„Lokalregierungen führen einen Wettbewerb untereinander“, sagt David Ye von der Unternehmensberatung Roland Berger. „Jeder will das neueste, modernste Museum haben.“ Manche erhoffen sich von einem Museum auch einen Wertsteigerungseffekt für Immobilien in der Umgebung, anderen geht es um Prestige.
Ye ist Autor einer Studie, die sich mit dem Boom kritisch auseinandersetzt. Denn die meisten großen Ausstellungen sind leer. Viel können Chinesen mit Kunst bislang nicht anfangen: Bei einer Umfrage unter Shanghais Stadtbevölkerung gaben elf Prozent an, sie würden einen Museumsbesuch als Freizeitaktivität in Betracht ziehen.
Letztlich unterscheidet sich der Museumsboom in China nicht von anderen megalomanen Projekten. So ist in der Inneren Mongolei eine Stadt für 300.000 Menschen gebaut worden, in der gerade einmal 70.000 leben. Auch die riesigen Bahnhöfe in Provinzstädten sind meist menschenleer. Der Slogan lautet: „Erst mal bauen wir, die Leuten werden schon kommen“, sagt Mathieu Borysevicz, ein Berater für Kuratoren in Shanghai. Die Regierung setzt auf die wachsende urbane Mittelschicht des Landes. Denn erst, wenn materielle Bedürfnisse gedeckt sind, entstehe auch der Wunsch nach Bildung.
Rund 250 Millionen Menschen verdienen heute mehr als 18.000 US-Dollar im Jahr. Diese Schicht soll sich in den nächsten Jahren verdoppeln – und für Kunst interessieren. Zudem hat China im internationalen Vergleich noch immer sehr wenige Museen: Im Schnitt eines für 550.000 Einwohner. Bis zum Ende des Fünfjahresplans soll ein Museum auf 250.000 Einwohner kommen. In Tokio liegt der Wert bei eins zu 99.000. „Die Nachfrage wird wahrscheinlich entstehen, denn immer mehr Familien sehen Bildung als Wert an sich“, sagt David Ye von Roland Berger.
Ob sich das Interesse an Kunst staatlich verordnen lässt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Für die meisten Chinesen ist ein Museumsbesuch etwas völlig Neuartiges. „Er gehört nicht zur chinesischen Kultur“, sagt Berater Borysevicz. „Für die meisten Chinesen ist Kunst ein Luxusinvestment und keine spirituelle Bereicherung.“
Museumsbesucherin Sarah Xu arbeitet selbst in einer Galerie und besucht mindestens zweimal im Monat ein Museum. Die Shanghainesin meint, die Museen täten zu wenig, um Besucher anzulocken. „In der Schule wird Kindern viel zu wenig über Kunst beigebracht“, sagt die 37-jährige Mutter. „Die Regierung sollte mehr tun, als nur billige Tickets anzubieten.“
Zudem werden die Gebäude oft mit einem Mangel an Fantasie geführt. So reiht das Glas-Museum in Shanghai Glasobjekt an Glasobjekt und ermüdet selbst den gutwilligsten Besucher. Was fehlt, ist geschultes Personal – und eine Vision. Kooperationen mit Schulklassen gibt es kaum. „Die Museen müssen da besser werden“, sagt David Ye. Der Schulunterricht konzentriere sich auf naturwissenschaftliche Fächer, eine umfassende Bildung komme zu kurz. Deswegen sei es wichtig, mit einer Ausstellung eine Geschichte zu erzählen.