Es ist nur ein Sprung bis zur großen Kunst. Wenn der Gast des Hotels The Surrey vor die Tür tritt und die New Yorker Madison Avenue überquert, steht er vor dem grauen Klotz, in dem sich das Whitney Museum for American Art befindet. Die 19.000 Werke zählende Sammlung zeigt die Entwicklung der US-amerikanischen Kunst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, von der Pop-Art eines Andy Warhol und Claes Oldenburg bis hin zu grotesken Videoinstallationen einer Bruce Naumann und den bizarren Skulpturen von Alice Aycock. Der Hotelgast könnte aber auch in die Fifth Avenue abbiegen und hinüber zum Guggenheim-Museum spazieren, um die weltbekannte Sammlung moderner Kunst zu besichtigen.
Die Gäste des The Surrey können aber auch einfach auf ihrem Zimmer bleiben und sich auf die Fensterbank hocken, die mit Sinnsprüchen bedruckt ist. Sie könnten auch durch das Hotel streichen, vor dem Zugang zur Bar eine Videoinstallation auf sich wirken lassen oder vor dem Fahrstuhl einen fotorealistischen Wandteppich begutachten, auf dem das Antlitz der ungeschminkten Kate Moss prangt. Chuck Close heißt der Künstler, der dem Luxushotel in der 76. Straße auf der Upper East Side seinen Stempel aufdrückt und so zu einem Haus der Kunst gemacht hat.
Kunstsammler und ihre eigenen Museen
Schraubenkönig Reinhold Würth betreibt neben der Kunsthalle in Schwäbisch Hall und dem Museum am Firmensitz noch elf weitere Museumsstandorte von Norwegen bis Spanien.
Das vom Japaner Tadao Ando gestaltete Museum auf der ehemaligen Raketenstation bei Neuss ist seit 2005 Heimat der Sammlung des Sammlerehepaars Viktor und Marianne Langen.
Der 48 Millionen Euro teure spektakuläre Neubau in München – Baukosten und Unterhalt werden vom Freistaat Bayern getragen – zeigt seit 2009 die Sammlung der Henkel-Erbin Annette und ihres Mannes Udo Brandhorst.
Der Sohn von Franz und Aenne Burda eröffnete 2004 das von ihm finanzierte Museum mit zeitgenössischer Kunst.
Die Sammlung des Verlegers Henri Nannen ist in dem von ihm finanzierten Museum in Emden untergebracht.
Poster, Fotografien, Drucke, Lithografien in hoher Auflage – ohne Kunst kommt heute kein Hotel mehr aus, sie ziert die einfachste Pension ebenso wie das Schlosshotel. Festgenagelt und angeschraubt hat die Kunst meist dekorative Aufgaben und ist nur ein Posten von vielen in der Kalkulation für die Einrichtung eines Zimmers. Kunst gehört zu den Lockstoffen der Hotellerie – neben besternten Restaurants, aufwendig gestalteten Bars oder Spa-Landschaften.
Art Consultants werden bei Neubauten von Hotels genauso selbstverständlich hinzugezogen wie renommierte Köche oder Spa-Consultants. In besonders spektakulären Fällen ist die Kunst gar das zentrale Thema des Hotels. Der Uhrenkonzern Swatch Group hat zum Beispiel in Shanghai das Swatch Art Peace Hotel eröffnet. In dem denkmalgeschützten Gebäude wohnen und arbeiten Künstler für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten und gestalten in der Zeit ihre Umgebung. Die Ergebnisse sollen später zahlenden Gästen den Aufenthalt verschönern.
Manchen Hoteleignern reicht es längst nicht mehr, die öffentliche Bereiche von Empfangshalle bis Swimmingpool mit dem Zierrat unbekannterer Künstler auszustaffieren oder für Marketingzwecke Zimmer als Stipendien zu vergeben. Sie möchten anerkannte Kunst und Talente präsentieren und dadurch ihre beiden Leidenschaften – Kunst und Hotels – an einem Ort zusammenführen.
Die Unternehmersippe Denahin zählt zu dieser Gruppe von Hotelbesitzern. Neben dem New Yorker Hotel The Surrey gehören ihr drei weitere Hotel in den USA, ihr Vermögen basiert auf Immobiliengeschäften. Im Surrey standen der bekannten Innenarchitektin Lauren Rottet 2009 rund 60 Millionen Dollar zur Verfügung, um das Hotel zu renovieren und auch zu einem Tempel der Kunst zu machen.
Werke für 30 Millionen Dollar
31 hochrangige Werke im Wert von 30 Millionen Dollar zieren seitdem das Hotel, das der Vereinigung Relais & Chateaux angehört. Die Amerikanerin Jenny Holzer zog damals mit ihren verfremdeten Fotografien ein – eine ihrer Arbeiten hängt in der Lobby, dort, wo der Concierge Tipps für die beste Joggingstrecke durch den nahen Central Park gibt. Die Kunst ist im Surrey präsent, doch nicht aufdringlich. Manche Arbeiten wie etwa die Grafik „Study for Sneaker Lace – White“ von Claes Oldenburg verstecken sich gar in einer Nische.
Auch in Deutschland steht Kunst im Hotel hoch im Kurs. Die Darmstädter Unternehmerin Claudia Ebert hat für ihr Hotel Budersand in Hörnum auf Sylt gleich einen in beigem Stoff gehüllten Führer drucken lassen. Ebert stammt aus einer Unternehmer- und Kunstsammler-Familie. Ihr Onkel Karl Ströher gehörte bereits in den Sechzigerjahren zu den Sammlern progressiver Kunst, ihr Bruder Thomas Olbricht betreibt in Berlin seit 2010 das private Museum Me Collectors Room. 201 Werke von 40 Künstlern hat sie mit der Hilfe des Kurators Wolfgang Schoppmann für ihr Hotel ausgewählt. „Ich bin nicht die ausgewiesene Kunstkennerin wie mein Bruder“, sagt Ebert, „aber ich denke, dass es wichtig ist, nicht allein plakative Kunst zu zeigen.“
Aufwertung durch Kunst
Beim Bau des Hotels an der Südspitze der Insel keimte bei Ebert der Wunsch, das Haus durch erlesene Kunst aufzuwerten. „Nur die Literatur, die wir in der Bibliothek bieten, reichte mir nicht.“ Nun sind es neben regelmäßigen Konzerten vor allem Werke von zeitgenössischen Künstlern wie Joseph Beuys oder Tim Eitel, die ihren Anspruch erfüllen sollen. Wichtig war ihr, dass die vertretenen Künstler noch leben – Beuys macht die Ausnahme.
Ähnliches treibt den Rostocker Reeder Horst Rahe um. Im kommenden Jahr möchte der ehemalige Eigner der Arosa-Kreuzfahrtflotte und begeisterte Kunstsammler neben seinen Flaggschiffhotels, den A-Rosa-Resorts, die ersten Betriebe einer neuen Marke für junge Menschen eröffnen. „Auch dort soll in den Gängen und in den öffentlichen Bereichen echte Kunst hängen, von jungen Talenten, die am Anfang ihrer Karriere stehen.“ Rahe hat bereits sein erstes Kreuzfahrtschiff mit hochwertiger Kunst ausgestattet: „2,5 Millionen Mark haben wir damals investiert. Für ein Kreuzfahrtschiff war das einmalig“, schwärmt Rahe. In seinen Hotels soll es nicht anders sein. Zu seiner Sammlung zählt auch ein Werk des Impressionisten Max Liebermann, das im Louis C. Jacob an der Hamburger Elbchaussee hängt. „Ich habe in allen Häusern ein Thema, und im Jacob passt natürlich das Gemälde ,Terrasse im Restaurant Jacob‘ von Liebermann“, sagt Rahe.
Hochwertige Kunst in Hotels birgt für die Besitzer allerdings auch gewisse Risiken. „Dass mal ein Mitarbeiter bei den nötigen Arbeiten dagegenstößt, damit muss man rechnen“, sagt Ebert. Dem in allen Hotels der Welt üblichen Phänomen des Diebstahls von Inventar durch die zahlenden Gäste begegnet sie bei der Kunst mit ganz pragmatischen Lösungen: „Die Bilder sind mit den Wänden verklebt.“ Angst vor Kunsträubern hat sie nicht: „Ein Restrisiko bleibt eben immer.“
Ausstellung in der Sutie
Dieses Risiko geht seit diesem Frühjahr auch die Saatchi Gallery aus London ein. Gemeinsam mit dem Hyatt Regency bereichert die Kunstsammlung des Werbe-Millionärs Charles Saatchi nicht nur Hotellobby oder die Restaurants. Bis Ende April können Gäste für 840 Euro pro Nacht eine spezielle „Limited Edition Saatchi-Gallery- Suite“ buchen – dekoriert ist sie mit Neuerwerbungen der Sammlung. Dass die Mitarbeiter bei der täglichen Inventur nicht nur die Bademäntel zählen, sondern auch die Kunstwerke, versteht sich von selbst.
Auch Chester im Orange County ist für Kunstfreunde eine Reise wert. Der deutsche Unternehmer Peter Klein hat 2010 eine Autostunde oder 20 Helikopterminuten von New York entfernt, ein ehemaliges Familienanwesen im toskanischen Baustil zu einem Gästehaus umgebaut. Klein, der vor einigen Jahren sein Unternehmen für Düsentechnik verkauft hat, hat einen Katalog zusammengestellt, der allen Mitarbeitern von Glenmere Mansion die nötigen Eckdaten nennt. Seine Auswahl stammt aus der Sammlung, die er und seine Frau Alison über Jahrzehnte zusammengetragen haben und die in Teilen auch in seinem Museum in seiner Heimatgemeinde Nussdorf in Baden-Württemberg zu sehen ist.
Wechselnde Ausstellung
Der Umbau des Glenmere hat alleine mehr als 30 Millionen Dollar verschlungen. An der Kunst hat Klein dann ebenfalls nicht gespart. Zwischen 20 000 und 50 000 Euro gab er für die Bilder aus. Die meisten sind Lithografien aus kleinen Auflagen zwischen 10 und 20 Exemplaren. Um sanfte Kunstdidaktik ging es Klein bei der Auswahl von rund 150 Stücken nicht: „Die Prämisse war bei jedem Ort, dass das Bild in die Umgebung passt.“ Arbeiten von Sean Scully oder Andy Warhol fügen sich ebenso in das kuschelige Ambiente wie Gemälde von jungen Talenten aus der Leipziger Schule. Klein sieht sein Hotel nicht als fertiges Projekt. Durch den Wechsel der Gemälde kann er neue Akzente setzen.
Einer der bekanntesten Unternehmer Deutschlands mit einer weltbekannten Kunstsammlung, mehreren Museen und mehreren Hotels ist Reinhold Würth. Rund 14 000 Skulpturen, Gemälde und Grafiken umfasst die Sammlung Würth, die unter anderem in der Kunsthalle Schwäbisch Hall und einem Museum in Künzelsau zu besichtigen ist. Die Leiterin von Würths Kunstaktivitäten, Sylvia Weber, hat auch die Aufsicht über die Auswahl der Werke, die auch in Würths Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe hängen. Dort sorgen moderne Gemälde dafür, dass der Gang vom Zimmer zum Spa zum Erlebnis wird. Die Kunstausstellung hier bleibt zahlenden Gästen vorbehalten. Der Eintritt in Würths Museen hingegen ist frei.