Alternative Anlagen Leute, kauft Kippen!

Anleger schenken dem Bund Geld, damit sie ihm Geld leihen dürfen. Warum nicht Zigaretten kaufen? Auch Kippen-Käufer finanzieren den Staat, bekommen dafür aber eine wertstabile Krisenwährung, die immer Abnehmer findet.

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Die Tabakriesen und ihre Marken
380 Aussteller aus 45 Ländern treffen sich in Dortmund zur diesjährigen Inter-tabac. Viel zu Lachen gab es in der Branche zuletzt nicht. Die Deutschen rauchen immer weniger. Eine Folge der gestiegenen Preise und der harten Nichtrauchergesetze. Preistreiber ist unter anderem die Tabaksteuer. Seit Mai 2011 ist sie um 11,1 Prozent gestiegen. Besonders hart griff der Fiskus bei Feinschnitt-Tabak mit einem Plus von 16,3 Prozent zu. Weitere jährliche Erhöhungen bis 2016 sind bereits beschlossen. Großkonzernen wie Philip Morris konnte das bisher wenig anhaben. Zu dem Unternehmen gehört unter anderem die Marke... Quelle: dapd
Philip Morris Konzern Quelle: dapd
Reemtsma-Konzern Quelle: REUTERS
L&M gehört zu Philipp Morris Quelle: dpa
Pall Mall Quelle: dpa/dpaweb
West Quelle: AP
British American Tabacco Quelle: obs

Eine bunte Truppe fand sich unlängst ein im Kölner Mediapark zum Seminar „Rhetorik und Sprechwirksamkeit“ der Volkshochschule Köln. Gekommen waren ein Vertreter der Erzdiözese Köln, ein Nachrichtensprecher, die Mitarbeiterin einer Nichtregierungsorganisation, ein Wirtschaftsprüfer, eine Personalvermittlerin, eine Neuropsychologin, eine Sozialpädagogin und eine Yoga-Trainerin. Als Letzter erschien noch ein Vertreter eines in letzter Zeit in Verruf geratenen Berufsstands – ein Investmentbanker.

Zur Halbzeit des Seminars hieß es: Das Gelernte anwenden, einen Vortrag vorbereiten und halten. Der Banker weckte schon vorab große Neugierde. Das lag am angekündigten Titel seiner Präsentation: „Das Investment des Jahrhunderts.“ Geldgier kennt keine Berufsgrenzen, und in jedem steckt auch ein kleiner Bonusjäger.

Der Investmentbanker legte los: „Ich spüre eure Angst. Die Banken sind pleite, die Staaten auch – und ihr fragt euch: Wie rette ich mein Geld? Wie schütze ich mein Vermögen vor Inflation? Was passiert mit meiner Altersvorsorge? Und überhaupt, bin ich noch liquide, wenn das Finanzsystem zusammenbricht?“ Viele Fragen, eine Antwort: „Kauft Kippen!“

Wie bitte? Rendite mit Zigaretten, wie soll das gehen? Rauchen ist tödlich und verursacht hohe Kosten für die Allgemeinheit. Es gebe kein anderes Konsumgut, dessen volkswirtschaftliche Kosten höher seien als die Industrieumsätze, sagt Michael Adams, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg. 22,5 Milliarden Euro Umsatz stünden jährlich 33,5 Milliarden Euro Kosten gegenüber. Doch darum geht es dem Banker nicht. Man müsse kein Raucher werden, um Zigaretten einen gewissen Reiz abzugewinnen. Kippen seien auch für Nichtraucher interessant – als Geldanlage.

Rauchen für Griechenland

Kippen besser als Aktien

Immerhin stieg der Preis einer Premiumpackung mit 19 Zigaretten in Deutschland allein seit der Einführung des Euro als Bargeld von 3,00 Euro auf 4,90 Euro – ein Plus von gut 63 Prozent. Stärker kletterte nur der Goldpreis, deutsche Rentenpapiere konnten einschließlich Zinsen gerade mithalten, während dem Dax zwischenzeitlich immer wieder die Puste ausging. Der weitere Anstieg der Zigarettenpreise ist programmiert. Die stufenweise Tabaksteuererhöhung bis 2015 wird für einen weiteren Preisanstieg von acht Prozent sorgen, mindestens. Wo Dax, Rex und Gold dann stehen, weiß heute aber niemand. Einige Zigarettenhersteller haben die Steuererhöhung zum Jahresanfang bereits eingerechnet und den Packungspreis darüber hinaus aufgerundet auf fünf Euro. Noch aber gibt es im Handel viele Premiummarken zum alten Preis.

Tue Gutes und verdiene daran! Wer Kippen kauft, diese aber nicht raucht, sondern liegen lässt, der sorgt für Steuereinnahmen, belastet die Allgemeinheit aber nicht mit den Folgekosten seiner Genusssucht. Bei einem Verkaufspreis von fünf Euro pro Packung gehen 73 Prozent oder 3,65 Euro via Tabaksteuer und Mehrwertsteuer an den Staat. Die Tabaksteuer ist nach der Mineralölsteuer die ertragreichste Verbrauchsteuer überhaupt. 2010 nahm der Bund fast 13,5 Milliarden Euro durch die Tabaksteuer ein, über die Zigarette allein etwa zwölf Milliarden Euro. Diese Summe entspricht gut der Hälfte des deutschen Anteils am ersten Hilfspaket für Griechenland.

Steuerliche Vorteile nutzen

Geraucht wird immer - Trotz staatlich verordneter Rauchverbote, Preiserhöhungen und Anti-Raucher-Kampagnen. Quelle: dpa

Zigaretten als Anlageklasse genießen gar steuerliche Vorteile. Wer versteuerte Zigaretten kauft, investiert legal und kassiert mögliche Gewinne bei einem späteren Verkauf steuerfrei. Zigaretten unterliegen weder der Spekulations- noch der Abgeltungsteuer. Gut, der Verkauf passierte ohnehin eher im informellen Rahmen, etwa an befreundete Raucher. Wenn die es schon nicht lassen können mit der Qualmerei, dann kann man ihnen zumindest die billiger eingekauften Zigaretten mit einem kleinen Abschlag zum dann höheren Packungspreis anbieten – und schützt sie vor dem Griff zu illegaler Importware minderer Qualität. Deren Marktanteil steigt regelmäßig, wenn der Staat allzu sehr zulangt bei den Rauchern.

Tauschware statt Rauchware

Wie physisches Gold haben sich auch Zigaretten schon früher als eine sehr liquide Krisenwährung außerhalb des Finanzsystems erwiesen, in Deutschland etwa nach dem Zweiten Weltkrieg. Da Raucher nie aussterben, finden Zigaretten immer Abnehmer. Zwar prophezeien die Branchenanalysten der amerikanischen Großbank Citigroup in einer Studie zum Tabakmarkt, dass es schon 2050 in weiten Teilen der entwickelten Welt keine Raucher mehr geben werde.

Dass sie damit richtig liegen, scheint eher unwahrscheinlich. In Zeiten der amerikanischen Prohibition wurde ebenso weiter getrunken, wie auch heute und morgen weiter geraucht wird – trotz staatlich verordneter Rauchverbote, drastischer Tabaksteuererhöhungen und Kampagnen von radikal-fundamentalistischen Anti-Raucher-Aktivisten. Raucher sind zudem ziemlich verlässliche Kunden, weil ihre Nachfrage relativ preisunelastisch ist – auch wenn der Preis steigt, geht die Nachfrage kaum zurück.

Nur Gold war besser

Ein paar Stangen für den Fall einer Krise

Bankschließungen, soziale Unruhen oder Naturkatastrophen können die Liquiditätsversorgung einer Gesellschaft vorübergehend einschränken. Als Ersatzwährung ließen sich in solchen Phasen dann Kippen einsetzen, um die Tage bis zur Wiederherstellung einer halbwegs geordneten Liquiditätsversorgung zu überbrücken. Das ist das eigentliche Motiv, aus dem sich immer mehr Zeitgenossen tatsächlich eine kleine Notfallreserve von ein paar Stangen Zigaretten zulegen. Abwegig? Ansichtssache! Mindestens ebenso abwegig ist es, wenn besorgte Anleger dem Bund Geld schenken, um ihm Geld leihen zu dürfen, weil sie denken, es sei in Bundeswertpapieren sicherer aufgehoben als anderswo.

Daniel Haase und Gerd Ewert, Vermögensberater aus dem holsteinischen Hohenweststedt, können notfalls stets auf mindestens 20 Stangen der erprobten Krisenwährung zurückgreifen. „Die Zigaretten haben wir für den Fall, dass der Geldautomat eines Tages einmal nichts ausspuckt“, sagt Haase. Die beiden bekennenden Nichtraucher verfolgen eigentlich Trends an den Finanzmärkten und haben über die Fondsgesellschaft Universal Investment den Vermögensverwaltungsfonds H&E Pfadfinder aufgelegt.

Überzeugendes Investment

Bei der richtigen Lagerung haben Zigaretten nur während der ersten zwei Jahre keinen spürbaren Qualitätsverlust - Jahrzehntelanges Horten ist daher nicht empfohlen Quelle: dpa/dpaweb

Viel gelacht hat die Kölner Truppe über die PowerPoint-Kippen-Show des Investmentbankers. Trotzdem schien der Vortrag sie zu überzeugen. Als die Seminarleiterin fragte, wer während des Vortrags ernsthaft daran gedacht habe, tatsächlich in Zigaretten zu investieren, blieb kaum eine Hand unten. „Stecken wir tatsächlich so tief im Schlamassel, dass wir uns damit ernsthaft beschäftigen?“, fragte der Kirchenvertreter entsetzt.

Nur der Wirtschaftsprüfer, von Berufs wegen eher misstrauisch, zweifelte: „I’m not convinced.“ Wie lange sich die Kippen eigentlich hielten und wie er sie lagern müsse, wollte er wissen. Das leuchtet ein: Die Verkaufs- und Tauschchancen für vertrocknete Tabakbrösel dürften auch in der schlimmsten Krise mau sein.

Whisky für Sammler
Prince Charles in einer Whisky-Destillerie
Black Bowmore
Bowmore 30 Jahre
Bowmore Gold
Highland Park
Highland Park
Glenmorangie

Zwei Jahre lang frisch

Der Deutsche Zigarettenverband (DZV) in Berlin sagt dazu, dass es für Zigaretten kein „Verfallsdatum“ gebe. Sie müssten nur trocken und nicht zu warm gelagert werden. Sicher werde sich auch bei Zigaretten, wie bei den meisten Naturprodukten, ein gewisser Qualitätsverlust einstellen, so die Lobbyorganisation der Zigarettenbranche. Dieser Qualitätsverlust sei aber schwer zu bewerten und zu beziffern. Bei optimalen Lagerbedingungen, das lassen sich die Zigarettenlobbyisten schließlich entlocken, sollte sich innerhalb der ersten zwei Jahre kein spürbarer Qualitätsverlust einstellen. Im Umkehrschluss gilt somit: Kaufen und liegen lassen über Jahrzehnte wäre riskant.

Wegen des möglichen Qualitätsverlustes bei überlanger Lagerung haben Haase & Ewert einen Deal mit ihrem Kioskbesitzer um die Ecke geschlossen. Etwa alle sechs Monate tauschen die beiden Fondsmanager ihre Stangen gegen Neuware aus. Der Kioskbesitzer macht mit. 20 Stangen einer der meistverkauften Marken in Deutschland hat er binnen weniger Wochen verkauft, sie liegen bei ihm daher nur kurz im Regal. Seine rauchenden Kunden bekommen also dennoch erste Qualität, die Frage nach der Haltbarkeit stellt sich nicht.

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