Baubranche Kartell könnte Japans Transrapid ausbremsen

In wenigen Jahren soll eine Magnetschwebebahn japanische Millionenmetropolen verbinden. Doch schon zu Baubeginn erlebt das Projekt einen Rückschlag: Vier beteiligte Baukonzerne sollen sich unerlaubt abgesprochen haben.

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In Schanghai sind Magnetschwebebahnen seit Jahren im Einsatz. Auch in Japan sollen sie schon bald eingesetzt werden. Quelle: Reuters

Tokio Die Baubranche ist weltweit ein bisweilen schmutziges Geschäft. Diese alte Weisheit beweist in Japan gerade ein Skandal um Preisabsprachen bei einem prestigeträchtigen und teuren Infrastrukturprojekt: dem Bau einer rasanten Magnetschwebebahn zwischen Tokio über Nagoya bis Osaka. 

Ab 2037 soll dann der japanische „Maglev“ mit Spitzengeschwindigkeiten zwischen Tokyo und Osaka hin- und herjagen und damit sogar noch die Fahrzeit von derzeit zweieinhalb Stunden mit dem Superschnellzug Shinkansen um eine Stunde unterbieten. Doch bevor das Prestigeobjekt starten kann, wird es durch einen Skandal jäh ausgebremst.

Am Montag und Dienstag wurden die Büros der vier größten Generalbauunternehmen des Landes Obayashi, Taisei, Kajima und Shimizu durchsucht. Am Dienstag steckten die Ermittler den Medien, dass der Konzern Obayashi bereits gestanden hat, die Aufträge der Bahngesellschaft JR Tokai mit den drei Rivalen einträchtig aufgeteilt zu haben.

Vorige Woche glaubte die Bahngesellschaft zwar noch nicht, dass die Baupläne durch den Skandal ins Stocken geraten könnten. Aber die Ermittlungen haben gerade erst begonnen. Und trotz Unschuldsbeteuerungen würde sich niemand über Strafen wundern, wenn ein Kartell nachgewiesen würde.

Vieles spricht dafür, dass die Vorwürfe stimmen: Erstens gibt es extrem viel Geld zu verteilen. Insgesamt werden die Kosten für die tunnelreiche Magnetbahn-Strecke auf 70 Milliarden Euro geschätzt. Schon in der ersten Ausbaustufe zwischen Tokio und Nagoya geht es um mehr als 40 Milliarden Euro, drei Viertel davon für den Hoch- und Tiefbau. Die Fertigstellung dieses Abschnitts ist für 2027 geplant.

Zweitens haben Preisabsprachen, auf japanisch Dango, Tradition. Früher wurde das Kungeln sogar teilweise toleriert. „Wir haben zwischen gutem und schlechtem Dango unterschieden,“ erzählte einst der ehemalige Spitzenpolitiker Shizuka Kamei, der in seiner ersten Laufbahn als Polizist Missetäter und Terroristen jagte.


Gutes Dango, schlechtes Dango

Gutes Dango sorgte laut dem ehemaligen Ordnungshüter dafür, dass besonders in wirtschaftlichen schwierigen Zeiten möglichst viele Unternehmen an staatlichen Projekten mitverdienen konnten. Als schlechtes Dango galt damals, wenn sich Firmen unanständig bereicherten. Die Grenzen waren dabei fließend.

Nun bekommen Japans Baukonzerne zu spüren, dass Staatsanwälte und Kartellbehörde deutlich mehr Wert auf Transparenz legen - und dem japanischen Klüngel den Kampf angesagt haben. Im Eiltempo knackten sie das Kartell. Bereits früher im Monat marschierten die Ermittler medial inszeniert im Hauptquartier von Obayashi ein, um dort Beweise für den Anfangsverdacht der arglistigen Behinderung zu finden. Weitere Firmen folgten.

Die Ermittler zeichnen im dem neuen Fall von Dango ein altbekanntes Bild: Die Firmen stehen im Verdacht, eine Liste mit ihren Lieblingsprojekten erstellt zu haben - und dies offenbar mit Erfolg. Vier Konzerne habe sich in nahezu gleichen Anteilen 15 der 22 Bauvorhaben gesichert, die JR Tokai seit 2015 vergeben hat. 

Die Unternehmen hätten dies eigentlich nicht nötig. Denn besonders bei den schwierigen und damit teuren tunnel- und brückenreichen Strecken durch die japanischen Berge gibt es kaum Alternativen zu Japans Bauriesen. Die Wirtschaftszeitung „Nikkei“ erklärt den Rückgriff der Rivalen auf altgewohnte Geschäftspraktiken daher mit einer Vorbereitung auf eine mögliche Bauflaute nach den Olympischen Spielen in Tokio 2020. 

Derzeit fahren die Baukonzerne zwar Rekordgewinne ein, weil in Japans Nordosten noch immer die Trümmerküste der Tsunami-Katastrophe aufgebaut wird und gleichzeitig Tokio sich für das globale Sportfest rüstet. Unter diesen Umständen erscheint es eigentlich merkwürdig, dass die Firmen das Risiko von Verstößen gegen die Kartellgesetze in Kauf nähmen, meint die „Nikkei“. Doch die Sorge vor dem Abschwung sei wohl größer gewesen. „Die Maglev-Verbindung wird als letztes großes Bauprojekt am Horizont gesehen.“ 

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