Global Risk Map Die gefährlichsten Länder der Welt für Unternehmen

Wo Investoren und Unternehmen 2011 weltweit mit neuen Gefahren rechnen müssen, zeigt die aktuelle Risikokarte des Sicherheitsdienstleisters Control Risks.

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Drogenkrieg in Mexiko Quelle: LAIF/REDUX/NEW YORK TIMES

Wenn die Sicherheitschefs deutscher Unternehmen unter sich sind – etwa bei Fachkongressen –, fallen professionelle Vorsicht und Zurückhaltung von ihnen ab, dann wird ausgesprochen, was die Öffentlichkeit nicht hören soll. Der Sicherheitsverantwortliche eines Dax-Konzerns etwa schweift von seinem Thema „Terrorprävention“ ab und berichtet über einen krassen Fall, von dem in keiner deutschen Zeitung zu lesen war: „In Südafrika wurde kürzlich einer unserer Mitarbeiter hinterrücks erschossen.“

Der Sicherheitsexperte eines global tätigen Konzerns aus Süddeutschland erzählt: Aus Südamerika meldete ein verängstigter Mitarbeiter, seine Tochter sei gekidnappt worden. Die Täter forderten, sofort 3000 Dollar zu zahlen, sonst werde das Kind getötet. Doch plötzlich meldete sich das Mädchen guter Dinge per Handy – die Straftat war vorgetäuscht. „Virtuelles Kidnapping“ nennen das Experten. Seine Aufgabe beschreibt der Sicherheitsexperte, der die Story preisgab, so: „Wir sensibilisieren Mitarbeiter für ihr Umfeld im Ausland und bereiten sie in praxisnahen Trainings auf sicherheitsrelevante Situationen intensiv vor.“

Fälle wie diese fließen – ebenso wie politisches Umfeld, Terrorismus, Rechtssicherheit und viele andere Faktoren – in die Beurteilung der globalen Risiken durch internationale Sicherheitsdienstleister ein. Die bekannteste Analyse stellt das Sicherheitsserviceunternehmen Control Risks in seiner jährlich erscheinenden Risikokarte für alle Länder der Welt plakativ dar. Die Weltkarte, in der Control-Risks-Experten das Risiko in über 200 Ländern auf einer Skala von „unbedeutend“ bis „extrem hoch“ einschätzen, gehört in den Sicherheitszentralen vieler Unternehmen zum Wandschmuck.

Am Montag legte der Sicherheitsspezialist mit 34 Niederlassungen und rund 1500 Mitarbeitern weltweit – davon 30 in Berlin – die neue Risikokarte vor. Die WirtschaftsWoche bekam Einblick in die begleitenden Analysen.

Sicherer ist die Welt demnach nicht geworden. In 17 von 202 Ländern bewertet Control Risks politische oder Sicherheitsrisiken negativer als 2010, für elf Länder haben sich die Einschätzungen verbessert. Auch im Zehnjahresvergleich nimmt der Anteil von Ländern mit hohem oder extrem hohem Risiko zu – von 13 Prozent in der Karte für 2001 auf 16 Prozent in der Einschätzung für 2011.

Erpressung ist alltäglich

Ein bedrückendes Kapitel widmet Control Risks den Drogenkartellen in Mittel- und Südamerika. Sie entwickeln sich zur Gefahr für die legale wirtschaftliche Entwicklung und für Auslandsinvestments.

Mexiko etwa, das lange als Vorbild unter den Schwellenländern Lateinamerikas galt, wird für ausländische Unternehmen ein immer gefährlicherer Standort. „Erpressung ist alltäglich“, heißt es in der Analyse. Kriminelle und legale Strukturen vermischten sich: Die Drogenkartelle nutzten zunehmend Transportmittel und Lager legaler Unternehmen. Zwar stehe Mexiko als Staat nicht insgesamt vor dem Scheitern, doch Gewalt, Korruption und rechtsfreie Räume „werden fortdauern“.

Besonders krass ist das in Ciudad Juárez unweit der Grenze zu den USA zu beobachten. Die Stadt gilt als eine der brutalsten der Welt. Der Anti-Drogen-Kampf des mexikanischen Präsidenten Felipe Calderon entfesselte einen Krieg, der seit Beginn der Regierungsoffensive 2006 rund 30.000 Menschen das Leben kostete. 3100 davon starben allein 2010 in Ciudad Juárez.

Nach der Gründung der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta waren in Ciudad Juárez zahlreiche Fabriken gebaut worden. Heute kehren frühere Zuwanderer aus anderen Teilen Mexikos dem brutalen Millionenmoloch am Rio Grande aus Angst den Rücken. Ein europäisches Unternehmen, weiß Hans-Jürgen Stephan, Deutschland-Chef von Control Risks, hat seine Niederlassung in der nordmexikanischen Stadt 2010 dichtgemacht. Sein Kollege Michael Denison aus der Londoner Control-Risks-Zentrale würde trotzdem nicht grundsätzlich davon abraten, im Norden Mexikos zu investieren: „Es kommt unter anderem auf die Branche und den genauen Standort an.“

Einschätzung globaler Risiken für Unternehmen 2001 und 2011

In dem Maß allerdings, in dem die Sicherheit abnimmt, steigen die Kosten der Geschäftstätigkeit, erschwert wird auch die Rekrutierung qualifizierten Personals. Unternehmen ordern bei PriceWaterhouseCoopers, KPMG oder Control Risks detaillierte Empfehlungen für Mexiko, Personenschutz und Namen sicherer Hotels. Die Auslandsmitarbeiter der Unternehmen fürchten sich zunehmend vor Erpressungen und Entführungen – ob echt oder vorgetäuscht. Die Polizei anzurufen kommt im Ratschlag-Repertoire der Experten nicht vor, weil es kontraproduktiv wäre: Unlängst wurden im Raum Juárez 500 korrupte Polizisten verhaftet.

Das Klima der Angst unter den Mexiko-Expats erklärt der Sicherheitsspezialist eines deutschen Logistikkonzerns so: „Die Killer der Drogenmafia schneiden inzwischen Leuten, die nicht kooperieren, den Kopf ab. Die Köpfe stecken sie am Flughafen von Mexico City auf Zaunpfähle.“

Control Risks sieht die Megacitys, die überall auf der Welt wuchern und eigene Gesetze entwickeln, als Thema, mit dem sich international agierende Unternehmen beschäftigen müssen. Sie sollten die Riesenstädte „als Risiko-Landschaften und ebenso als Märkte verstehen“.

Auch Piraterie auf den internationalen Seehandelsrouten bleibe „eine signifikante Bedrohung weltweit“, so die Einschätzung von Control Risks – vor allem am Horn von Afrika vor der Ost- und im Golf von Guinea vor der Westküste Afrikas. Während dort die Zahl der Schiffsentführungen immerhin leicht zurückging, nahm die Kriminalität auf See in Südostasien um Malaysia und Indonesien herum deutlich zu.

Anderswo eskalieren soziale Konflikte – wie in Tunesien, wo tagelange Straßenschlachten bis vergangenen Donnerstag mindestens 23 Tote forderten. Die politischen Folgen seien noch nicht absehbar, meint Control Risks. Aber Ausländer riskierten, zwischen die Fronten von Protestgruppen und Polizei zu geraten.

Kein Wunder, dass die Nachfrage nach Sicherheitstipps steigt. Das bestätigt auch die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW), ein 1993 gegründeter Verein von 17 Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft. Die ASW will ihre Sicherheitsinformationen deshalb stärker am Bedarf der Unternehmen ausrichten, sagt der ASW-Vorsitzende Jörg Peter, im Hauptberuf Leiter der Konzernsicherheit bei der Bosch-Gruppe in Stuttgart. Denn kleine und mittelständische Unternehmen verfügten meist nicht über Fachkräfte zur Beurteilung weltweiter sicherheitsrelevanter Ereignisse und deren Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Die ASW erwägt deshalb, 2011 eine eigene Sicherheits- und Koordinationszentrale aufzubauen, bei der deutsche Unternehmen Informationen etwa zur Reisesicherheit für Auslandsmitarbeiter und Geschäftsreisende abrufen können. Peter: „Dabei brauchen wir die Unterstützung von Kollegen aus international tätigen Unternehmen, regionalen Sicherheitsverbänden und Verantwortlichen aus Politik und Sicherheitsbehörden.“

Konkurrenz für die Profis

Gewinnabsichten, so Peter, „verfolgen wir als gemeinnütziger Verein nicht. Wir sehen uns nicht als Wettbewerber der auf dem Markt aktiven Sicherheitsberater“. Deren zum Teil umfangreiche unternehmensbezogene Recherchen könne eine künftige ASW-Sicherheitszentrale nicht leisten. Überschneidungen sind trotzdem wahrscheinlich.

Mit praktischen Empfehlungen etwa zu Dienst- und Montagereisen würde das ASW-Angebot durchaus die Interessen gewerblicher Sicherheitsberater berühren. Deren Geschäft wird nach dem Krisen-Tief „von der Exportkonjunktur getragen“, sagt Control-Risks-Chef Stephan. Nachgefragt würden angesichts der Aktivitäten deutscher Unternehmen auch in unsicheren Weltregionen mehr direkte Schutzmaßnahmen wie „gepanzerte Fahrzeuge und Begleitung durch Personenschützer auf Dienstreisen“.

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