
Zwei Meldungen dürften der Media-Saturn-Holding (MSH), dem Mutterkonzern der beiden Elektronikketten Media-Markt und Saturn, überhaupt nicht gefallen. Die eine ist: Die Marken brauchen Reformen. Klammert man die Neueröffnung einiger Märkte aus, sank der Umsatz im zweiten Quartal 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 Prozent. Auch über einen längeren Zeitraum betrachtet konnten die Marken keine nennenswerten Zuwächse verbuchen.
Und dann ist da noch der Streit zwischen dem MSH-Mitgesellschafter Erich Kellerhals und dem Metro-Konzern, dem Haupteigentümer der MSH. Kellerhals wollte per Gericht den MSH-Chef Pieter Haas loswerden, den die Metro als Manager für die beiden Elektromarkt-Marken entsandt hatte. Haas ist allerdings auch Mitglied des Vorstandes der Metro AG. Genau darin sieht Kellerhals einen Interessenkonflikt. Jetzt hat er erstmal verloren. Haas darf Metro- und MSH-Vorstand bleiben.
Online boomt
So negativ diese Schlagzeilen bei Wirtschaftsexperten entgegengenommen werden dürften – bei den Media-Markt- und Saturn-Kunden scheinen sie bislang noch nicht wirklich anzukommen. Der Markenmonitor BrandIndex des Marktforschungsinstituts YouGov zeigt: Die beiden Marken haben sogar an Beliebtheit gewonnen, innerhalb eines Jahres fünf beziehungsweise einen Punkt (Saturn). Spannend ist: Media-Markt ist damit inzwischen so beliebt wie Amazon, Saturn liegt zwei Indexpunkte dahinter (auf einer Skala von -100 bis +100 Punkten).
Zugegeben, diese Händler sind nicht direkt vergleichbar, schließlich ist Amazon ein reiner Versandhandel und bietet zudem viele weitere Produkte neben Elektronik. Aber zum einen ist Amazon beim Kauf eines elektronischen Produktes für viele Konsumenten eine attraktive Option. Und zum anderen setzten Media-Markt und Saturn in ihren Online-Shops in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2013/14 bemerkenswerte 1,1 Milliarden Euro um - ein Zuwachs um 30 Prozent.
Aufstieg mit Schattenseiten: Wie funktioniert Amazon?
Jeff Bezos gründete amazon.com im Jahr 1995. Den deutschen Ableger amazon.de gibt es seit 1998. Groß wurde das Unternehmen mit dem Versand von Büchern, Videos und Musik-CDs. Seit dem Jahr 2000 können auch fremde Händler ihre Produkte bei Amazon anbieten. Mittlerweile macht der Konzern mit Sitz in Seattle zwei Drittel seines Umsatzes mit Waren wie Computern, Digitalkameras, Mode oder Lebensmitteln. Amazon ist auch einer der Vorreiter bei elektronischen Büchern sowie Musik- und Video-Downloads. Zweites großes Standbein neben dem Handel sind die Webservices mit dem Cloud Computing.
Amazon fährt eine riskante Wachstumsstrategie: Der Konzern lockt die Kunden mit günstigen Preisen sowie einer schnellen und vielfach kostenlosen Lieferung. Zudem investiert er kräftig, in die Versandzentren wie auch in die Entwicklung neuer Technologie. Dieser Wachstumskurs hat jedoch eine Kehrseite: Die Gewinnmargen sind eher dünn. Im vergangenen Jahr machte Amazon einen Verlust von 39 Millionen Dollar. Im ersten Quartal blieben unterm Strich 108 Millionen Dollar (78 Millionen Euro) – bei einem Handelsumsatz von 19,7 Milliarden Dollar.
Es ist der größte Auslandsmarkt. Im vergangenen Jahr setzte Amazon hierzulande 8,7 Milliarden Dollar um, umgerechnet sind das derzeit etwa 6,5 Milliarden Euro. Damit lag Deutschland noch vor Japan mit 7,8 Milliarden Dollar und Großbritannien mit 6,5 Milliarden Dollar. Der wichtigste Markt überhaupt ist allerdings Nordamerika mit 34,8 Milliarden Dollar. Amazon wuchs in seiner Heimat zuletzt auch deutlich schneller als im Ausland.
Gemessen am Einzelhandelsumsatz insgesamt ist die Rolle von Amazon überschaubar. Etwa 1,5 Prozent trägt Amazon zum Branchenumsatz von fast 428 Milliarden Euro bei. Das meiste sind jedoch Lebensmittel. Betrachtet man den Online-Handel von Unterhaltungselektronik bis hin zu Büchern, sieht die Sache ganz anders aus: Amazon hält hier fast ein Viertel des Marktes.
In Deutschland unterhält das Unternehmen Logistikzentren in Graben bei Augsburg, Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg, Werne, Pforzheim und Koblenz. Dort arbeiten nach Auskunft von Amazon etwa 7700 fest angestellte Vollzeitmitarbeiter. In Spitzenzeiten wie dem Weihnachtsgeschäft kommen in jedem dieser Zentren Tausende Saisonkräfte hinzu. Weltweit arbeiteten zum Jahreswechsel 88.400 Festangestellte im Unternehmen.
Amazon selbst äußerte sich auf Nachfrage bisher nicht dazu, ob seit der Ausstrahlung der ARD-Doku weniger bestellt wurde. Doch ein Vergleich legt nahe: Zu große Sorgen muss sich Amazon wohl nicht machen. Auch über den deutschen Rivalen Zalando tobte bereits ein - wenn auch kleinerer - Sturm der Aufregung nach Berichten über schlechte Arbeitsbedingungen. Am rasanten Umsatzwachstum änderte das nichts. Von 2011 auf 2012 verdoppelte Zalando seine Erlöse von 510 Millionen auf 1,15 Milliarden Euro.
Das ist schwer abzuschätzen. Die Empörung hat auch die Politik erreicht und es ist Wahlkampf. Die Vorwürfe wegen der schlechten Behandlung von Leih- und Zeitarbeitern richten sich aber primär gegen die Leiharbeitsfirmen. Denen droht das Bundesarbeitsministerium inzwischen mit einer Sonderprüfung. Die Firmen selbst äußern sich nicht. Die Bezahlung bei Amazon entspricht aber wohl den gültigen Standards. Mit einem Bruttostundenlohn von mindestens 9,30 Euro zahlt Amazon mehr als den gesetzlichen Mindestlohn für Zeitarbeiter, der derzeit im Westen bei 8,19 Euro und im Osten bei 7,50 Euro liegt.
In Großbritannien gab es im vergangenen Jahr eine Debatte darüber, wie sich Amazon und andere US-Konzerne mit legalen Tricks vor dem Steuerzahlen drückten. Ein Amazon-Vertreter musste vor einem Ausschuss des Parlaments erscheinen und wurde dort von den Parlamentariern vor laufenden Kameras in die Mangel genommen. In den USA hatten sich Mitarbeiter darüber beschwert, dass sie im heißen Sommer in unklimatisierten Lagerhallen schuften mussten. Nach US-Medienberichten erlitten mehrere Beschäftigte Schwächeanfälle. Amazon reagierte und rüstete Klimaanlagen nach.
Das Online-Geschäft wird also auch für die beiden Stationär-Händler wichtiger. Dabei sollte sich MSH auf die stärker werdenden Marken Media-Markt und Saturn konzentrieren. Der MSH-eigene Online-Shop Redcoon ist mit einem Index-Werte von +14 Punkten (seit einem Jahr so gut wie unverändert) deutlich weniger beliebt.
Amazons Schwäche eine Chance
Es sei dazu gesagt: Dass Media-Markt und Amazon in der Gesamtbetrachtung des BrandIndex so ziemlich gleichauf liegen, liegt nicht nur an der Stärke des Elektronikhändlers. Amazon hat nämlich infolge zahlreicher Diskussionen wie zum Beispiel um Arbeitsbedingungen an Beliebtheit verloren.
In manchen Kategorien wie Qualität oder bei der Frage, welche Marke die Verbraucher weiterempfehlen würden, schneidet Media-Markt zurzeit sogar besser ab als Amazon. Auch sind beide MSH-Marken deutlich positiver im öffentlichen Gespräch.
So deutlich die Schwierigkeiten von Media-Markt und Saturn derzeit sind – vielleicht ist die steigende Beliebtheit bei den Kunden und gleichzeitig die Schwäche von Amazon eine Chance. Der deutliche Zuwachs der Online-Sparte von Media-Markt und Saturn zeigt ja schon, wie es geht.