Börsengang einer Legende Kaum Rendite mit Fender-Gitarren

Der Börsengang des US-Gitarrenherstellers Fender krönt die bewegte Geschichte der Musiklegende. Doch er zielt wohl zumindest ebenso auf begeisterte Fans wie auf kühl kalkulierende Investoren.

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Diese Rockstars schwören auf Fender-Instrumente
Jimmy Hendrix Gitarre Quelle: dapd
Buddy Guy Quelle: AP
Eric Clapton Quelle: AP
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David Gilmour Quelle: dpa
John Frusciante mit Fender Quelle: dpa
David Knopfler

Fender geht an die Börse – eigentlich muss bei der Nachricht allen Rockfans das Herz aufgehen. Denn egal ob Buddy Holly mit seinem Schluckaufpop der Spätfünfziger, der unkaputtbare Rolling Stone Keith Richards, Superrocker wie Jimi Hendrix, die Siebziger-Softies von Supertramp oder Alternative—Rock Ikonen wie Nirvana oder Coldplay: sie alle zimmerten ihren unverwechselbaren Sound mit Fender-Instrumenten. Das Spektrum reicht von der ersten echten E-Gitarre Telecaster, mit der auch Bruce Springsteen gerade die Station rockt, über die Stratocaster und den Precision Bass der siebziger Jahre Pink Floyd bis zum Rhodes-Piano von Soullegende Stevie Wonder oder Jazzrocker Chick Corea. Und alles möglichst noch durch einen Fender-Verstärker wie den Bassman oder den Twin-Reverb gejagt.

Und für jeden Musiker war es ein Kultfrage größter Bedeutung, ob er nun Fender mit dem etwas anspruchsvolleren klareren Sound spielte oder das derb verzerrte Brett des US-Konkurrenten Gibson. In der Regel musste man sich für eine Seite entscheiden wie bei der Frage Beatles gegen Rolling Stones in den sechziger Jahren oder Blur gegen Oasis in den neunziger Jahren.

Die gute alte Zeit handgemachter Musik

Doch auch wenn das heute in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona ansässige Unternehmen im Internet vor allem mit allem rund um Stromgitarre und E-Piano wirbt: mit der 1946 vom Radiotechniker Leo Fender gegründeten Ikone der guten alten Zeit handgemachter Musik hat es heute nur wenig gemein. Seit Fender sein Unternehmen 1965 für damals beeindruckende 13 Millionen Dollar an die als Radiokette gegründete Schallplattenfirma CBS verkauft hat, ist Fender kein Enthusiastenladen mehr, sondern ein kühl rechnender Betrieb mit einem breiten Portfolio neben den Gitarren und Verstärkern.

Das begann bei Dingen, die für Gitarrenfans noch in Ordnung waren Rodgers Schlagzeugen und Leslie Lautsprechern, die etwa ab 1969 bei John Lord von der Hardrock-Legende Deep Purple für den verzerrten Orgelsound sorgten. Aber zum Portfolio zählten auch Steinway Flügel für klassische Musiker und der Erzfeind eines Rockers: Gulbransen Heimorgeln. Weil CBS gleichzeitig noch ein Sparprogramm startete, sank auch allmählich der Stern der Gitarren, so dass Sammler heute um Modelle aus dieser Ära einen großen Bogen machen.

Die dürren Jahre endeten als Mitte der achtziger die Mitarbeiter Fender im Rahmen eines Belegschafts-Buyout übernahmen. Sie warfen fast alles aus dem Katalog was nichts mit Saiteninstrumenten oder Verstärkern zu tun hatte und schoben einen Teil der Produktion nach Japan. Diese Fender Japan Instrumente hatten lange einen besseren Ruf als die aus amerikanischer oder mexikanischer Produktion. Dazu startete das neue Management Squire als Einstiegsmarke und kaufte den Musikalienhändler Kaman, Hersteller der Ovation-Gitarren, die erste akustische Gitarre die Musiker ohne große Rückkopplungen laut spielen konnten. Ebenfalls zu Fender gehören Gretsch-Gitarren mit ihrem nostalgischen halbverzerrten Sound oder den oft bizarr gezackten Jackson-Bretter für Axt-Männer des Heavy Metal.

Konkurrenz aus Fernost

Fender Stratocaster - Jimi Hendrix setzte diese Gitarre 1967 während eines Konzerts in Brand. 2009 wurde sie für umgerechnet 345.000 Euro versteigert. Quelle: dapd

Im Jahr 2002 übernahm die kalifornische Investmentholding Weston Presidio, die durch Investments bei Fluglinien wie Jetblue aus USA Erfolg hatte, knapp die Hälfte der Aktien. Nun war Fender zwar ein Konzern, aber kein besonders lukrativer. Sicher, das Unternehmen mit dem merkwürdigen „F“ als Markenzeichen ist die Nummer eins in Sachen Gitarren und Verstärker in den USA sowie in den meisten der fast 90 anderen Ländern mit einer Stratocaster im Laden.

Doch das Geschäftsjahr 2010 endete in Moll mit einem Verlust und im vorigen Jahr blieben von 700 Millionen Dollar Umsatz gerade mal 3,2 Millionen Dollar Gewinn übrig. Ziemlich mager angesichts eines Schuldenbergs von fast 250 Millionen Dollar.

Denn die Gitarrenherstellung, die Fender heute 60 Prozent des Umsatzes bringt, hat einen ebenso dramatischen Strukturwandel hinter sich wie das Geschäft mit Textilien oder Schallplatten. Zuerst kam die Konkurrenz aus Fernost, wo Konglomerate wie Ibanez und Yamaha mit Gitarren in immer besserer Qualität lockten. Wie im vergangenen Jahrzehnt Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet der Lufthansa, Air France und anderen etablierten Linien zuerst die preisbewusste und dann die anspruchsvolle Kundschaft abluchste, so jagten die Klampfen-Zimmerleute aus Fernost den alten Marktführern Fender und Gibson nach und nach die Kundschaft ab. 

Leicht spannende Lederhose

Natürlich wollen Teenstars mit Gitarren über der Schulter ihren Fans Glaubwürdigkeit auf der Straße vorposen und Tom Cruise mimt in seinem neuen Film Rock of Ages den Ultrarocker in einer langer leicht spannenden und abgewetzten Lederhose. Doch für das Gros der Nachwuchsmusiker von heute spielen längst Computer mit Kompositionsprogrammen oder gleich anderswo rauskopierte Loops die erste Geige. Gitarren werden dann höchstens als Gewürz zugegeben und als Zeichen ehrlichen Handwerks vorgezeigt.

Und dazu braucht es im Gegensatz zu früher keine Fender oder Gibson mehr. In dem, was vom Gitarrenmarkt noch übrig ist, wächst wie bei allen Produkten vor allem der Billigbereich und das Premiumsegment. Und das ging zu Lasten der Mitte – sprich den großen US-Herstellern. Zuerst zogen Yamaha & Co bei der Qualität gleich, und dann beim Sound.

Börsengang soll Entlastung bringen


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Sicher, nichts klingt wie eine Tele oder eine Strat (für das „caster“ haben Gitarreros beim Fachsimpeln grundsätzlich keine Zeit), schon gar keine 58er Vintage aus der Gitarrengründerzeit durch eine Vibrolux-Combo. Doch für den Original-Gain-Sound braucht seit den neunziger Jahren kein Möchtegern-Clapton mehr ein Original-Instrument für mehr als 100 Euro. Digital-Effektgeräte zaubern längt nicht nur aus einer simplen Aldi-Gitarre für weniger als 100 Euro einen amtlichen Sound. Auf Knopfdruck klingt eine Schlichtklampfe fast genau wie eine Fender Stratocaster oder eine Gibson Les Paul und zwar wahlweise im AC/DC-Crunch-Orkan einer Wand aus einem Dutzend der legendären Marshallverstärker, eines kleinen Bandmaster Superchamp oder fast akustisch.

Mindestens 100 Millionen Euro

Anfangs versuchten Fender und Gibson noch dagegen zu halten mit dem Bau günstiger Kopien in Mexiko sowie den mehrere tausend Euro Namensmodelle in limitierter Auflage von Saitenkünstlern wie Steve Vai oder Eddie Van Halen aus dem Fender Custom Job dagegen zu halten. Doch das klappte nur begrenzt. Zwar gibt es viele Babyboomer, die sich nach erfolgreicher Karriere und dem Auszug der Kinder aus dem Eigenheim mit einem Trauminstrument belohnen und an ihre Jugend in den sechziger oder siebziger Jahren erinnern wollen. Doch wer richtig Geld hatte, kaufte sich als echter Classic-Rocker lieber eine 1961 Stratocaster sunburst mit Slapboard oder als wiedergeborener Virtuose eine Paul Reed Smith Private Stock Custom mit feinem Mahagoni-Korpus.

Nun soll also der Börsengang die Entlastung bringen. Von den bis zu 200 Millionen Dollar, die sich die Eigentümer für nicht ganz die Hälfte der Musiklegende wollen, sollen immerhin mindestens 100 Millionen die Schulden drücken. Auch in die Produkte möchte das Management investieren.

Steigende Nachfrage

Doch ob die Aktie mit dem künftigen Kürzel FNDR  wirklich die US-Börse Nasdaq rockt, bleibt abzuwarten. Zum einen schwächeln weltweit die Märkte und vielen wie die Handelsplattform Bats, Siemens mit ihrer Tochter Osram oder dem Waffenkonzern Rheinmetall mit seiner Autozulieferer-Sparte war ein Börsengang zu heiß.

Doch am Ende muss daraus kein langer Blues für die Anleger werden. Zum einen steigt die Nachfrage nach Gitarren wieder. Dafür sorgen auch ungewöhnliche Marketing-Projekte wie die VW Fender Edition einer 400 Watt starken Stereoanlage und schweren Felgen. Zum anderen ist Fender eine der besten Konsumentenmarken der USA. Und das könnte den ein oder anderen Fan von Strat und Tele doch von einem Aktienkauf überzeugen.

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