
Recherchen der WirtschaftsWoche zufolge stehen bei der Betam-Gruppe mit Sitz in Frankfurt und Bochum zahlreiche Baustellen still. Behörden haben Millionenaufträge storniert. Lieferanten versorgen die Baustellen nur noch zögerlich mit Material, teilweise nur gegen Vorkasse. Betam-Arbeiter haben nach Informationen des Magazins vom Mai-Lohn nur 600 Euro Abschlag bekommen.
Der neue Betam-Geschäftsführer Helmuth Rauscher wollte zu den Recherchen nicht Stellung nehmen. Investor Roland Müller jedoch bestätigte der WirtschaftsWoche Zahlungsprobleme: „Wir haben aber ein massives Liquiditätsproblem. Die Situation ist dramatisch.“ Die Auskunftei Creditreform bewertete Anfang Juli die Bonität der Betam mit „schwach“, der Wert für deren Tochter Betam Infrastructure gelte „als Ausfall“.
Auf welchen Betam-Baustellen die Arbeit stillsteht
Seit Ende Juni 2015 rollen keine Bagger mehr auf der A3: Angekündigt hatte Betam den Stillstand jedoch nicht. „Bislang wurde nur ein geringer Teil der zu erbringenden Bauleistung erbracht“, heißt es vom Auftraggeber, der Autobahndirektion Nordbayern. Begonnen haben die Arbeiten an der Landesgrenze Bayern/Baden-Württemberg bis zur westlichen Autobahnausfahrt Helmstadt im April 2015, fertiggestellt sein sollten sie eigentlich im Herbst. Die gesamte Baumaßnahme umfasst ein Volumen von rund 75 Millionen Euro, wobei der Betam-Auftrag rund 3,5 Millionen Euro ausmacht.
Quelle: WirtschaftsWoche-Recherchen / Harald Schumacher, Caroline Biallas
Betam hatte den Auftrag, die Fahrbahn auf der A6 zwischen dem Autobahnkreuz Nürnberg-Süd und Nürnberg-Ost auf sechs Spuren zu verbreitern. Außerdem sollte die Firma dort Straßenbauarbeiten und Entwässerungsmaßnahmen vornehmen und für einen geeigneten Lärmschutz sorgen. Die gesamte Baumaßnahme umfasst ein Volumen von 62 Millionen Euro, der Betam-Anteil beträgt rund 31 Millionen Euro. Baubeginn war im März 2015, doch seit dem 19. Juni 2015 ruhen die Arbeiten. Die Autobahndirektion Nordbayern hat Betam nun eine Frist gesetzt und „die Firma aufgefordert, ihre vertraglich vereinbarte Leistung zu erbringen“.
Die zehn Kilometer lange Betondecke auf der A7 zwischen Gollhofen und Uffenheim sollte eigentlich bis zum Oktober 2015 neu asphaltiert sein, doch auch dort stellte Betam Mitte Juni den Betrieb ein – ohne vorherige Ankündigung. Das Bauvolumen von Betam umfasst rund 25 Millionen Euro.
Auch Torsten Conradt, Direktor beim Landesbetrieb Straßenbau- und Verkehr Schleswig-Holstein, ärgert sich über Betam: Das Unternehmen sollte die Straßendecke auf der A24 zwischen Hamburg-Ost und der Landesgrenze Mecklenburg-Vorpommern sanieren. Seit April kam es immer wieder zu Verzögerungen, im Juni zum Stillstand. Betam habe in diesem Jahr „nie die Leistungen erbracht, die erforderlich gewesen wären, um den vorgegebenen Fertigstellungstermin zu erreichen“, so Conradt. Daraufhin wurde der 10-Millionen-Euro-Auftrag in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium „im Juni gekündigt“.
Auch für Baumaßnahmen an der Autobahn 33 wurde Betam engagiert. Doch seit Anfang Juli wird an der A33 im Bereich Borgholzhausen bei Bielefeld nicht mehr gearbeitet. Betam-Fahrzeuge wurden abgezogen, Bauarbeiter sind nicht mehr vor Ort. Angekündigt wurde der Baustopp nicht.
Auf der A43 sollte Betam zwischen Recklinghausen und Marl Baumaßnamen vornehmen, doch seit Anfang Juli ist es ruhig auf der Baustelle. Für Dieter Reppenhorst vom Landesbetrieb Straßen NRW ist unklar, ob die Bautätigkeit nur teilweise oder komplett zum Erliegen gekommen ist. Straßen NRW will die Lage auf der A43 deshalb genau im Auge behalten. Der Betam-Auftrag umfasst ein Volumen von rund 8 Millionen Euro.
Seit Anfang Juni stehen die Bagger auch auf der A44 still: Der Landesbetrieb Straßen NRW hatte Betam damit beauftragt, die Betondecke zwischen Werl und Soest zu sanieren. Bis zum 20. Oktober 2015 sollten die Maßnahmen eigentlich abgeschlossen sein – doch dieser Termin scheint mittlerweile unrealistisch. „Wir haben Betam eine Frist gesetzt, um die Arbeiten fortzuführen“, erklärt dazu Dieter Reppenhorst, Abteilungsleiter Bau von Straßen NRW in Hamm. Und ist zugleich verwundert: „Ich arbeite seit fünf Jahren in Hamm, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“ Der Betam-Auftrag umfasst ein Volumen von 7,1 Millionen Euro.
Der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz hatte Betam damit beauftragt, die Asphaltdecke auf der A61 zwischen den Autobahnkreuzen Frankenthal und Ludwigshafen in Fahrtrichtung Süden zu erneuern. Betam hatte den 4,7-Millionen-Euro-Auftrag seit Anfang Juni nur unvollständig ausgeführt; auch dort kam es zum Stillstand der Bauarbeiten. Der Landesbetrieb hat den Auftrag daraufhin gekündigt – Begründung: „keine sachgerechte, termintreue Tätigkeit“.
Auch auf der Bundesstraße 51 bei Trier sind keine Bauarbeiter mehr anzutreffen. Betam sollte die B51 als Ortsumgehung für die Stadt Konz umgestalten und in diesem Zuge auch die Fahrbahn zweispurig ausbauen. Seit 26. Juni ruht die Baustelle – dementsprechend verärgert ist Hans-Michael Bartnick, stellvertretender Leiter vom Landesbetrieb Mobilität Trier: „Richtig ist, dass die Leistung nicht dem entspricht, was dem Bau einer Ortsumgehung angemessen wäre.“ Der Landesbetrieb habe Betam mehrmals schriftlich angemahnt, doch getan hat sich trotzdem nicht viel. Die Gesamtkosten für den Bau der Ortsumgehung belaufen sich auf rund 24 Millionen Euro, der Betam-Anteil liegt bei 9,8 Millionen Euro.
Ende 2013 hatte der damalige Bilfinger-Vorstandschef Roland Koch die verlustbringende Straßenbausparte an die unbekannte Neugründung namens Betam verkauft. Das Konsortium um den branchenfremden früheren Koblenzer Notar Roland Müller hatte sich zuvor in der ostdeutschen Brauereibranche engagiert. Müller war dort verantwortlich für mehrere Insolvenzen, unter anderem verurteilte ihn das Landgericht Erfurt wegen Insolvenzverschleppung bei seiner Braugold-Brauerei. Seit dem 11. Februar 2014 ist das Urteil rechtskräftig und Müller dadurch vorbestraft.
Bilfinger räumte gegenüber der WirtschaftsWoche ein, vom „erfolglosen Engagement des Investors bei ostdeutschen Brauereien zum Zeitpunkt der Veräußerung“ gewusst zu haben. Dagegen habe Bilfinger aber „keine Kenntnis von einem laufenden Verfahren wegen eines unterlassenen Konkursantrags“ gehabt.