
Roland Koch, Ex-Chef des Baukonzerns Bilfinger und seit vorvorigem Freitag Privatier, ist ein Freund knapper Worte. „Wir müssen nicht nur den Kunden, sondern auch dem Kapitalmarkt dienen“, sagte er kürzlich einem seiner Betriebsräte. Nur fünf Minuten später war für Koch das Telefonat beendet und der Arbeitnehmervertreter informiert, dass seine Niederlassung geschlossen werden würde.
So schnell kam Koch bei Jens Tischendorf nie davon. Der gebürtige Hesse, 40 Jahre jung und Ex-Unternehmensberater, sitzt für den schwedischen Finanzinvestor Cevian, der 21,2 Prozent an Bilfinger hält, im Aufsichtsrat des Bauriesen.
An diesen Unternehmen ist Cevian beteiligt
An der britischen Spezialchemie-Firma Alent hält Cevian 21,5 Prozent. Alent ist noch ein junges Unternehmen, es entstand 2012 aus der Auflösung des britischen Mischkonzerns Cookson Group.
Bilfinger ist nach Alent die zweitgrößte Beteiligung des schwedischen Investors. An dem deutsche Bau- und Dienstleistungskonzern hält Cevian 21,2 Prozent.
Vesuvius ist wie Alent aus der 2012 aufgelösten Cookson Group hervorgegangen. Von dem britischen Stahlunternehmen Vesuvius gehört Cevian exakt ein Fünftel der Anteile.
Cevian hält 15,1 Prozent der ThyssenKrupp-Papiere. Noch haben die Schweden keinen Sitz im Aufsichtsrat des deutschen Stahl- und Technologiekonzerns, das könnte sich bei der nächsten Hauptversammlung allerdings ändern.
15,0 Prozent der Anteile am finnischen IT-Dienstleister Tieto Oyi sind im Besitz des schwedischen Investors. Mit fast 18.000 Mitarbeitern in nahezu 30 Ländern ist Tieto einer der größten IT-Service-Provider in Europa.
Cevian gehören 13 Prozent des finnischen Technologie-Konzerns Metso.
Die Volvo Group hat bis auf den gemeinsam genutzten Markennamen seit 1999 nichts mehr mit dem Autobauer zu tun. Der Konzern verkauft Omnibusse, Vans und Lkws. Cevian gehören zehn Prozent der Volvo-Aktien.
Am Baseler Transport- und Logistikdienstleister Panalpina hält der schwedische Investor 10,0 Prozent.
Mit einer Bilanzsumme von über drei Billionen dänischen Kronen ist die Danske Bank das größte Geldhaus Dänemarks. Cevian gehören 9,3 Prozent der Anteile.
Im Namen der Skandinavier nahm er den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten nicht nur während der Sitzungen des Kontrollgremiums unnachgiebig ran, berichtet ein Teilnehmer. Tischendorf habe sich den Ex-CDU-Politiker auch zwischen den Sitzungsterminen geschnappt, um ihn mit Fragen zu bombardieren.
Letztlich war es Tischendorf, der zusammen mit Ex-Metallgesellschaft-Chef Udo Stark Konzernchef Koch nach Angaben eines Mitkontrolleurs so lange „regelrecht gegrillt“ hatte, bis Oberaufseher Bernhard Walter die Demission erzwang.
Der neue Vorstandsvorsitzende, Kochs Vorgänger im Amt Herbert Bodner, soll das Unternehmen nun wieder in ruhiges Fahrwasser führen. Er übernimmt den Chefposten übergangsweise bis zum 31. Mai 2015. Bilfingers Gewinn wurde wegen eines schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes im Energiemarkt und im europäischen Öl- und Gassektor gedrückt, wie der MDax-Konzern am Montag mitteilte.
Die Leistung blieb trotz Schwächen im Kraftwerks- und Industriedienstleistungsgeschäft von Januar bis Juni mit 3,63 Milliarden Euro aber praktisch stabil. Beim operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen (Ebita) im fortgeführten Geschäft war der Rückgang mit 47 Prozent auf 80 Millionen Euro hingegen deutlich. Der Gewinn sank um 19 Prozent auf 55 Millionen Euro. Dabei ist auch das zum Verkauf gestellte Tiefbaugeschäft enthalten. Es gibt laut Bilfinger dafür zahlreiche Interessenten, aber noch keinen Käufer.
Die Bedeutung des Rauswurfs reicht weit über Deutschlands zweitgrößten Baukonzern hinaus. Denn der von Tischendorf vertretene Großinvestor Cevian hat sich mit rund 15 Prozent in einen weiteren deutschen Konzern eingekauft, um kräftig an ihm zu verdienen: ThyssenKrupp.
Die größten Baustellen von Thyssen-Krupp
Im Geschäftsjahr 2012/13 fuhr Thyssen-Krupp das dritte Mal in Folge einen Nettoverlust ein. Mit einem Fehlbetrag von 1,5 Milliarden Euro fiel dieser zwar niedriger aus als die fünf Milliarden Euro Miese im Jahr zuvor. Die Aktionäre müssen jedoch erneut auf eine Dividende verzichten. Das könnte auch im neuen Geschäftsjahr 2013/14 der Fall sein. Thyssen-Krupp will zwar operativ zulegen, für einen Nettogewinn könnte es aber erneut nicht reichen. Zudem schwächelt nicht nur die amerikanische Stahlsparte, sondern auch das Geschäft mit dem Werkstoff in Europa und mit Teilen für die Automobilindustrie.
Thyssen-Krupp fuhr im Geschäftsjahr 2011/12 einen Nettoverlust von fast fünf Milliarden Euro ein. In den ersten neun Monaten des Ende September abgelaufenen Geschäftsjahres 2012/13 waren es rund 1,2 Milliarden Euro. Analysten zufolge schwächelt nicht nur die amerikanische Stahlsparte. Auch das europäische Stahlgeschäft, der Großanlagenbau, der Verkauf von Autoteilen und die Aufzugssparte hätten im Geschäftsjahr weniger verdient. Der Handel mit Werkstoffen und das Dienstleistungsgeschäft habe hingegen zugelegt.
Für Unruhe im Konzern sorgen auch die Pläne zum Abbau tausender Arbeitsplätze. In der Verwaltung sollen 3000 Jobs wegfallen. In der Stahlsparte will Thyssen-Krupp 2000 Arbeitsplätze abbauen. Weitere 1800 Stellen könnten durch Beteiligungsverkäufe aus dem Konzern fallen. "Wir bügeln damit auch die Managementfehler der Vergangenheit aus", hatte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath in einem Reuters-Interview gesagt. Thyssen-Krupp will damit die Kosten um 500 Millionen Euro senken. Die Summe ist Teil der insgesamt geplanten Einsparungen des Konzerns bis 2014/15 von nun 2,3 Milliarden Euro. Das Unternehmen beschäftigt rund 156.000 Mitarbeiter, davon etwa 58.000 in Deutschland. Ein weiterer Stellenabbau ist nach den Worten von Personalvorstand Oliver Burkhard derzeit nicht geplant.
Nach einer langen Hängepartie konnte Thyssen-Krupp das Weiterverarbeitungswerk in den USA verkaufen. Das verlustreiche Rohstahlwerk in Brasilien hängt dem Konzern immer noch wie ein Klotz am Bein. Thyssen-Krupp muss neue Abnehmer für den Werkstoff in Nord- und Südamerika finden, da das US-Werk künftig weniger abnimmt. Die Kosten für beide Werke waren auf fast 13 Milliarden Euro explodiert, mehr als acht Milliarden entfielen auf Brasilien. Das US-Werk bleibt bis zu der erhofften Freigabe des Deals durch die Regulierungsbehörden noch für Monate in den Büchern. Thyssen-Krupp erwartet in der Sparte weitere Verluste - wenn auch niedrigere als bislang.
Dem Konzern sitzen die Ratingagenturen im Nacken. Thyssen-Krupp drücken Schulden von fünf Milliarden Euro. Das Eigenkapital schmolz zuletzt von 4,5 Milliarden auf 2,5 Milliarden Euro zusammen. Die Eigenkapitalquote sank auf 7,1 Prozent - der mit Abstand niedrigste Wert eines Dax-Konzerns. Das Verhältnis von Netto-Finanzschulden zum Eigenkapital ("Gearing") liegt nun bei rund 200 Prozent. Gespräche mit Banken sorgten Ende September für Erleichterung, nachdem dieser Wert über die Marke von 150 Prozent gestiegen war. Mit dem Verkauf des US-Stahlwerks und der geplanten Kapitalerhöhung und Einsparungen will Thyssen-Krupp die Lage verbessern. Der Konzern strebt einen Wert von unter 100 Prozent an, lässt aber offen bis wann er diesen erreichen will.
Der Mischkonzern wird immer wieder von Kartellverstößen und Korruptionsvorwürfen erschüttert. Hiesinger will eine neue Unternehmenskultur, in der für krumme Geschäfte kein Platz ist. Bei illegalen Preisabsprachen war Thyssen-Krupp ein Wiederholungstäter. Einem Aufzugskartell folgten Kungeleien mit Schienenherstellern. Hier einigte sich Thyssen-Krupp nun mit der Deutschen Bahn auf Schadenersatz. Wie ein Damoklesschwert hängt zudem der Verdacht über dem Konzern, sich auch an einem möglichen Kartell von Herstellern von Blechen für die Automobilindustrie beteiligt zu haben. Ob sich dieser Verdacht bestätigt ist offen. Sollte dies aber der Fall sein, wären die Konsequenzen nicht abzuschätzen - die Autoindustrie gehört zu den größten Kunden von Thyssen-Krupp.
Der Ruf des einst stolzen Unternehmens ist durch Pleiten, Pech und Pannen und die Korruptionsvorwürfe ramponiert. „Es herrschte offenbar bei einigen die Ansicht vor, dass Regeln, Vorschriften und Gesetze nicht für alle gelten“, hat Konzernchef Hiesinger beklagt. Er will aufräumen und eine neue Unternehmenskultur einführen, in der Seilschaften und blinde Loyalität nicht wichtiger sind als unternehmerischer Erfolg. Dafür braucht er die volle Rückendeckung vom Aufsichtsrat.
Zwar sitzt Tischendorf bei dem Essener Stahl und Technologieriesen nicht im Aufsichtsrat, aber das muss nicht so bleiben. Bei der nächsten Hauptversammlung, so heißt es bei ThyssenKrupp, sei zu erwarten, dass ein Cevian-Vertreter in das Kontrollgremium einzieht. Und eine Erhöhung der Anteile an ThyssenKrupp „sei derzeit nicht ausgeschlossen“, heißt es aus dem Cevian-Umfeld.
Damit ist ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger gewarnt. Der Ex-Siemens-Manager hat die finanzielle Krise nach Fehlinvestitionen im Stahl vor seiner Amtszeit noch nicht überwunden; der Gewinn in der ersten Hälfte dieses Geschäftsjahrs lahmte nach Milliardenverlusten und operativen Rückschlägen im Vorjahr.
Jagd in drei Stufen
Was Cevian bei Bilfinger und zuvor beim Düsseldorfer Kranbauer Demag Cranes veranstaltete, mutet wie eine Blaupause für ThyssenKrupp an. Wenn die Schweden als Großaktionäre einsteigen, loben sie die Strategie des Vorstands zunächst über den Klee und zeigen sich kooperativ. Danach beginnt Stufe zwei des „Prozesses“. So nennt Cevian das Heranpirschen an die Chefetage. Dabei entdecken die Skandinavier dann plötzlich „ein noch höheres Potenzial“, berichtet ein Cevian-gebeutelter Manager.
In Stufe drei jagen die Schweden schließlich das Management vor sich her, die ausgemachten Potenziale schnellstmöglich zu heben. Dazu beschäftigt Cevian in Pfäffikon im Kanton Zürich 20 Analysten, die die Beteiligungen unablässig unter die Lupe
nehmen und von den Unternehmen ständig Berge von Daten einfordern. „Wir sitzen nicht mit verschränkten Armen im Aufsichtsrat und hören uns die Vorträge an“, sagt ein Cevian-Vertrauter.





Hinter Cevian steht ein Investitionsvolumen von zehn Milliarden Euro, das in weltweit mehr als 50 Unternehmen steckt. Das Meisterstück in Deutschland war Demag Cranes, wo Statthalter Tischendorf nach dem Einstieg 2010 mit dem Management
die Sanierung durchzog. Als jedoch der US-Konkurrent Terex Interesse für Demag bekundete, ging Cevian auf Konfrontation und setzte Verhandlungen zunächst gegen den Willen des Managements durch. Am Ende erzielte Tischendorf dadurch 2011 einen
Preis, der den Einsatz von Cevian bei Demag verdoppelte.
Auch bei ThyssenKrupp lobte Cevian nach dem Einstieg 2013 erst einmal Konzernchef Hiesinger für seine Aufräumstrategie. Doch dann sprachen Cevian-Emissäre Hiesinger direkt an. Der kam nicht umhin, ausführlich Rede und Antwort zu stehen, diesmal Cevian-Co-Chef Lars Förberg persönlich, der gut Deutsch spricht und für Kontinentaleuropa zuständig ist.
Der Schwede wollte Hiesinger kennenlernen, um sich selbst ein Bild davon zu machen, ob er den Umbau packen kann. Sein abschließendes Urteil steht noch aus.