Tourismus in Thailand Ein Paradies leidet unter seinem Erfolg

Thailand profitiert von den Sicherheitsbedenken in Europa und erlebt einen beispiellosen Touristenboom. Doch vielerorts ist das Land dem Ansturm nicht gewachsen. Die schönsten Teile des Landes drohen zerstört zu werden.

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In diesem Jahr wird ein neuer Rekord von 34 Millionen Besuchern erwartet – 20 Millionen mehr als noch vor zehn Jahren. Quelle: Imago

Hua Hin Das Gedränge vor seinem Restaurant liebt der Mann, der sich seinen Gästen als Mr. Pai vorstellt. Abend für Abend positioniert er sich vor dem Eingang seiner Gaststätte im Nachtmarkt des thailändischen Badeortes Hua Hin. Seine Aufgabe: Kunden ins Lokal zu locken. Besonders schwer sei das gerade nicht, sagt Mr. Pai während sich die Touristen reihenweise an ihm vorbeischieben. „Es ist nicht einmal Hochsaison und trotzdem kommen so viele Leute“, sagt er. „Besonders die Chinesen werden immer mehr.“

Ungeachtet von wirtschaftlichen Krisen und Sicherheitsbedenken rund um den Globus sowie politischen Turbulenzen im eigenen Land boomt Thailands Tourismusindustrie. Die Branche rechnet in diesem Jahr mit einem neuen Rekordwert von 34 Millionen Besuchern – 20 Millionen mehr als noch vor zehn Jahren. Der rasante Aufstieg des südostasiatischen Schwellenlandes zu einem der beliebtesten Reiseziele der Welt freut aber nicht jeden. Er bringt jedoch Probleme mit sich: Denn vielerorts ist das Land dem Ansturm nicht mehr gewachsen.

Tunya Netithammakul war der erste, der in diesem Jahr Alarm schlug. Er leitet die Behörde, die Thailands Nationalparks verwaltet. Zu einem solchen Schutzgebiet gehört auch die Insel Koh Tachai in der thailändischen Andamanensee. Besuchern bietet sie einen tropischen Traumstrand und vor der Küste perfekte Bedingungen für Taucher und Schnorchler. Ein Reiseportal erklärte die Insel erst vor einem Jahr zu der schönsten von ganz Thailand. Doch ab Oktober wird ihr Anblick den Touristen verwehrt bleiben: Behördenleiter Tunya erklärte sie zur Sperrzone.

„Es kommen so viele Menschen auf die Insel. Sie ist einfach überfüllt“, erklärte er vor wenigen Wochen. Die Strände der relativ kleinen Insel böten eigentlich Platz für 70 Leute. Zuletzt fanden sich seinen Angaben zufolge jedoch bis zu 1000 Menschen gleichzeitig auf Koh Tachai ein. „Es ist zu viel, das kann die Insel nicht aushalten“, sagte er. „Wir müssen sie schließen, damit sie sich von den Touristen erholen kann. Ansonsten droht enormer Schaden.“

Die Insel ist nicht der einzige Ort, der am Besucheransturm leidet. Thailands Marinebehörde untersagte Ende Mai Touristenausflüge zu drei populären Korallengebieten in der Nähe der stark frequentierten Urlauberdestination Phuket. Mindestens 60 Schnellboote mit Schnorchlergruppen hätten die Gegend zuletzt jeden Tag angesteuert. „Das hat das Ökosystem im Meer massiv beschädigt“, sagte der zuständige Beamte Watcharin Na Thalang.

Die Beschränkungen sind für Thailand jedoch eine ambivalente Angelegenheit. Der Tourismus ist für die Wirtschaft, die unter einem schwachen Exportgeschäft leidet, die wichtigste Stütze. Die Branche verdient prächtig: Bereits im vergangenen Jahr setzte sie laut der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) 44,6 Milliarden Dollar um – 22 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Mit diesen Einnahmen, die mehr als zehn Prozent des thailändischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen, lag das Land 2015 auf Rang sechs der umsatzstärksten Tourismusdestinationen der Welt – nur geschlagen von den deutlich größeren Volkswirtschaften USA, China, Spanien, Frankreich und Großbritannien.


Bis 2020 noch einmal 50 Prozent mehr Besucher

Der Tourismusboom kommt nicht zuletzt aus Fernost: Erstmals sollen in diesem Jahr mehr als zehn Millionen Chinesen nach Thailand kommen. Weil chinesische Urlauber wegen der jüngsten Anschläge zunehmend vor Europa-Reisen zurückschrecken, könnte Thailand als Alternative zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Wegen der enormen Bedeutung der Branche wollen Thailands Tourismusverantwortliche den Boom keinesfalls stoppen. Im Gegenteil: Sie sind auf der Suche nach weiteren Wachstumsmärkten. In der Zeitung „Bangkok Post“ kündigten Vertreter des Fremdenverkehrsamtes am Freitag an, besonders Deutschland in den Fokus rücken zu wollen – und anderem mit intensiven Kampagnen in Düsseldorf und Köln. Die Bundesrepublik sehen sie als größten Hoffnungsträger in Europa.

Thailands Infrastruktur hat aber schon jetzt Probleme, mit den vielen Gästen zurechtzukommen. An den Passkontrollen und Taxiständen der internationalen Flughäfen bilden sich regelmäßig lange Warteschlangen. Der Don-Mueang-Flughafen in Bangkok musste erst vergangenes Jahr seinen Plan für verschärfte Sicherheitskontrollen zurücknehmen, weil es für die vielen Passagiere schlichtweg nicht genug Gepäckscanner gab. Auch der Flughafen in Phuket platzt aus allen Nähten: Ausgelegt ist er für 6,5 Millionen Passagiere im Jahr. Fast die doppelte Menge musste zuletzt abgefertigt werden. Nach Verzögerungen soll nun zum Jahresende die Eröffnung eines neuen Terminals Abhilfe schaffen.

Die Entspannung könnte aber nur von kurzer Dauer sein. Die Pacific Asia Travel Association, eine Organisation, die sich für verantwortungsbewussten Tourismus einsetzt, geht davon aus, dass Thailands Besucherzahl bis 2020 auf 50 Millionen wachsen könnte – das wäre ein weiteres Plus um 50 Prozent. „Angesichts dieser Entwicklung muss es darum gehen, die Nachfrage zu lenken, anstatt sie einfach weiter anzufachen“, forderte die Organisation im vergangenen Jahr.

Die Kritik an dem Management der Touristenströme teilt auch der Meeresbiologe Thon Thamrongnawasawat. Er zeigte sich jüngst in einem Zeitungsbericht schockiert über die Besuchermassen auf der Insel Koh Phi Phi, die durch den Leonardo-DiCaprio-Film „The Beach“ weltweit bekannt wurde. Auf dem Strand gab es nach seiner Darstellung nur noch Stehplätze. „Die Einnahmen sind zwar hoch“, sagte er nach seiner Rückkehr nach Bangkok. „Aber ich glaube nicht, dass sie es wert sind, wenn man bedenkt, was von den Inseln übrig bleibt.“

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