Gasverträge gekündigt Energieversorger EWE wirft Gaskunden raus – aus Versehen

Der EWE-Konzern mit Sitz in Oldenburg in Niedersachsen ist eines der größten Versorgungsunternehmen in Deutschland mit einem von Umsatz 6,1 Milliarden Euro. Quelle: dpa

Gaskunden zittern derzeit, wenn Post von ihrem Anbieter kommt. Deshalb erscheint ein Fehler des norddeutschen Versorgers EWE besonders heikel. Der hat Kündigungen verschickt, trotz Preisgarantie, an Kunden außerhalb der „Heimatregion“ – und dann alles widerrufen. Wie bitte?

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Die Lage ist angespannt gerade, bei Strom- und Gasanbietern und ihren Kunden. Die einen, wie die Stromanbieter ExtraEnergie, aber auch E.Vita, erhöhen Preise trotz Preisgarantie, was zumindest das Düsseldorfer Landgericht per einstweiliger Verfügung für nichtig erklärt hat. Die anderen – kleinere Anbieter, aber selbst Riesen wie E.On – werfen Kunden zum Ende ihrer Vertragslaufzeit raus. Die Begründung ist immer dieselbe: Die Preise auf den Strom- und Gasmärkten sind so hoch, wir können uns eure Verträge nicht mehr leisten. Tut uns leid. Für Verbraucher bedeutet das: Stress. Finanzielle Belastung. Handlungsdruck. Was steht in dem Brief? Was kostet die Grundversorgung? Wie teuer wird’s jetzt für mich – und vor allem: Ab wann?

Kündigung vor Ende der Laufzeit

Der EWE-Konzern, eines der größten Versorgungsunternehmen in Deutschland, Umsatz 6,1 Milliarden Euro, über 9500 Mitarbeitende, hat sich in dieser Situation einen heiklen Fehler geleistet: Das Unternehmen mit Sitz in Oldenburg in Niedersachsen hat Gas-Kunden ihre Verträge gekündigt, vor Ende der Laufzeit, trotz Preisgarantie – und die Kündigung wenig später wieder zurückgezogen. So sorry.

Was genau ist passiert? Vor wenigen Tagen hat EWE Kündigungsschreiben verschickt. In denen heißt es: „Die aktuelle Situation an den Energiemärkten stellt auch EWE als einen der größten regionalen Energieversorger aus dem Nordwesten vor große Herausforderung.“ Tatsächlich hat EWE – wie auch die großen Gashändler Uniper, die VNG oder die Sefe, die frühere Gazprom Germania – Hilfen aus der Gasumlage beantragt, trotz Gewinnen. Und nun wird dem Kunden mitgeteilt: „Gerade jetzt ist es wichtig, die Versorgungssicherheit in der Heimatregion zu gewährleisten.“ Wir müssen uns jetzt um die Norddeutschen kümmern, lautet also das Argument. Ein Kunde, der in einem anderen Teil der Republik lebt, erfuhr dann: „Da ihre Lieferstelle außerhalb unserer Heimatregion liegt, müssen wir Ihnen mitteilen, dass der Vertrag für Ihr Produkt zu den aktuell günstigen Konditionen nicht über die vereinbarte Erstlaufzeit hinaus fortgeführt werden kann.“ Dann wird dem Gas-Kunden zu Ende Oktober gekündigt und freundlich auf die Grundversorgung verwiesen – obwohl der eine Vertragslaufzeit bis Ende des Jahres hat, mit Preisgarantie. 

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„Hier liegt ein Fehler vor“

Offenbar gibt es bei EWE mehrere vergleichbare Fälle, das Unternehmen macht zu der Zahl der Betroffenen keine Angaben. Geschockte EWE-Kunden jedenfalls haben sich an die Seite Verbraucherhilfe Stromanbieter gewandt, die von dem Verbraucheraktivisten Matthias Moeschler betrieben wird. Moeschler bietet Stromkunden dort Unterstützung, verfolgt auch kommerzielle Interesse. Der WirtschaftsWoche liegen Kündigungsschreiben und Vertragsdokumente vor. Warum greift der renommierte Versorger jetzt zu dieser drastischen Maßnahme? Auf Anfrage bei EWE hieß es am Donnerstag dazu überraschend: Na, aus Versehen! Oder genauer: „Es trifft bedauerlicherweise zu, dass EWE aktuell Kunden außerhalb des Heimatmarktes Kündigungen hat zukommen lassen, die nicht korrekt waren. Hier liegt ein Fehler vor. Wir bedauern diesen Fehler außerordentlich und sind bereits dabei, die betroffenen Kunden darüber zu informieren und die Kündigungen rückgängig zu machen.“ Alle Kündigungen seien gegenstandslos.

Ein Fehler, trotz dieser ausgefeilten Begründung? Hat da die IT gesponnen? Oder was war da los? Das Unternehmen macht zu der Fehlerquelle keine Angaben. Aber auf Nachfrage, ob die betroffenen Kunden denn nun damit rechnen müssten, dass ihre Verträge dann mit derselben Begründung – dann eben fehlerfrei – zum Ende der Laufzeit gekündigt werden, heißt es schlicht: „Nein.“  Trotzdem mutet das Versehen seltsam an, denn auch wenn bei den Details und den Fristen Fehler aufgetreten sein mögen, so ist die Begründung mit der Situation auf den Energiemärkten ja nicht von der Hand zu weisen. Und auch bei der speziellen Fürsorge für die „Heimatregion“ muss sich ja irgendjemand bei EWE irgendetwas gedacht haben. „Wir haben durchaus in der Vergangenheit Kunden außerhalb der Heimatregion korrekt gekündigt“, heißt es dazu erklärend von EWE, „daher der Textbaustein in den genannten Kündigungsfällen.“

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Am Donnerstag jedenfalls haben betroffene Kunden tatsächlich ein Schreiben erhalten, Überschrift: „Klarstellung: Ihr Gasvertrag läuft weiter“. Darin heißt es. „Wir möchten Ihnen an dieser Stelle mitteilen: Diese Kündigung hätte nicht erfolgen dürfen, da sie vor dem Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit ausgesprochen wurde. Daher teilen wir ihnen heute mit, dass die Kündigung ihres Gasvertrags wirkungslos ist.“ Man bitte für diesen Fehler „ausdrücklich“ um Entschuldigung.

Lesen Sie hier, warum selbst der Energieriese E.On Kunden derzeit kündigt – allerdings zum Ende der Vertragslaufzeiten.

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