Wäre Thomas Althoff der Inhaber eines Unternehmens zum Betrieb von Opernhäusern, dann würden dort die Aufführungen von positiven Kritiken überhäuft, das Publikum würde sich mit stehenden Ovationen bedanken, und die einzelnen Standorte würden auch noch Geld verdienen.
Althoffs Bühnen sind jedoch Restaurants, seine Dirigenten sind Maitres, und seine Heldentenöre, die Stars, die jeder kennt, stehen am Herd. Sie zählen zu den besten Köchen Deutschlands. Joachim Wissler, Chefkoch des Restaurants Vendôme im Grandhotel Schloss Bensberg auf einer Erhebung vor den Toren der Stadt Köln, ist gar als erster deutscher Koch unter den ersten zehn der besten Köche der Welt, auf einer Top-100-Liste, die ein britisches Gourmetmagazin zusammen mit dem Mineralwasserproduzenten San Pellegrino jährlich erstellt – deutlich vor dem ersten französischen Koch auf der Liste auf Platz 16.
In Deutschland kann dem Gourmetunternehmer Althoff keiner den Champagner reichen. Fünf Luxushotels betreibt der gebürtige Wuppertaler in Deutschland unter der Dachmarke Althoff Hotel Collection. In zwei Betrieben sind die Gourmetrestaurants mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet, in einem mit zwei und einem weiteren mit einem Stern. Die Restaurants in seinen Hotels in St. Tropez, der Villa Belrose und das Seven Park Place im Londoner St. James’s Hotel & Club sind ebenfalls mit einem Stern versehen. Diese Fülle an kulinarischen Würdigungen des Guide Michelin, denen die Führer von Aral über Gault Millau bis Varta mehr oder minder wortreich folgen, ist in Deutschland einzigartig.
Sterneküche in Deutschland, das heißt Mittelstand, Unternehmer und oft auch Sponsoren. Der Unternehmer und ehemalige RWE-Chef Jürgen Großmann ist Inhaber des La Vie in Osnabrück, das unter Thomas Bühner drei Sterne erkocht hat. Die Baiersbronner Schwarzwaldstube gehört ebenso wie das auch dort ansässige Bareiss, das Sonnora in Dreis oder auch das Aqua in Wolfsburg zu Hotels. Zu den Einzelkämpfern zählen Klaus Erfort, der in Saarbrücken sein Gästehaus führt und dort zugleich eine Brasserie leitet.
Profitabel wirtschaften allein mit dem Verkauf von extrem aufwendig zuzubereitenden Speisen wie Horse-Makrele in Sardinen-Limonen-Creme mit Melonen-Kimchi ist schwer in Deutschland, wo Vorspeisen für 130 Euro wie in Paris oder Menüs für 380 Euro wie in Monaco den Gästen nicht zu vermitteln sind. Die Leistung auf dem Teller sei bei gleicher Bewertung jedoch die gleiche, ob im Hunsrück oder in Tokio, darauf legt der Guide Michelin wert.
Gourmetrestaurants als Marketingschwerpunkt
Als Mäzen sieht sich der 60-jährige Althoff sicher nicht. „Unsere Restaurants müssen wirtschaftlich sein“, sagt er mit seiner durchgängig entwaffnenden Freundlichkeit, die er nicht abzurufen braucht, sondern von der er durchwirkt zu sein scheint. „Es ist schwer, sich seinem einnehmenden Wesen zu entziehen“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, Fluktuation ist bei seinen Führungskräften selten. Rechnen gelernt hat Althoff spätestens in seiner Ausbildung in Wuppertal in der Wicküler Brauerei. „Das erste Fernsehbier Deutschlands“, sagt Althoff, der damals Marketing zu schätzen lernte. Die Liebe zu Hotels entdeckte er während seiner Reisen mit den Eltern. Sie wurde stark. 21 Jahre alt war er, als er einen Bankmitarbeiter um einen Kredit bat, um zusätzlich zu seinem ersparten Eigenkapital Geld zu bekommen, um in Aachen ein Hotel zu pachten. Er bekam das Geld. „Der Banker war auch davon beeindruckt, dass ein junger Mensch so viel Geld gespart hatte“, sagt Althoff. 40 Zimmer hatte das Hindenburg – „vier mit eigenem Bad“. Wie ein Hotel zu leiten sei, das erschloss sich der Twen mit „Trial and error“.
Nur ein Jahr später schon verließ er Aachen, um im Schwarzwald ein größeres Haus zu pachten und zu leiten. „90 Zimmer, und alle hatten ein Bad und WC.“ Vom Schwarzwald ging es in den Harz und danach für drei Jahre zur amerikanischen Hotelvereinigung Best-Western, die er mit in Deutschland aufbaute. Hier lernte er viel über Marketing und noch mehr darüber, die eigenständigen Unternehmer unter der Dachmarke Best Western zusammenzuführen.
Als er genug an Wissen mitgenommen hatte, kehrte er Ende der Achtzigerjahre zur Selbstständigkeit zurück, zu Beginn mit zwei Hotels in Köln, eines davon das Regent, das er auch heute noch betreibt unter der zweiten Marke der Gruppe Althoff Collection, Ameron, mit derzeit neun Hotels für Geschäftsreisende von Berlin über Bonn bis Luzern. Erst jetzt kam eine Leidenschaft zum Tragen, die er in seiner Aachener Zeit Mitte der Siebzigerjahre entwickelte: die zum guten Essen. „In Aachen gab es schon gute Gastronomie und dann die Nähe zu Brüssel oder Paris“, erinnert sich Althoff. Seine Heimatstadt Wuppertal hatte ihn nicht geprägt. „Da gab es einen Jugoslawen.“ Heute sind die Gourmetrestaurants seiner Luxushotels ein Schwerpunkt des Marketings, Althoffs Star-Ensemble aus Solisten zieht Gourmets aus aller Welt an.
Dass es dazu kam, verdankt sich Althoffs Mut. Die Neunzigerjahre waren die Phase der Skepsis in der Branche. Man fragte sich, ob Luxus in der Hotellerie, wie er traditionell durch großzügige Ausstattung und viel Personal verkörpert wird, noch Zukunft hat. Althoff glaubte an Luxus und eröffnete 1992 das Schlosshotel Lerbach. Damit begann die Ära Dieter Müller, Koch des Jahres 1988, den Althoff davon überzeugen konnte, aus den Schweizer Stuben in Wertheim-Bettingen in die ehemalige Bildungsstätte Lerbach inmitten eines großzügigen Parks zu kommen. Mit Müller, zu dessen Ehren eine Rosenzüchtung seinen Namen erhielt, kam der kulinarische Erfolg, 1993 der erste, 1994 der zweite und 1997 schließlich der dritte Stern.
Rückhalt für die Chefs
Christian Jürgens weiß, wie es sich anfühlt, den dritten Stern verliehen zu bekommen. Als Weihnachten, Geburtstag, Olympia- und Championsleague-Sieg an einem Tag bezeichnete er die Verleihung Mitte November in Berlin, als er für seine Arbeit im Gourmetrestaurant Überfahrt mit der bestmöglichen Wertung ausgezeichnet wurde. Der Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann umarmte ihn und betonte, dass er immer daran geglaubt habe.
Das tut auch Althoff. „Ich biete dem Küchenchef die Bühne, die er braucht, um so zu kochen, wie er es für richtig hält.“ Was gekocht wird, das ist Althoff nicht egal. Aber er lässt seinen Küchenchefs Freiheiten. Im Organigramm stehen sie auf der gleichen Stufe wie die Hoteldirektoren.
Wissler schätzt die Mischung aus Freiheit und Verantwortung: „Ich führe den Betrieb so, als wäre es mein eigener.“ Aber die Zeit, die er gewinne, weil administrative Dinge wie die Buchhaltung in der denkbar schmucklosen Althoff-Zentrale an einer Ausfallstraße im Kölner Westen miterledigt werden, die mache den Unterschied, um nachzudenken über das eigene Metier. Wissler denkt erfolgreich nach, der französische Starkoch Alain Ducasse gestand unlängst in einem Interview mit dem „Zeit-Magazin“, dass er einen Blick in dessen jüngstes Kochbuch werfen wolle.
Wie er die richtigen Köche finde? „Es muss passen“, sagt Althoff. Köche, die er für Projekte begeistern wollte, schwärmen von seiner verbindlichen, gewinnenden Art, die er auch nicht ablegt, wenn er nicht bekommt, was er möchte. Es ist schwer, jemanden zu finden, der etwas zu kritisieren hätte am Unternehmer Althoff, der auch in schweren Zeiten zu seinen Mitarbeitern steht.
Als dem Gourmetrestaurant Schlosshotel Lerbach 2011 der dritte Michelin-Stern aberkannt wurde, hielt Althoff an seinem Küchenchef Nils Henkel fest, den er früh als Nachfolger von Dieter Müller aufgebaut hat. „Natürlich fragt man sich, ob man alles richtig gemacht hat“, sagt Henkel. Der gebürtige Kieler ist davon überzeugt, den richtigen Weg zu gehen, und Althoff stärkt ihm den Rücken. „Wir arbeiten dafür, den Stern zurückzubekommen.“
Althoff tut das vor allem im Hintergrund. Charmant und verbindlich überlässt er Aufmerksamkeit und Rampenlicht seinen Führungskräften. „Das Recht auf Träume, die wahr werden“, steht als Motto im Besprechungsraum der Kölner Unternehmenszentrale, von der aus 1200 Mitarbeiter gesteuert werden. Hier entstehen die Pläne für neue Hotels wie die Kaffeebörse in der Hamburger Speicherstadt.
Ein Traum ist dem kulinarischen Intendanten Thomas Althoff besonders teuer. „In Paris ein Hotel, das würde ich mir wünschen“, sagt er. Das Immobiliengeschäft in Paris sei jedoch komplex, ein Haus dort zu bekommen sehr schwierig. Aus den Augen wird er diesen Traum aber wohl ebenso wenig verlieren wie seine Köche den Ehrgeiz nach den höchsten Auszeichnungen in den Restaurantführern: „Ich bin schließlich selber Mitarbeiter.“