
Seit fünf Jahren immer eine neue Rekordzahl bei den Übernachtungen, immer mehr ausländische und inländische Gäste: Der Hotelbranche sollte es gut gehen. Doch viele Hoteliers schaffen es nicht, von der Entwicklung zu profitieren. Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) sind bei 45,3 Prozent der deutschen Hotels im vergangenen Jahr die Erträge gesunken. "Es bleibt weniger übrig, um zu investieren, um anzustellen und zu wachsen", warnt Dehoga-Präsident Enrst Fischer. Zu niedrige Preise, ein zu starker Wettbewerb, zu viel Bürokratie und neue Herausforderer: Das sind die Gründe, weshalb die Hotel-Besitzer in ihren Betten nicht ruhig schlafen können.
1. Airbnb und andere Herausforderer
Wieso 80 Euro pro Nacht für ein Hotelzimmer zahlen, wenn man für 50 Euro die Nacht ein ganzes Appartement haben kann? Alleine in Berlin listete Airbnb, eine Plattform über die man Privatwohnungen mieten kann, über 14.000 Wohnungen im vergangenen Jahr. Zwar sind die Gäste in der Regel nicht die typischen Pauschalurlauber – aber die Zimmervermieter werden immer professioneller und die Nutzerzahlen in Deutschland steigen rasant.
Die Urlaubs-Trends 2015
Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK hat die Bedeutung von Katalogen leicht abgenommen. Demnach nutzen nur noch gut ein Drittel der Urlauber Reisekataloge, um sich über Angebote zu informieren. Das Internet ist für 45 Prozent das Urlaubs-Recherche-Tool. Glaubt man einer Analyse von Google und TUI, gilt das sogar für satte 80 Prozent aller Reisebuchungen.
Ganz persönlich auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten - so wollen immer mehr Deutsche urlauben, so das Ergebnis der GfK-Umfrage. Demnach sind Zusatzleistungen wie der Privattransfer zum Hotel, individuelle Ausflugserlebnisse oder die Wahl zwischen verschiedenen Flugklassen für Reisende immer wichtiger und werden häufiger nachgefragt.
Auch wenn Individualität von vielen geschätzt wird, so machen es setzen die Deutschen trotzdem gerne auf eines: die All-Inclusive-Reisen. Laut GfK wuchs diese Urlaubsform weiter leicht - damit wird ein Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Mittlerweile seien 24 Prozent aller Flug- und Autoreisen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurden, All-Inclusive-Reisen, so der Bericht.
Familien sind mehr unterwegs - ob mit dem Auto oder dem Flugzeug. Laut GfK ist der Familienanteil bei beiden Reisetypen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurde, überproportional gestiegen. Allein im Vergleich zur vergangenen Saison 2013/14 stieg die Zahl der Buchungen um 20 Prozent an.
Reisen im Luxussegment werden ebenfalls höher nachgefragt, so die GfK. Demnach werden besonders hohe Zuwächse bei Haushalten mit höherem Einkommen, sprich ein Haushaltsnettoeinkommen größer als 4000 Euro, mehr nachgefragt.
Die Hotelbranche beobachtet die Entwicklung misstrauisch. Einige Anbieter steuern gegen, indem sie selbst mehr Erlebnis in ihren Hotels anbieten. Statt 40 Zimmern mit dem immer selben Nachttisch überraschen ausgefallene Hotels ihre Besucher mit Sesseln aus Schubkarren und Lampen aus Plastikflaschen.
Doch am liebsten hätten die Hoteliers gerne mehr Unterstützung von der Politik. Airbnb sei mehr eine "shadow economy" statt eine "sharing economy" – also eine Schattenwirtschaft, wettern Branchenvertreter. Denn im Gegensatz zu den Hotels zahlen viele der privaten Vermieter keine Steuern und kümmern sich auch nicht um Brandschutz oder Hygieneverordnungen. Die ersten Städte haben bereits reagiert: Hamburg verlangt, dass Airbnb-Wohnungen überwiegend von den dort gemeldeten Mietern genutzt werden. Berlin hingegen will den Trend zu den Ferienwohnungen in der Stadt mit einer Zweckentfremdungsverordnung zerschlagen: Durch die Verordnung wird es ab 2016 in den meisten Bezirken illegal, Privatwohnungen regelmäßig an Touristen zu vermieten.
2. Starker Wettbewerb
Fünf Jahre Übernachtungsrekorde haben das Klima aufgeheizt: Viele große Hotelketten wittern ihre Chance und verbreiten sich aggressiv in den deutschen Innenstädten. Zwar stieg der durchschnittliche Zimmerpreis laut einer Studie von PKF Hotelexperts und BDO um 1,6 Prozent. Doch nicht alle Hotels konnten davon profitieren. Vor allem kleinere Hotels mit Zimmern im mittleren Preissegment (zwischen 55 und 80 Euro pro Zimmer) haben zunehmend Probleme, Gäste anzulocken: Nur um 1,5 Prozent konnten sie ihre Zimmerbelegung steigern, Hotels mit Zimmern zu einem Preis von über 120 Euro schafften hingegen plus 6 Prozent.
Ein weiteres Problem: Das Segment ist von vielen mittelständischen Unternehmen geprägt. Doch dank der Übernachtungsrekorde wittern auch große Hotelkonzerne wie die britische Intercontinental Hotel Group (IHG) mit Marken wie "Holiday Inn" ihre Chance und wollen neue Häuser eröffnen. Kleinere Anbieter werden so nach und nach vom Markt verdrängt.
3. Stress mit Buchungsportalen
Dass ihnen Buchungsportale wie booking.com oder HRS viele Gäste bringen, haben die meisten Hotels mittlerweile eingesehen. Doch bei der Zusammenarbeit mit den Internetportalen hakt es immer noch: Das zeigte sich zum Beispiel im Frühjahr, als das Bundeskartellamt gegen booking.com wegen der sogenannten Bestpreisklausel vorging. Partnerhotels müssen der Plattform garantieren, dass sie ihre Zimmer dort zum niedrigsten Preis anbieten.





Das Internetportal verlangte, dass die Hotels selbst auf ihren eigenen Internetseiten die Preise für die Zimmer, aber auch für die Buchungs- und Stornierungskosten in keinem Fall überbieten dürfen. Das Bundeskartellamt sah in diesen Regelungen eine Einschränkung des Wettbewerbs. Das Konkurrenzportal HRS strich die Klausel deshalb schon. Doch Booking.com und auch das Portal Expedia hielten trotz der Schelte vom Bundeskartellamt weiter daran fest, beschweren sich Hoteliers.
4. Der Mindestlohn
Seit Anfang des Jahres ist der Mindestlohn von 8,50 Euro in Kraft, die Hotelbranche hat sich trotzdem noch nicht an ihn gewöhnt. Dabei ist weniger die Höhe der Gehälter das Problem als der damit verbundene Aufwand: Nun muss jede Minute Arbeitszeit erfasst werden, wenn Angestellte länger als zehn Stunden am Tag arbeiten, drohen kräftige Bußgelder von bis zu 15.000 Euro. Dagegen sträubt sich die wenig arbeitnehmerfreundliche Hotel- und Gastronomiebranchen, in der Überstunden und durchgearbeitete Nächte zum Alltag gehören.
Hier spüren Verbraucher den Mindestlohn
Das Friseurhandwerk gilt als klassische Niedriglohnbranche. Über einen Branchentarifvertrag gibt es hier schon seit mehr als einem Jahr einen Mindestlohn, der zum 1. August 2015 auf 8,50 Euro steigt.
Zum 1. August 2013 hatten sich Handwerk und die Gewerkschaft Verdi auf eine bundesweite Lohnuntergrenze geeinigt, die nun schrittweise steigt. Vor allen in Großstädten machen sich Friseure große Konkurrenz. Stundenlöhne um vier Euro waren in früheren Zeiten nicht ausgeschlossen. Deutliche Preissteigerungen gab es schon und wird es nach Ansicht der Branche vor allem dort geben, wo die Löhne bisher nicht stimmten.
Auch hier werden Kunden bald tiefer in die Tasche greifen müssen. Bisher zahlt die Branche nach Schätzungen des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands rund 6,50 Euro pro Stunde. Der Lohn ist dabei oft am Umsatz orientiert. Die Tarife werden von den Kommunen festgelegt.
An ihre Adresse gibt es bereits viele Anträge auf Preiserhöhungen, im Schnitt von 20 bis 25 Prozent. Die Branche rechnet aber auch damit, dass Unternehmen die Anzahl ihrer Wagen reduzieren und Stellen streichen könnten. Branchenkenner halten Tricksereien für möglich, um den Mindestlohn zu umgehen. In jedem Fall steht die Branche vor großen Umstrukturierungen.
Viele Obst- und Gemüsebauern gehen davon aus, dass ihre Preise steigen, zum Beispiel für Erdbeeren, Spargel, Sauerkirschen und Äpfel. Denn der Mindestlohn gilt auch für Erntehelfer - allerdings noch nicht sofort.
Für Saisonarbeiter in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau soll der Stundenlohn hier schrittweise ab 2015 von 7,40 im Westen und 7,20 im Osten auf einheitliche 9,10 Euro im Jahr 2017 steigen. Viele Landwirte sehen das als Wettbewerbsnachteil in der EU. In anderen Staaten gebe es zwar auch Mindestlöhne, aber sie lägen deutlich niedriger.
Einen Mindestlohn in der Pflegebranche gibt es bereits seit Mitte 2010. Zurzeit liegt er im Westen bei 9 und im Osten bei 8 Euro. Ab Januar 2015 sind es dann 9,40 Euro und 8,65 Euro. Das gilt für Betriebe - vom Pflegeheim bis zu ambulanten Diensten. In zwei Schritten soll der Mindestlohn bis Januar 2017 auf 10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro im Osten steigen. Ab 1. Oktober 2015 solle der Pflegemindestlohn neu auch für Betreuungs- und Assistenzkräfte in Heimen gelten.
Privathaushalte, die eine Pflegekraft beschäftigen, sollen ab Januar den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Der Arbeitgeberverband Pflege geht davon aus, dass Pflege damit teurer wird - allerdings nicht sofort und auch nicht in riesigen Sprüngen. Denn bereits jetzt verdiene die Mehrzahl der Pflegehilfskräfte mehr als den Mindestlohn, sagte Sprecher Steffen Ritter. Auch stiegen die Beiträge zur Pflegeversicherung in den kommenden Jahren um rund einen Prozentpunkt an und federten die Lohnsteigerungen ein wenig ab.
"Stellen Sie sich vor, eine Veranstalltung, etwa eine Hochzeitsfeier, dauert länger als geplant. Unsere Betriebe können nicht mitten in der Nacht die Mitarbeiter wechseln", klagt Dehoga-Präsident Ernst Fischer. Der Verband fordert eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes: An bis zu drei Tagen die Woche sollen Arbeitnehmer auch bis zu zwölf Stunden arbeiten können. Die Wochenarbeitszeit solle sich dadurch aber nicht verlängern.
5. Allergie-Bürokratie und andere unsinnige Regeln
Auch die EU sorgt für Frust in deutschen Hotellier-Büros. Was für die Landwirte die Gurkenverordnung ist für die Gastronomie die Allergen-Kennzeichnung. Seit Dezember 2014 müssen Restaurants und Hotels über Allergene in ihren Speisen informieren.
Lebensmittelkontrollen in anderen Ländern
Schon seit 2001 wird jedes dänische Restaurant mit einen Smiley als Zeichen für die Hygiene bewertet. Insgesamt gibt es vier verschiedene Kategorien, von „keine Beanstandung“ bis „strafrechtlich verfolgt“. Für Restaurants, die sich über eine längere Zeit nichts zu schulden kommen, wird der „Elite-Smiley“ vergeben. Das System scheint zu funktionieren, denn von 2002 bis 2010 ist die Zahl der lachenden Gesichter von 70 auf 87 Prozent gestiegen.
New York testet Hygienetabellen seit mehreren Jahren – mit positivem Ergebnis für die Verbraucher. So ging etwa die Zahl der Restaurants mit Mäusebefall von 32 auf 22 Prozent zurück. Die Sicherheit aller 24.000 Restaurants der Stadt wird auf der Seite des Gesundheitsamtes anhand von Buchstaben bewertet.
Auf der Seite scoresonthedoors.co.uk sind die Ergebnisse des britischen Lebensmittelkontrollamts für knapp 500.000 Restaurants, Kiosks und Gaststätten aufgelistet. Die Bewertung funktioniert nach Sternen und reicht von „sehr schlecht“ (1 Stern) bis „sehr gut“ (6 Sterne). Wer mehr über das Restaurant erfahren möchte, kann den detaillierten Kontrollbericht anfordern.
Das australische Gesundheitsamt veröffentlicht unter dem Titel „Scores on Doors“ die Ergebnisse seiner Hygienekontrollen an den Eingangstüren der Restaurants. Das Ergebnis ist dreistufig und variiert zwischen „exzellent“ und „gut“. Wenn eine Gastronomie gegen Hygienevorschriften wiederholt verstößt, wird sie in das „Name & Shame register“ aufgenommen, eine Art Schwarze Liste für Ekel-Restaurants.
Zwar können sie das auch mündlich oder in elektronischer Form tun, doch die Küche muss die Allergene wie Gluten oder Nüsse in ihren Speisen dokumentieren - und das auch bei einer wechselnden Tageskarte. Doch wie viele Gäste fragen überhaupt nach? Die Dehoga startete eine Umfrage: Zwei Drittel der Unternehmer konnten sich an keinen einzigen Gast erinnern.
.