Siemens-Chef Joe Kaeser "Ab 2016 wachsen wir"

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„Handle so, als wäre es dein eigenes Unternehmen“.

Verstehen Sie, dass die Menschen sich aufregen, wenn ein Manager mit dem Hubschrauber den Stau umfliegt?
Es kommt auf die Alternativen an. Wir haben auch Firmenflugzeuge. Die nutze ich aber in der Regel nur für innereuropäische Flüge, weil man durch fest vorgegebene Flugpläne, Einchecken und die Sicherheitskontrollen viel Zeit verliert. Für Interkontinentalstrecken nutze ich in der Regel Linienflüge. Da breche ich mir keinen Zacken aus der Krone, die ich nach Meinung einiger angeblich trage.

Wie schafft man es, als Top-Manager nicht abzuheben?
Das fängt bei der grundsätzlichen Einstellung an. Für mich gilt die Maxime „Handle stets so, als wäre es dein eigenes Unternehmen“. Wenn ich das Firmenflugzeug nehme, frage ich mich jedes Mal, ob ich es auch tun würde, wenn es meine eigene Firma wäre. Ansonsten kann ich nur jedem Manager empfehlen, öfter mal in den Fabriken und bei den Menschen im Unternehmen vorbeizuschauen.

Was alles einmal zu Siemens gehörte
Joe Kaeser Quelle: dpa
Wolfgang Dehen Quelle: dpa
Kaffee tropft aus einem Kaffee-Vollautomaten in eine Tasse Quelle: dapd
Gigaset-Telefone Quelle: dapd
Stopp-Schild vor einem Gebäude mit dem Benq-Logo Quelle: AP
Schild Nokia Siemens Networks Quelle: dpa
Infineon-Fabrik Quelle: REUTERS

Muss ein Top-Manager sich an gesellschaftspolitischen Debatten beteiligen?
Ja, als Unternehmenslenker muss man sich in die gesellschaftspolitische Debatte einbringen. Die materiellen Fehlentwicklungen der Energiewende zum Beispiel hätte die deutsche Wirtschaft verhindern müssen. Hier hat sich die Wirtschaft offenbar zu wenig im Vorfeld eingebracht, uns eingeschlossen. Das Problem mit dem Einmischen als Top-Manager ist allerdings, dass man sich sehr schnell Kritik einhandelt, etwa nach der Devise: „Der soll erst mal sein eigenes Unternehmen in Ordnung bringen.“

Ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema ist die Frauenquote. Wie fördern Sie bei Siemens weibliche Führungskräfte?
Man muss früh damit anfangen und vor allem nicht nur Frauen im Job fördern, sondern Vielfalt insgesamt. Wir verfolgen einen globalen Ansatz bei der Nachwuchsförderung. Siemens ist in 134 Ländern dieser Welt vertreten und macht in 212 Ländern Geschäfte. Dadurch haben wir einen gigantischen Talentpool.

Die einzige verbliebene Frau im Siemens-Vorstand hat ihren Schreibtisch im texanischen Houston.
Houston ist das weltweite Zentrum der Öl- und Gasindustrie. In Deutschland wurde die fossile Energieerzeugung durch die Energiewende radikal zurückgedrängt. Da muss man als Unternehmer dann sehen, wo in der Zukunft die Märkte für diese Geschäfte sind. Bei der fossilen Energieerzeugung ist das vor allem auch Nordamerika. Deshalb führen wir das Geschäft von dort aus. 2016 werden in den USA voraussichtlich mehr Gasturbinen verkauft werden als in den kommenden zehn Jahren in ganz Europa.

War Ihr Besuch im Frühsommer beim russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Fehler, oder würden Sie es jederzeit wieder so machen?
In der Rückschau würde ich sagen, dass man in der Bewertung des Umfelds eines solchen Besuchs vorsichtiger sein sollte.

Aber Ihre damalige Einschätzung, bei dem Konflikt handle es sich um „kurzfristige Turbulenzen“ war falsch, oder?
Die Formulierung im Interview des „Heute Journals“ wurde später von anderen völlig aus dem Zusammenhang gerissen und damit in der Bewertung verzerrt. Ich hatte gesagt, Siemens blicke auf eine 160-jährige Geschichte in Russland und habe zwei Weltkriege überstanden. Mir ging es dabei also um eine zeitliche Einordnung, nicht um eine Relativierung der Ereignisse.

Wenn Sie den Blick nach Westeuropa richten, denken Sie, dass das Schlimmste der Krise hier überstanden ist?
Es war und ist doch im Grunde eine Innovations- und Schuldenkrise in Ländern, die schon vor Jahrzehnten ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren hatten und jetzt zum Teil schmerzhafte strukturpolitische Anpassungen vornehmen müssen. Ländern wie Irland ist das gut gelungen. Spanien und Portugal arbeiten immer noch hart daran. Einige andere sind offenbar strukturell noch nicht weit genug gekommen.

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