
Rechtzeitig zum 25. Januar, dem Geburtstag des verehrten schottischen Nationaldichters Robert Burns (1759–1796), bot der deutsche Discounter Lidl seinen britischen Kunden ein patriotisches Schmankerl an: einen echten Kilt für nur 29,99 Pfund, umgerechnet 39,30 Euro. „So macht man sich über unsere Nationaltracht lustig“, schäumt Linda Gorn, Leiterin des weltweit einzigen Ausbildungszentrums für Kilt-Schneider im nordschottischen Städtchen Keith. Billige Kopien dieser Art zerstörten die Arbeit der schottischen Qualitätshersteller und ihr stolzes Erbe, empört sie sich.
In Großbritannien machen Aldi und Lidl den Platzhirschen im Lebensmittelhandel das Leben schwer. Vor allem Branchenprimus Tesco leidet unter den Deutschen. Zur Blütezeit 2007 lag Tescos Marktanteil bei 31,7 Prozent, heute sind es nur noch 28,7 Prozent. Auch Sainsbury’s, die Wal-Mart-Tochter Asda und WM Morrisons fühlen sich bedrängt. Dabei sind die Deutschen im Vergleich zu ihnen immer noch Zwerge – wobei Aldi (Süd) mit einem Marktanteil von 4,8 Prozent bisher die Nase vorne hat. Lidl hat sich erst auf 3,5 Prozent vorgekämpft.
Kleine Trophäen
Seit rund 20 Jahren sind die Discounter auf der Insel aktiv, doch ihr Siegeszug begann erst 2008 mit der Finanz- und Wirtschaftskrise. Damals lockten sie die Briten vor allem mit günstigen Preisen in ihre kargen Märkte. Seither wächst der Umsatz kontinuierlich – er dürfte bei Lidl nach vorläufigen Angaben 2014 auf umgerechnet 5,4 Milliarden Euro gestiegen sein, eine Milliarde Euro mehr als 2013.
Inzwischen punktet Lidl nicht nur mit Kampfpreisen, sondern setzt ähnlich wie in Deutschland auch auf erschwinglichen Luxus, bietet Räucherlachs und französische Premium-Weine an und wurde damit selbst für die angesnobte britische Mittelklasse attraktiv. „Früher hätte die Mum aus dem südenglischen Maidstone sich niemals in einem Lidl blicken lassen und die Plastiktüte mit unserem Logo versteckt. Heute schämt sie sich nicht mehr“, bringt es Ronny Gottschlich auf den Punkt. Der Landeschef von Lidl UK sitzt im Herzen der Tennisstadt Wimbledon in einem modernen Bürogebäude. Unten neben dem verglasten Foyer sind in Schaukästen kleine Glastrophäen ausgestellt: Auszeichnungen der Fachzeitschrift „The Grocer“ für Lidl-Produkte wie Wein, Käse oder Schinken.





Auch im jüngsten Weihnachtsgeschäft setzten Aldi und Lidl die britischen Rivalen wieder mächtig unter Druck. Aldis Umsatz kletterte um 22 Prozent, Lidl erzielte im Vergleich zu Weihnachten 2013 ein Plus von rund 20 Prozent. Erstmals im Angebot: Austern. Besonders erfolgreich: Hummer Deluxe und der hauseigene Champagner Comte De Senneval. Die vier größten Einzelhändler auf der Insel dagegen erlitten in dem anhaltenden Preiskampf Umsatzeinbußen, obwohl die Verbraucher wegen der kräftigen Rabatte mehr einkauften.
Radikalkur des Marktführers
Vor allem Tesco steckt in der Krise: Der Lebensmittelriese – Umsatz: umgerechnet rund 96 Milliarden Euro, 500 000 Beschäftigte – machte zuletzt mit vier Gewinnwarnungen und einem Bilanzskandal Schlagzeilen und versucht nun, mit einer Radikalkur wieder auf die Beine zu kommen. Ende Januar kündigte Konzernchef Dave Lewis die Entlassung von bis zu 2000 Mitarbeitern und die Schließung von 43 unrentablen Filialen an.
Während Tesco schrumpft, setzen die Deutschen weiter auf Expansion. So will Aldi die Zahl seiner Filialen im Land bis zum Jahr 2022 auf 1000 mehr als verdoppeln. Konkurrent Lidl mit derzeit 16 000 Mitarbeitern und 620 Läden plant in den kommenden vier bis fünf Jahren den Ausbau auf bis zu 1500 Geschäfte und sucht vor allem Standorte in den wohlhabenderen Teilen der britischen Hauptstadt. Ben Hulme, einer der Chefeinkäufer von Lidl UK: „Wenn wir uns als eine der führenden Lebensmittelketten in Großbritannien etablieren wollen, dann brauchen wir Präsenz im Zentrum von London.“