Der Kontrast könnte größer kaum sein - hier die biedere Stadthalle von Fürth mit ihrem Achtzigerjahre-Charme, dort die coole, bunte Sportwelt von Adidas. Und als Herbert Hainer in seiner gut halbstündigen Rede dann von den "Key-Metropolen" sprach, auf die der Dax-Konzern sich in seiner neuen Strategie konzentrieren will, wurde aus dem optischen Kontrast noch ein verbaler, denn es hub ein mehrstimmiges Gemurmel an, in tiefstem Fränkisch: "Ah so, Gie-Medroboln."
Das war's aber auch schon, was Irritationen betrifft - das versammelte Aktionariat gab sich äußerst zufrieden mit dem, was der scheidende Vorstandschef zu bieten hatte. Für das laufende Geschäftsjahr verhieß ihnen Hainer einen Rekordumsatz von bis zu 19 Milliarden Euro und einen Gewinn von an die 900 Millionen.
Erst gestern am späten Nachmittag hatte der Konzern die Gewinnaussichten um 50 Millionen angehoben - der englische Premier League-Klub Chelsea und die Herzogenauracher trennen sich nach dann elf Jahren nach der kommenden Spielzeit vorzeitig. Dafür zahlen die Londoner den Franken eine Kompensation, denn der Kontrakt lief eigentlich bis 2023.
Adidas und Nike im direkten Vergleich
Adidas: 14,5 Mrd. Euro
Nike: 20,5 Mrd. Euro
Geschäftsjahr 2014; Geschäftsjahr Nike endet 31.05.2015
Quelle: Unternehmen
Adidas: 568 Mio. Euro
Nike: 1990 Mio. Euro
Geschäftsjahr 2014; Geschäftsjahr Nike endet 31.05.2015
Quelle: Unternehmen
Adidas: 11,8 Mrd. Euro
Nike: 62,4 Mrd. Euro
Geschäftsjahr 2014; Geschäftsjahr Nike endet 31.05.2015
Quelle: Unternehmen
Adidas: 53.700
Nike: 56.500
Geschäftsjahr 2014; Geschäftsjahr Nike endet 31.05.2015
Quelle: Unternehmen
Chelsea dümpelt derzeit im Mittelfeld der englischen Liga herum und ist weit entfernt von jenem Verein, der noch vor wenigen Jahren die Königsklasse gewann. Adidas dagegen wähnt sich so stark wie lange nicht mehr.
In der Tat sind die Zahlen des vergangenen Jahres beachtlich. Hainer und seiner Mannschaft ist es offenbar tatsächlich gelungen, viele der Schwächen aus dem Jahr 2014 zu identifizieren und aufzuarbeiten. Etwa beim Thema Design: Verzichteten die Franken für einige Jahre komplett auf einen Chef-Kreativen, hat der Konzern mittlerweile mit Paul Gaudio nicht nur wieder einen Hauptverantwortlichen für die Gestaltung, sondern nach einem Raubzug beim Konkurrenten Nike und dem Einkauf eines Pop-Kreativen wie Kanye West sehr viel Boden gut gemacht.
Dazu kam eine clevere Strategie, um unter der Modesparte Originals die Schuhklassiker Superstar und Stan Smith zu Bestsellern zu machen. Es zahlt sich aus, dass Adidas den Wildwuchs neuer Modelle beschränkte, um sich auf sogenannte Franchises zu konzentrieren; eine Strategie wie sie Nike mit seinen Erfolgsmodellen vorexerziert hatte – etwa mit dem mittlerweile schwächelnden Free.
Adidas ist wieder eine Größe
Auch das Risiko, das der Konzern einging, als er sich im vergangenen Jahr praktisch über Nacht von allen seinen bis dahin gut laufenden Fußballschuhmodellen trennte, hat sich ausgezahlt. Die neuen Treter kommen offenbar gut an und bescherten dem Konzern 2,2 Milliarden Euro und damit den bislang höchsten Umsatz mit Kickerprodukten.
Neue Designs, aggressivere Werbung, stärkere Konzentration auf den US-Markt und den Geschmack der dortigen Konsumenten - das alles trug tatsächlich dazu bei, dass bei den Kids auf den Schulhöfen und damit bei der wesentlichen Zielgruppe des Konzerns, Adidas wieder eine Größe ist.
Entsprechend zufrieden verabschiedete sich denn auch Hainer heute von den Aktionären. Noch einmal ließ er die wesentlichen Stationen seiner 15 Jahre an der Konzernspitze Revue passieren, vom Reebok-Kauf bis zum Salomon-Verkauf und sonnte sich nicht ohne Grund in den stolzen Zahlen.
Tatsächlich ist es nicht zuletzt seinem Wirken zuzuschreiben, dass der Unternehmenswert der Gruppe innerhalb seiner Amtszeit von drei auf 24 Milliarden Euro stieg, sicher eine stolze Bilanz.
Zwar bemängelten Aktionärsschützer dann noch die steigenden Beschaffungskosten und die engen Bande zum Fußballweltverband FIFA, sorgten sich über steigende Werbeausgaben in den USA und prangerten die im Vergleich zum Konkurrenten Nike schwächere operative Marge in Höhe von 6,5 Prozent an. Nike liegt hier bei 14 Prozent.
Doch nachdem sich Herbert Hainer persönlich von seinen vier Vorstandskollegen verabschiedet hatte - "Glenn, Robin, Roland und Eric - es war toll" - geschah, was es auf Hauptversammlungen doch eher selten zu besichtigen gibt: Die Aktionäre erhoben sich und es gab Standing Ovations für den am längsten amtierenden Vorstandschef im Dax. Im kommenden Jahr wird dann Kasper Rorsted den besonderen Charme der Fürther Stadthalle kennenlernen. Hainer, das dürfte klar sein, hinterlässt ihm ziemlich große Schuhe.