Die Macht der Singles Der Trend zum Alleinsein verändert den Einkauf

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Der Siegeszug der kleinen Dosen

Am deutlichsten wird der Einfluss der Alleinlebenden beim Blick ins Supermarktregal. Neben der 800-Gramm-Dose mit Ravioli steht mittlerweile eine halb so große. „1 Portion“ steht in großen Buchstaben darauf. Im gleichen Fach wie die Toastbrotpackung mit 20 Scheiben liegt eine mit zehn. Produkte wie Speckwürfel und Miniwürstchen gibt es innerhalb einer Großpackung voneinander getrennt und portioniert. Käsescheiben kommen einzeln eingeschweißt.

So manipulieren Supermärkte ihre Kunden
Verschiedene TürenDie Verkaufstricks der Supermärkte setzen schon beim Schritt über die Schwelle an. Die meisten Läden lassen den Kunden zur einen Tür hinein und zu einer anderen wieder hinaus - oder eine Sperre verhindert, dass der Kunde auf dem Absatz kehrt machen kann. Wer einmal in einen Supermarkt hineingegangen ist, muss ihn zumindest teilweise durchqueren. Dabei führt der Weg logischerweise an all den verlockenden Waren vorbei. Quelle: dpa
Große EinkaufswagenSupermärkte setzen auf große Einkaufswagen, damit Kunden sie ordentlich voll machen können. Da es aufgrund der Größe länger dauert, bis die Wägen gefüllt sind, suggeriert das den Kunden, sie hätten noch nicht viel gekauft – um getrost weiter zugreifen zu können. Quelle: dpa
Spezielle Einkaufswagen für Kinder sind übrigens keine süße Spielidee für die Kleinen: Sie sollen die Kinder dazu animieren, auch selbst zuzugreifen und ihre Eltern so zum Kauf zu bewegen. Quelle: dpa/dpaweb
Obst und Gemüse finden sich meist ganz vorne im Laden. Eigentlich ist das Quatsch. Schließlich muss der Kunde umpacken, will er spätere Einkäufe nicht auf den Salatkopf stellen. Aus Verkäufersicht ist dieser Aufbau trotzdem clever. So versprüht der Supermarkt nämlich das Flair eines Wochenmarktes. Den verbinden Menschen mit regionalen Produkten und den Bauern des Vertrauens. Quelle: dpa
Alltagswaren in der EckeMenschen kommen meist für die Grundnahrungsmittel in den Supermarkt. Was wir täglich brauchen und häufig kaufen - Milch, Aufschnitt, Fleisch -, steht im Supermarkt ganz am Ende. So ist der Kunde auf seiner Suche nach etwas Käse gezwungen, den ganzen Markt zu durchqueren. Große Vollsortimenter mit viel Verkaufsfläche nutzen die Strategie der langen Wege besonders geschickt aus: Erst kommen Kleidung, Spielwaren und Technik, dann die Lebensmittel für den täglichen Bedarf. Quelle: dpa
Die Wege sind nicht nur lang, sie verlaufen auch in fast allen Supermärkten gleich. Das ist kein Zufall: Die meisten Menschen sind Rechtshänder – und fühlen sich wohler, wenn der Einkaufsweg links herum führt. Dann greifen sie öfters zu – und beim Supermarkt klingelt die Kasse. Quelle: dpa
Werbeaufsteller und Aktionsregale stehen den Kunden extra mitten im Weg. Sie sollen sie zusätzlich ausbremsen, somit ihre Aufmerksamkeit anziehen und zum Kauf animieren. Quelle: dpa

Lebensmittelindustrie und -handel haben sich gut auf den neuen Kundentyp eingestellt, versuchen die klassischen Produkte in eine andere Verpackung zu bringen – das senkt zumindest den Müllanteil und verhindert, dass Reste schlecht werden.

Single-Einkauf ist teuer

Ihren Dienst am Single-Kunden lassen sich die Hersteller gut bezahlen. Stichprobentests haben wiederholt gezeigt, dass die Minipackungen am Ende deutlich teurer ausfallen.

Kleines Rechen-Beispiel: Wenn 500 Gramm Toast 1,29 Euro kosten, macht das einen Grundpreis von 26 Cent je 100 Gramm. Die 250-Gramm-Packung für 99 Cent kommt auf einen Grundpreis von 40 Cent.

Materialkosten, Arbeits- und Transportkosten seien genauso hoch, argumentieren Industrie und Handel. Ein paar Ravioli mehr oder weniger fallen eben nicht groß ins Gewicht. Dabei können die Händler froh sein, wenn die Alleinlebenden überhaupt noch kommen.

Die Zahl der Speisen, die Zuhause gegessen werden, nimmt kontinuierlich ab. Frühstück, Mittag- und Abendessen verlieren an Bedeutung. Gegessen wird stattdessen in aller Eile oder unterwegs. „Snacking-Trend“ nennen das etwa die Experten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

Treibende Kraft dabei sind auch die Alleinlebenden. Faustregel: Wer alleine wohnt, hat weniger Lust, sich an den Herd zu stellen. Wer kocht schon ein Drei-Gänge-Menü mit dutzenden Zutaten, um es dann alleine vor dem Fernseher zu essen?

Bio-Speisen für die Mikrowelle

Auch auf diese Bewegung reagiert die Industrie. Der Anteil an Convenience-Food und Ready-to-eat-Produkten wächst ständig. Zur klassischen Tiefkühl-Pizza haben sich längst Mikrowellen-Burger und -Currywurst gesellt. Seit das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung wächst, nimmt auch die Anzahl der verzehrfertigen Salate und mikrowellentauglichen Bio-Speisen zu.

Der Wandel im Lebensmittelhandel macht nicht bei der Produktgröße und -art halt. Auch der Einkaufsort sei entscheidend, glaubt Konsumforscherin Reitmeier.

„Kleine, zentrale Supermärkte und selbst Tante-Emma-Läden werden deshalb in Zukunft stärker gefragt sein“, sagt Reitmeier. Tatsächlich haben die abseits gelegenen SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte bereits jetzt mit Problemen zu kämpfen. Sie verlieren Kunden und der Großeinkauf für die fünfköpfige Familie an Bedeutung.

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