Buchhandel Thalia will Erfolg - mit mehr Kaffee und weniger Büchern

Mit einmaligen Projektionen seiner Werbekampagne wie hier in Berlin am Reichstagsgebäude, will die Buchhandelskette fürs Lesen von Büchern werben. Quelle: PR

Der Wettbewerber heißt nicht allein Amazon. Die Buchhandelskette Thalia hat einen größeren Kontrahenten: Social Media, Netflix oder E-Sports. Die Menschen lesen immer weniger Bücher. Kaffee und Sofas sollen nun helfen.

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Es ist eine Erfahrung, die die Verkäufer von Kupferkesseln machen mussten, lange bevor es E-Commerce gab: Das beste und qualitativ hochwertigste Produkt nützt nichts, wenn es keiner mehr möchte. Das gilt auch für Bücher. Diese für die Menschheit so wichtige und verändernde Errungenschaft – der Buchdruck – kommt in Bedrängnis. Denn immer weniger Menschen lesen Bücher.

Der Gesamtumsatz der deutschen Buchbranche ging zwischen 2002 und 2017 zwar lediglich um ein Prozent zurück auf rund neun Milliarden Euro. Aber die Zahl der verkauften Bücher sinkt seit sieben Jahren kontinuierlich und liegt nun 12 Prozent unter der Zahl von 2007 – nämlich 367 Millionen Stück.

Michael Busch macht das zwar Sorgen, aber verzagen will er nicht. Der geschäftsführende Gesellschafter und CEO der Buchhandelskette Thalia will das Übel bei der Wurzel packen. Es ist kein kleines Vorhaben, das Busch präsentiert, zwei Jahre nachdem er gemeinsam mit dem Herder-Verlag und dem Unternehmer Leif Erik Göritz die gebeutelte Kette vom Finanzinvestor Advent übernahm. „Wir wollen die Begeisterung am Lesen wieder wecken“, sagt Busch.

Thalia kann im abgelaufenen Geschäftsjahr Umsatz und Gewinn steigern. Größter Wachstumstreiber ist das Online-Geschäft. Trotzdem setzt Thalia weiter intensiv auf den stationären Buchhandel.

Bei den heutigen digitalen Konsumgewohnheiten vor allem der nachwachsenden Generation kein leichtes Unterfangen, denn nicht nur steigt der Konsum an digitalen Angeboten, sondern geht laut einer GfK-Studie für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels auch die Fähigkeit verloren, sich länger mit einem Inhalt zu beschäftigen.

Das Buch müsse zurück in den Alltag der Menschen, denn allein das Buch sei in der Lage, beim Konsum Bilder im Kopf der Menschen zu erzeugen. Bücher lesen ginge nie parallel zu anderen Tätigkeiten – und erfordert ein Eintauchen in ein Thema. „Geistige Nahrung macht die Welt ein bisschen besser“, sagt Busch und fügt hinzu, dass dazu auch unbedingt populäre Belletristik und nicht allein Lektüre à la Thomas Mann zähle.

Richten soll es jedoch auch das leibliche Wohl. Den Anfang machen Filialen in Hagen und Wien, binnen drei Jahren sollen alle 300 Filialen entweder umgebaut oder an die neue Bildsprache der Marke angepasst werden. Für die sehr großflächigen Standorte heißt das: Sofas und Kaffee-Kapazitäten, wie sie manche Starbucks-Filiale kaum zu bieten hat. Dafür würde sicher die Zahl der Bücher in den Filialen reduziert werden müssen.

Der Versuch, mit noch einem Tisch mehr hier und noch einem Angebot mehr dort die Kunden zum Griff zum Buch zu bringen, sei nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen: Wohlfühlfaktor und Aufenthaltsqualität – die Menschen sollen vor Ort Zeit verbringen und bei der Gelegenheit in die Bücher reinlesen, die ihnen die Händler auch weiterhin empfehlen werden.

Eigene Thementische zu verschiedenen Anlässen, in einem dichten Rhythmus übers Jahr verteilt, sollen die Kunden fürs Buch gewinnen – auch wenn sie dann vielleicht nur eine Kaffeetasse mit einem Loriot-Motiv mitnehmen. Die Werke des Komikers sollen demnächst als solch eine Aktion in den Geschäften herausgestellt werden, zusammen mit exklusiven Produkten aus der Welt der Geschenke.

Man sei schuldenfrei, bestreite die Investitionen aus dem Cash-Flow und habe rund 100 Mitarbeiter in den Prozess mit einbezogen, der Marke ein neues Antlitz zu geben. Herausgekommen sind dabei auch eine neue Optik und ein neuer Werbeslogan.

Der will ebenfalls nicht bescheiden sein. Ein appellatives „Welt, bleib wach“ ruft förmlich künftig von Plakatwänden als Aufruf, dass Lesen mehr bedeute als Vergnügen. Busch ist klar, dass das kein kleiner Anspruch ist: „Wir werden sicher nicht als Buchhandelskette zum Game-Changer bei dieser gesellschaftlichen Entwicklung.“

Deshalb besinne man sich auch auf die Tugenden des Einzelhandels und des E-Commerce. Bücher im Internet reservieren und in der Filiale abholen am gleichen Tag – kein Problem, selbstverständlich auch der normale Versand. Auch auf der Webseite soll das Know-how der Mitarbeiter genutzt werden, die Themen vorstellen und zusätzlich mit Prominenten wie Hape Kerkeling ein Potpourri aus empfehlenswerten Titeln zusammengestellt werden. Es soll, so klingt es, nicht weniger als der beste Buchhandel der Welt werden.

Ob das am Ende reicht, das liegt vielleicht so wenig in den Händen Thalias wie das Schicksal des Kupferkessels in denen seiner Hersteller.

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