2. Die Last mit der Heimat
Lundgrens zweite Herausforderung sind die ungeklärten Fragen, die McCall vor ihrem Sprung an die Spitze des britischen Privatsenders Fernsehsenders ITV nicht mehr lösen konnte. Die Wichtigste: Wie meistert Easyjet den Brexit?
So gut es für die 56-jährige Adelige in den ersten sechs ihrer gut sieben Jahre bei Easyjet lief, spätestens seit Großbritannien die EU verlassen will, ist der Steigflug vorbei. Die Linie bietet als einzige aus Großbritannien in großem Stil Flüge auf dem europäischen Festland an. Die müsste sie nach einem Brexit einstellen. Mehr als ein Drittel ihres Umsatzes könnte verloren gehen.
Da völlig unklar ist, wann und unter welchen Umständen der Austritt kommt, konnte die scheidende Chefin auch keine umfassende Gegenstrategie entwickeln. Sie hat zwar einen Ableger in Österreich gegründet, der das kontinentale Easy-Fluggeschäft übernehmen soll. Wie genau das gehen soll und ob das reicht, steht in den Sternen.
Dazu konnte Easyjet nicht von der Pleite des britischen Ferienfliegers Monarch im Oktober profitieren. Anders als erwartet, konnte sich McCall nicht deren Startrechte an der Basis London-Gatwick kaufen. Nun muss sie sich mit Wettbewerbern darum bewerben – und wahrscheinlich die besten Flughafenzeiten anderen überlassen.
3. Der schwere Weg nach Deutschland
Das Problem mit dem Brexit hat McCall kurz vor ihrem Abgang sogar noch vergrößert, als sie einen Vertrag für rund ein Fünftel von Air Berlin unterschrieb. Das Angebot passte McCall zwar angesichts der Unsicherheit nicht in den Plan, ablehnen konnte sie es aber nicht.
Wie ihre Vorgänger hatte McCall zuvor viel davon geredet, dass sie im wichtigen Flugmarkt Deutschland expandieren will. Passiert ist – zumindest außerhalb von eher mittelwichtigen Airports wie Berlin-Schönefeld oder Dortmund – eher wenig. Im Gegenteil: Aus Düsseldorf und Köln ist Easyjet wieder abgezogen. In Hamburg ist die Linie ein Schatten ihrer selbst. Mangels lukrativer Startzeiten konnte die Linie nirgendwo ihr selbst gestecktes Ziel erreichen und die größte oder zumindest die zweitgrößte Linie werden.
Durch den Kauf von umgerechnet 25 Air-Berlin-Jets mit passender Besatzung sowie Landerechten in Berlin-Tegel, Düsseldorf oder auch Frankfurt und Hamburg kann das anders werden.
Einfach ist der Sprung nach Deutschland dennoch nicht. Zum einen ist die Integration der Air-Berlin-Reste mit ihrer eher behäbigen emotionalen Gewerkschafts-Kultur in die von schnellen Entscheidungen geprägten Easyjet-Welt eine Herausforderung. In Deutschland trifft die Linie zudem auf eine selbstbewusste und finanziell gestärkte Lufthansa. Einen solchen direkten Konflikt hat Easyjet bisher meist gescheut.
McCall-Nachfolger Lundgren muss sehen, wie er die deutschen Zukäufe einsetzt - und dabei weder zu viel Geld ausgibt noch die letzte Chance auf einen Gang nach Germanien verpasst.
Wie schwer den Briten die Entscheidung fiel, erlebten nicht zuletzt die Insolvenzverwalter von Air Berlin. "Die Verhandlungen waren alles andere als easy, denn wir waren nie ganz sicher, was die eigentlich wollten und ob das was sie heute zusagen auch morgen noch gilt", so ein Insider.