen Gewerkschaft und Vorstand. Das zeigte sich schon im vergangenen Jahr, als die Arbeitnehmervertreter, die im Aufsichtsrat die Hälfte der Mitglieder stellen, beinahe eine Vertragsverlängerung des zuständigen Vorstand Jürgen Gerdes verhindert hätten. Nur durch das doppelte Stimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden erhielt Gerdes seine Verlängerung.
Auf der anderen Seite steht die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis, die sich in diesem Jahr auch den Gewerkschaftswahlen stellen muss - und dafür Erfolge braucht. Zwar hat Kocsis, die auch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der Post ist, wenig Konkurrenten. Aber dafür gäbe es die Chance, dass sie eines Tages Verdi-Chef Frank Bsirske ablösen könnte.
Verdi: Post begeht Vertragsbruch
Rund 5000 Mitarbeiter haben die Delivery GmbHs bereits – und in den Augen von Verdi ist davon jeder einzelne einer zu viel. Nicht nur, weil ein Großteil der Mitarbeiter vorher bei der Post bereits befristet angestellt war und mit dem Wechsel zu den neuen Tochterfirmen ein niedrigeres Gehalt in Kauf nimmt. Sondern auch, weil sie die Machtposition der Gewerkschaft gefährden. Denn auch die Logistiktarifverträge hat Verdi in den einzelnen Ländern ausgehandelt.
Eigentlich sind die Tarife mit Einstiegsgehältern um die 11 Euro jedoch für kleinere Spediteure und Logistik-Unternehmen gedacht. Für Verdi sind die einzelnen Logistiktarife aber auch deshalb von Nachteil, weil sie die Streikmöglichkeiten der Gewerkschaft schmälern.
Für Lohnerhöhungen im Haustarif kann Verdi bundesweit kämpfen und könnte auch die Paket- und Briefzentren so bundesweit lahm legen. Bei den Logistiktarifverträgen jedoch müsste sie in jedem einzelnen Bundesland Streiks organisieren – und die träfen nicht nur die Post, sondern die gesamte tarifgebundenen Logistikunternehmen.
Das sind Post-Gebühren für Privatkunden ab 2015
Der Brief wird ab 2015 teurer. Die Post hebt die Portogebühren für den Standardbrief zum Jahreswechsel – und das nicht zum ersten Mal. In den vergangenen drei Jahren hat die Deutsche Post die Preise erst von 55 auf 58 Cent, dann auf 60 Cent, und nun sogar auf 62 Cent erhöht.
Schon in der Vorweihnachtszeit bieten Post und DHL Privatkunden ein neues Angebot für kleinere Sendungen: Päckchen bis 1 Kilogramm (max Größe 30 x 30 x 15 cm) können ab dem 15. November für 3,79 Euro verschickt werden. Der Haken an der Sache: Das Angebot gilt erstmal nur für Kunden, die die DHL Online Frankierung auf der Unternehmenswebsite nutzen. Ab dem 1. Januar 2015 ist das Angebot auch in den Postfilialen und DHL Paketshops verfügbar – kostet dann aber 3,95 Euro.
Ab Januar 2015 kostet das DHL Päckchen bis 2 Kilogramm (max Größe 60 x 30 x 15 cm) online 4,29 Euro, statt bisher 3,99 Euro. Beim Kauf in der Filiale werden künftig 4,40 Euro fällig, statt bisher 4,10 Euro. Wer ein Paket gleicher Größe verschicken will, zahlt 4,99 Euro.
DHL führt neben dem neuen Päckchen zum 1. Januar auch eine neue Gewichtsstufe für Pakete bis 5 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) ein. Der Preis liegt bei 5,99 Euro in der Online Frankierung und 6,99 Euro in der Filiale.
Pakete bis 10 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) können ab einem Preis von 7,49 Euro versendet werden (Online-Frankierung). In der Filiale kostet der Versand 8,49 Euro.
Das Schwergewicht: Pakete bis 31,5 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) kosten künftig ab 13,99 Euro. Wer auf die Online-Frankierung verzichtet und in die Filiale geht, zahlt einen Euro mehr. Die Gewichtsstufe bis 20 Kilogramm entfällt für den privaten Paketversand übrigens völlig.
Kein Wunder also, dass die Gewerkschaften nun alle Mittel einsetzen. Der 1. April war der erste Tag, an dem Verdi und der wesentlich kleinere DPVKOM, die vor allem Briefboten vertritt, der Streik überhaupt möglich war. Vorher musste sich die Gewerkschaft an die Friedenspflicht halten, da es ja einen geltenden Tarifvertrag bei der Post gab. Und der läuft erst Ende Mai aus. Verdi hat diese Regelung umgangen: Sie kündigte die im Haustarifvertrag verankerten Arbeitszeitregelungen.
Mit den neuen Delivery GmbHs hat das auf den ersten Blick nur wenig zu tun. Dort sind vor allem die niedrigeren Löhne ein Problem und nicht etwa längere Arbeitszeiten. Verdi aber argumentiert, dass die Post durch die Delivery GmbHs Vertragsbruch begangen habe. Denn die Gewerkschaft hat mit der Post auch einen Vertrag darüber, dass die Post nicht mehr als 990 Ausstellbezirke an fremde Unternehmen abgeben darf. Auch nicht an Tochtergesellschaften.
Wie sich Umsatz und Gewinn verteilen
Umsatz: 15,7 Milliarden Euro (28 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 1,3 Milliarden Euro (44 Prozent des Konzerngewinns)
Stand: Gesamtjahr2014; Quelle: Unternehmen, eigene Berechnungen
Umsatz: 12,5 Milliarden Euro (22 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 1,3 Milliarden Euro (44 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 14,9 Milliarden Euro (26 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 293 Millionen Euro (10 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 10,74 Milliarden Euro (26 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 465 Millionen Euro (16 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 56,6 Milliarden Euro
Gewinn: 2,97 Milliarden Euro
Verdi will deshalb vor Gericht ziehen: Die Gewerkschaft hat Klage auf Unterlassung beim Bonner Amtsgericht eingereicht. Und die Zugeständnisse, die Verdi gegenüber der Post im Gegenzug für das Fremdvergabegebot gemacht hat – wie zum Beispiel längere Arbeitszeiten und weniger Pausen – will die Gewerkschaft jetzt wieder zurücknehmen. Auch deshalb streiten die Postangestellten jetzt um eine 36-Stunden-Woche.
Und sie werden weiter streiten: Ab Mai stehen auch mögliche Lohnerhöhungen auf dem Verhandlungsplan. Und im Dezember laufen zusätzlich noch das Fremdvergabeverbot und ein Kündigungsschutz für die Post-Angestellten aus.
Wie der Streit ausgeht, ist deshalb noch ungewiss. Dennoch: Der Post bieten sich mehr Chancen denn je, die starke Machtpositionen der Gewerkschaft im Haus zu durchbrechen. Auch wenn sie mit vielen Streiktagen rechnen muss.
Die Post hat bereits vorgesorgt: In den einzelnen Sortierzentren heuert das Unternehmen zusätzliche Aushilfskräfte an. In Kiel helfen beispielsweise 35 Werkarbeiter aus Polen, berichtet "Die Welt". Die sollen die streikenden Mitarbeiter ersetzen – notfalls auch über mehrere Wochen.